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Antigua und Barbuda – Karibisches Inselglück

von Quentin Mayerat

Es gibt wohl niemanden, der dem sanften Streicheln des sonnengewärmten Passats widerstehen kann. Zu verlockend ist der Gedanke, sich der bissigen Kälte des hiesigen Winters zu entziehen und auf dem türkisfarbenen Wasser der Antillen dahinzugleiten. Wir sind schwach geworden und haben dem Lockruf der beiden Schwesterninseln nördlich von Guadeloupe nachgegeben.

Text: Bertrand Duquenne

Antigua ist in der Regattaszene ein Begriff, Barbuda führt eher ein Schattendasein. Es verirren sich deutlich weniger Besucher hierhin, in der Surfer-Community gilt Barbuda hingegen als Geheimtipp. Obwohl die beiden Inseln eine komplett unterschiedliche Geografie und Demografie haben, bezaubern sie beide mit karibischem Flair, endlosen Sandstränden und smaragdfarbenem Meer.

Türkisfarbenes Glück

«Fieser Sonntagabendvorschlag: Wer hat Lust, mit mir eine Woche zwischen Antigua und Barbuda zu segeln? Es ist Passatwind angesagt und es gibt ein paar geniale Kitesurfspots.» Als ich diese Zeilen ins Netz stellte, wusste ich, dass ich schnell fündig werden würde, schliesslich gilt die Destination in der Kitesurf-Community als absolutes Muss.
Genauso war es dann auch. Kurze Zeit später bezog die spontan zusammengewürfelte Reisegruppe an einem schwülen Tropenabend den Heli 44 Palilu von Dream Yacht Worldwide, der in der hübschen Marina Jolly Harbor stationiert ist. Im künstlichen Jachthafen bilden Kanäle und Privatstege gut geschützt hinter der Leeküste ein farbenfrohes Labyrinth. Am Samstagabend herrscht in den direkt am Wasser errichteten Bars ein sympathisch-buntes Treiben. Wir nutzen die Gelegenheit, um unsere Reiseroute bei einem Carib – einem lokalen Bier – zu besprechen.

UNSERE PIRATENINSEL MAIDEN ISLAND. IHR TOTENKOPFÄHNLICHER FELSEN BIETET OPTIMALEN SCHUTZ.

Da für die kommende Woche ein relativ kräftiger Passat erwartet wird, beschliessen wir einstimmig, Antigua gegen den Uhrzeigersinn zu umsegeln. Unser Katamaran ist nicht wirklich auf Leistung ausgerichtet, sondern bietet in erster Linie viel Komfort. Wir wollen es daher ruhig angehen lassen.
Leinen los und backbord voraus! Bei der Ausfahrt durch das enge Fahrwasser des Jachthafens darf man nicht vergessen, dass die Betonnung genau umkehrt ist wie bei uns. Man läuft sonst Gefahr, auf Untiefen aufzulaufen. Als wir uns ein wenig von der Küste entfernt haben, erhalten wir einen besseren Eindruck von der Beschaffenheit der Insel. Antigua ist erstaunlich hügelig und von seichtem türkisfarbenem Wasser umgeben. Kumuluswolken bleiben an den Erhebungen hängen, saugen sich mit Wasser voll und begiessen dann die üppige Natur. Ein paar wilde Venturis schiessen die Hänge hinunter und setzen in den Buchten zum Sprint an.

Passat werden wir garantiert genug bekommen. Hinter Johnsons Point meldet er sich im Goat Head Channel erstmals zur Stelle. Offenbar treibt er schon eine ganze Weile sein Unwesen. Dadurch haben sich auf dem offenen Meer Wellen gebildet, die unserem Kat das Leben schwer machen, sobald wir die schützenden Riffe rund um die Insel hinter uns gelassen haben. Umso mehr freuen wir uns auf English Harbor. Dort müssen wir feststellen, dass andere die gleiche Idee hatten wie wir. Es suchen noch eine ganze Menge weiterer Boote Schutz. Wir haben schliesslich Glück und finden einen kleinen Platz am Fuss eines mit Villen überbauten Hügels.

English Harbor

Die Geschichte von English Harbor geht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Damals richtete Admiral Nelson an diesem Ort sein Hauptquartier ein, um die Militäroperationen der Royal Navy in der Region zu planen. In der Regattaszene kennt jede und jeder die tief eingeschnittene Bucht im Süden der Insel, denn sie ist jedes Jahr Schauplatz der Antigua Sailing Week. An dieser internationalen Regatta im April segeln die schönsten Boote gegeneinander. Maxis, Wallys und J-Class machen hier deshalb lange Halt.
Wir können von unserem Beiboot aus beobachten, wie die Crews in den ersten Morgenstunden die in der Nacht nass gewordenen Flächen polieren. Ein Tee nach alter Tradition, ein Besuch in
der historischen Hafenanlage, ein Abstecher in die Segelmacherei A&F und schon kann es Richtung Osten weitergehen. Die Navigation ist zwar genauso ungemütlich wie am Vortag, doch die
Windprognosen für die nächsten Tage und die Vorfreude auf einen der schönsten KitesurfSpots der Antillen halten uns bei Laune.

RUND UM ANTIGUA SEGELN EINE MENGE UNTERSCHIEDLICHER BOOTE. RACER TRAINIEREN FÜR DIE BEVORSTEHENDE
ANTIGUA WEEK UND EIN PAAR FAHRTENJACHTEN DURCHQUEREN MIT MÜHE DIE WINDIGEN KANÄLE.

Nonsuch Bay Pass erfüllt alle unsere Erwartungen. Der Spot hinter Green Island ist durch ein Riff geschützt. Ein Stück Strand, von dem aus ein konstanter Wind: Wir haben unser Glück gefunden! Zudem ist die Insel fast menschenleer und es gibt auch kaum Boote. Mehr können wir uns wirklich nicht wünschen. Ich erspare Ihnen die Beschreibung unseres Foil-Nachmittags, an dem wir zwischen Korallenbänken Slalom gefahren und da und dort Fischschwärme und Schildkröten aufgescheucht haben. Nach unserer fantastischen Kite-Session sitzen wir bis zum Sonnenuntergang im Cockpit beisammen und lassen den Tag Revue passieren. Dabei stellt sich die Frage, die jeden Törnsegler umtreibt: Sollen wir bleiben oder weiterziehen? Unsere Neugier überwiegt, wir wollen unbedingt noch Barbuda sehen.

Barbuda, die Unscheinbare

Begleitet von Schwärmen fliegender Fische benötigen wir für die 30 Seemeilen zwischen den beiden Inseln mehrere Stunden. Im Gegensatz zu ihrer grossen Schwester ist Barbuda flach. Man muss daher ziemlich nahe heranfahren, bis man sie am Horizont erkennt. Bohnenförmig liegt die Insel zwischen Untiefen und Felsköpfen. Im Innern umschliesst sie eine Lagune. Mal ganz ehrlich: Auf den ersten Blick wirkt sie nicht gerade einladend. Sie sieht eher aus wie eine Pirateninsel. Mit höchster Konzentration lotsen wir den Kat an Korallengruppen vorbei, die wir nur an ihren Schatten erkennen, und machen dann vor einem endlosen weissen Strand fest. Der feine Sand reagiert sehr empfindlich auf Wind und Wellen. Er bleibt in der Luft hängen und trübt das Wasser.

DER TRAUM JEDES KITEFANS: WIND, TÜRKISFARBENES WASSER UND EIN STRAND ZUM STARTEN UND LANDEN.

Unser erster Halt heisst Cocoa Point, wo ein paar wenige Langfahrtenboote ankern. Der zivilisatorische Kontrast zum dicht besiedelten, lebendigen Antigua ist beeindruckend. Hier gibt es keine Resorts und keine beachenden Ausflugsboote. Die 1600 Bewohnerinnen und Bewohner leben mehrheitlich in Codrington, das nach dem Mann benannt ist, der die erste grosse Zuckerrohrfarm auf Antigua gegründet hat.
Diese Woche geht auf der flachen Insel ein kräftiger Wind. Am Strand stehen ein paar kleine Buden, in die abends Leben einkehrt, und ganz am Ende des Sandstreifens erreicht man Kite Buda. Momentan herrscht in diesem Kitezentrum kein Andrang, man wartet mit karibischer Nonchalance auf Kunden. Der Ort ist atemberaubend schön. Eine Sandzunge zieht sich durch einen Korallengarten und weckt den Wunsch, das Revier schnorchelnd zu erkunden. Erst, als wir den Spot immer wieder von Neuem aufsuchen, erwacht der Manager von Kite Buda aus seiner Lethargie und bietet uns seine Dienste an. Mit dem Beiboot fahren wir zum Spanish Point an der Südspitze der Insel. Dort liegen einige Fahrtenboote im Schutz eines Riffs, doch uns scheint die Zufahrt etwas zu riskant, da überall Felsen aus dem Wasser ragen. Hier und da stehen ein paar heruntergekommene Fischerhütten. Der ungebremst aus dem offenen Meer heranrollenden Brandung sind die behelfsmässig aus Holz und Tuch konstruierten Unterstände nicht gewachsen. Die Vegetation scheint sich angepasst zu haben. Statt in die Höhe zu wachsen, beugen sich die wenigen Palmen dem Wind. Ansonsten bieten nur ein paar vereinzelte Büsche Schutz.

GREEN ISLAND: HINTER DEM RIFF KANN MAN SICH VOR WIND UND WELLEN IN SICHERHEIT BRINGEN.

Unsere Neugierde führt uns in den Nordosten der Insel zu einer Lagune. Wir ankern einen Steinwurf von den Ruinen eines Hotels entfernt. Es scheint vor langer Zeit dem Sand zum Opfer gefallen zu sein. Links und rechts davon erstreckt sich ein schier endloser Strand. Unser einziger Nachbar ist der Horizont. Wir sind allein. Zum Glück gewähren uns die hier hausenden Fregattvögel das Recht auf etwas Robinson-Zeit. Wir gönnen uns einen Aperitif im Sand, der in der Abenddämmerung leicht rosa schimmert, bevor wir versuchen, für das abendliche Barbecue ein paar Stachelmakrelen zu fangen.

Aus der Zeit gefallen

Die Rückfahrt nehmen wir nachts unter die Buge. Ein leichter Wind schiebt uns bei Vollmond aufs offene Meer hinaus. Immer wieder überzieht sich der Sternenhimmel mit dicken Regenwolken. Wir kennen sie mittlerweile. Da der Wind ständig zwischen 15 und 35 Knoten schwankt, müssen wir wiederholt reffen und die Segelfläche verkleinern.
Als die ersten Sonnenstrahlen die Wolkendecke durchdringen, erreichen wir den Prickly Pear Channel. Er führt ins Riff, das den Norden Antiguas schützt. Die Einfahrt liegt zwischen einem Felskopf, der nur an der Gischt zu erkennen ist, und einer kleinen Insel, auf der sich det. Wir sind etwas früh dran für einen Stopp, unser Glück später nochmals versuchen, zu verlockend scheint uns der Gedanke, ein paar Meter von einer Bar entfernt zu schwimmen.

SPANISH POINT UND SEIN GESCHÜTZTER LIEGEPLATZ HINTER DEM KORALLENRIFF

Plötzlich legen sich die Wellen, doch die Wolken am Horizont kündigen weitere Schauer an. Wir fahren an Long Island und seinen Villen vorbei. Ein Ruderschlag nach Steuerbord, einer nach Backbord und wir ankern am Fuss von Black Cliff Island.
Die Sonne drückt durch und entflammt den Himmel. Das grelle tropische Licht verwandelt das Wasser in eine grüne Farbpalette und bringt die einsame Insel zum Leuchten. Eigentlich wollten wir mit den zutraulichen Rochen vor Guiana Island schwimmen gehen, aber der Weg dorthin, der im Zickzack an Untiefen und durch kabbelige See führt, vereitelt unsere Pläne. Wir beschliessen, kein Risiko einzugehen und mit den Schildkröten zwischen den Korallen rund um unseren Ankerplatz zu schnorcheln. Als krönenden Abschluss des Tages lassen wir es uns nicht nehmen, im tropentypischen Abendlicht zu kiten. In den letzten Tagen waren wir der Zivilisation so nah und doch aus der Zeit gefallen. Leider müssen wir uns schon bald wieder auf den Rückweg machen. Auf der Leeseite der Insel segeln wir gemütlich vor dem Wind.

COCO POINT MIT SEINEM SCHIER ENDLOSEN SANDSTRAND

Zur Mittagszeit taucht hinter Shipstern Point die erstaunliche Deep Bay auf. «Bleiben Sie bei der Einfahrt dicht an den Felsen», hatte man uns beim Briefing gewarnt. Jetzt verstehe ich, warum. Ein prächtiges Wrack liegt in der Mitte der Bucht, nur der Schornstein ragt knapp aus dem Wasser.
Am Ende der Bucht werden wir brutal in die Zivilisation zurückversetzt. Ein paradiesischer Strand scheint zwei Welten zu trennen. Rechts befindet sich ein Resort, das darauf erpicht scheint, seine Gäste am Pool mit möglichst vielen Dezibel und Jetski-Rennen in den Wahnsinn zu treiben. Links steht die Ruine einer Festung, die einst über die Einfahrt in die Bucht St. John’s wachte. Dazwischen stehen ein paar Souvenir-Buden in verblichenen Farben. Wir entscheiden uns für die ursprünglichere Seite, schauen zunächst dem lautlosen Ballett der Schildkröten zu, die offensichtlich auch die Ruhe vorziehen, und beobachten dann auf unserem Spaziergang auf den Festungsmauern das lärmige Treiben der Jetskis. Benommen und noch nicht bereit, das Abenteuer hinter uns zu lassen, steuern wir am Abend einen beschaulicheren Ort an.

Inmitten einer tiefen Bucht erhebt sich eine kleine Insel. Es geht ein starker Wind, der wohl einst die verfallenen Mühlen rund um die Bucht angetrieben hat. Wirklich einladend sieht die eher kahle Insel nicht aus. Trotzdem nähern wir uns, um ein gut geschütztes Plätzchen zu finden. Eine Pelikan-Kolonie fliegt davon und enthüllt einen riesigen Felsen in Form eines Totenkopfs. Das könnte unsere Pirateninsel sein! Wir bleiben lange wach und trinken Rum, in der Hoffnung, das ein oder andere Holzbein zu hören. Die Realität kommt leider nicht an unsere Träume heran. Nichts und niemand scheucht die Vögel auf.

DEEP BAY, DARÜBER DIE FESTUNGSRUINEN

Im ersten Licht der Morgendämmerung machen wir uns auf zu unserer letzten Etappe. Jolly Harbor erwacht gerade, als wir anlegen. An diesem Morgen scheint sich das sonst so quirlige Treiben auf eine mit irischen Flaggen geschmückte Bar zu konzentrieren. Das Six-Nations-Turnier ist gerade in vollem Gang und ein Frankreich-Irland-Spiel lässt man sich nicht entgehen. Wir sind die einzigen Gallier inmitten einer grünen Menschenmenge, die wild schreiend, schimpfend und applaudierend mitfiebert. In ein paar Stunden werden wir diesen einzigartigen Ort wieder verlassen. Um nochmals die karibische Luft von Antigua zu schnuppern und ein letztes Mal in die so typische tropische Trägheit zu verfallen, gönnen wir uns einen letzten Abstecher an den Strand.

Reise-Infos

Anreise:

Nach Antigua gelangt man auf vielen verschiedenen Wegen. Es gibt zahlreiche Direktflüge und Flugverbindungen über Guadeloupe. British Airways und Virgin Atlantic fliegen mehrmals täglich aus Europa den VC Bird International Airport an.

SPANISH POINT ODER WIE MAN ZWISCHEN KORALLENKÖPFEN ANKERT

Charter:

Das Charterunternehmen Dream Yacht Worldwide bietet in seiner Basis Jolly Harbour zahlreiche Jachten und Katamarane an.
dreamyachtcharter.com

Vom Flughafen erreicht man die Basis an der Westküste der Insel in einer halben Stunde. Dort begrüsst Sie ein hilfsbereites Team, erklärt Ihnen das Boot und hält ein effizientes Briefing ab, bevor es Sie aufs offene Meer entlässt.
Jolly Harbor bietet alle nötigen Annehmlichkeiten einer Marina, ein paar gute Restaurants und einen Supermarkt.
Es wird empfohlen, sich vor dem Lossegeln zu verproviantieren, denn an den verschiedenen Ankerplätzen und auch in Barbuda findet man kaum Einkaufsmöglichkeiten. Beim Briefing erhalten Sie jedoch ein paar gute Restauranttipps.

MMER WIEDER MAGISCH: DIE SONNENUNTERGÄNGE IN DEN TROPEN

Segelsaison:

Beste Segelzeit für Törns zwischen Antigua und Barbuda sind die Monate Januar bis Mai, wenn Wetter und Winde beständiger und die Temperaturen mild sind. Der Wind weht meistens aus Ost bis Nordost mit 18 bis 20 Knoten. Der gelegentliche Nordswell kann das Ankern an gewissen Orten, vor allem in Barbuda, erschweren. Im Sommer steigen die Temperaturen um 3 bis 4 Grad und das Wetter ist wechselhafter.
Dann dominiert der Ost- bis Südostwind mit einer Stärke zwischen 10 und 25 Knoten.
Wetterinfos finden Sie auf accuweather oder weathercarib und auf 95.50 FM

Für massgeschneiderte Reisen und/oder Törns:

my Charter, info@mycharter.ch, mycharter.ch
oder Maison Fert, i.chartier@fert.ch, fert.ch

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