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Aphrodites Kurven

von Quentin Mayerat

Paradiesischer Ankerplatz: Die Leinen werden am Ufer an Olivenbäumen festgemacht. © Pierrick Garenne

Elfi sieht aus wie eine Piratin, so ganz allein auf ihrem kleinen, mit Waren überladenen Motorboot. Elfi ist 21 Jahre alt. Sie fährt von Schiff zu Schiff und hakt die Vertäuleine ihres schwimmenden Marktstandes an der hinteren Klampe unseres 36-Füssers ein.

Es ist heiss, der Wind pfeift uns schon mehrere Stunden lang um die Ohren und zwingt uns, ein Reff ins Gross zu machen und das Dreieck zu verkleinern. Wir sind klitschnass und froh, uns auf dem eigentlich wenig einladenden Steg ausruhen zu können. Doch was soll‘s, beim Anblick von Elfis kindlichem Gesicht ist unsere gute Laune im Nu wieder da. Auf ihrer Nussschale stapeln sich kunstgerecht Kleider, Schmuck, Halstücher und Trockenfrüchte. Sie müssen alle verkauft werden, damit sich die sechs Monate lange Winterarbeit, in der sie und ihre Mutter jeweils meterweise Stoff kaufen, rot, türkis oder schwarz färben, zuschneiden und daraus Tuniken und Pareos schneidern, auch auszahlt. Sechs Monate kommt sie deswegen kaum aus ihren vier Wänden heraus, die andern sechs Monate verbringt sie im Freien inmitten von Booten, Fahrtenseglern auf der Durchreise ihre Ware feilbietend. Konkurrenz fürchtet Elfi nicht. Sie hält sich etwas abseits, strahlt mit ihrem vereinnahmenden Lächeln und merkt an weiss nicht was, dass sie die potenziellen Kunden auf Englisch, Deutsch, Italienisch oder Französisch ansprechen muss. Ganz in der Nähe betreibt ihre Mutter ein weiteres schwimmendes Geschäft. Im Sommer geht ihr ihre jüngste Tochter zur Hand, „nur“, um die Schule bezahlen zu können. Respekt! Nachts schläft die ganze Familie zusammen mit dem Vater und den Brüdern auf einem Fischerboot, das in einer Ecke der Bucht vertäut ist.

Wir befinden uns in Buzük Buku im Süden von Bozburun Yarimadasi, auf halbem Weg zwischen Marmaris und Orhaniye. Der Meltemi ist gut spürbar und hat gegen 14 Uhr wie üblich aufgefrischt. Aus den 10-15 Knoten von 10 Uhr morgens sind böenartige 25 Knoten geworden! In dieser Region sind diese Verhältnisse jedoch nichts Aussergewöhnliches und eigentlich auch kein Problem. Man muss sich einfach danach richten und die Segelphasen entsprechend planen, das heisst mit der Sonne aufstehen, schnell einen Kaffee trinken, die Leinen losmachen und bei konstantem Zephyr und ruhigem Meer mit gesetztem Grosssegel und voller Genua das nächste Ziel ansteuern.

Ruinen und Felsbuchten

Unter halbem Wind aus Norden, ideal, um zügig, aber unbesorgt zu segeln © Pierrick Garenne

© Pierrick Garenne

En fait, nous sommes partis depuis une bonne semaine duWir sind vor gut einer Woche in der Bucht von Orhaniye, einer kleinen Stadt zwischen Datça Yarimadasi und Bozburun Yarimadasi, aufgebrochen. Die Bucht zwischen diesen beiden Halbinseln bietet sich für kurze Ausfahrten, auf denen man fast auf Sicht segeln kann, geradezu an. Gestartet sind wir mit Kurs auf Nordost nach Datça und Knidos. In Datça findet man jeglichen modernen Komfort, sogar die Musikbeschallung aus den Bars fehlt nicht. Ganz anders in Knidos. Die antike Stadt mit den beiden Hafenbecken nimmt den Besucher mit auf eine Zeitreise. Hier hat Praxiteles gegen 350 v. Chr. die erste nackte Frauenstatue Griechenlands – ein Abbild der schönen Aphrodite – geschaffen. Knidos war auch die Heimat des Mathematikers, Philosophen und Astronomen Eudoxos. Er war ein Zeitgenosse Platons und stellte als erster eine Theorie zur Bewegung der Planeten auf. In einer Ecke der Ruinenstätte befindet sich übrigens eine Sonnenuhr, die den Historikern noch immer zahlreiche Rätsel aufgibt. Antike Ruinen der Hellenen gibt es hier im Überfluss. Neben den beiden Theatern sind Überreste eines Dionysos-, Apollo-, Demeter- und natürlich eines Aphrodite-Tempels zu finden. Aus Letzterem stammt die berühmte, heute im British Museum in London ausgestellte Akt-Statue, die von Sir Charles Thomas Newton 1857 bei den ersten Ausgrabungen mitgenommen wurde. Das antike Knidos gibt es zwar nicht mehr, man kann sich aber gut vorstellen, wie die Triere den alten Militärhafen füllten und die Gelehrten in dieser Denkschmiede innbrünstig philosophierten.

Nach Bozburun Yarimadasi geht es in hohem Tempo vor dem Wind weiter, die griechische Insel Simi und damit Europa steuerbord lassend. Ein Zwischenhalt ist durchaus denkbar, man muss allerdings vorher die Formalitäten für die Ausreise aus den türkischen Gewässern erledigt haben. Griechenland ist nur ein Steinwurf von der türkischen Küste entfernt und die Versuchung ist gross, in einer der kargen Buchten zu ankern. Man sollte es aber lieber bleiben lassen, zu oft sind hier Militärschiffe unterwegs, die eine ihrer unangekündigten Kontrollen durchführen könnten. Besser, man ist vorgewarnt. Einen Abstecher zu den Giebelhäusern und mit türkisblauem Wasser gefüllten Felsbuchten von Simi lohnt sich aber – sofern die Papiere in Ordnung sind.

Ein byzantinisches Schiff unter dem Kiel

Bozük Bükü und sein Restaurant Ali Baba. Vom Ankerplatz mit Mooring-leinen aus kann die Zitadelle besucht werden, die über die Einfahrt der Bucht wacht. © Pierrick Garenne

Die Insel südlich in Richtung Marmaris zu umrunden ist ebenfalls empfehlenswert. Nicht, um sich ins Getümmel der lokalen Hochburg des Massentourismus zu stürzen, sondern wegen der vor Seegang gut geschützten t-förmigen Bucht Serçe Limani, hinter deren nur gerade 100 Meter breiten Einfahrt sich eine wahre Idylle verbirgt. Inmitten der wild zerklüfteten Landschaft liegt im Osten ein kleines Restaurant. Man sollte sich ihm besser nicht unter Segeln nähern, denn die Wirbelwinde können die Idylle im Nullkommanichts zerstören. Davon zeugt auch das byzantinische Schiff, das hier gekentert ist, als es dieser turbulenten Reuse entkommen wollte und an den Felsen zerschmetterte. Seine Ladung ziert heute die Regale des Museums für Unterwasserarchäologie in Bodrum. Hauptort der Halbinsel ist Bozburun – ein echtes Gulet-Nest! Unzählige dieser gros-sen Holzboote strecken ihre majestätischen Masten in den Himmel und bezaubern durch ihr schimmerndes Farbenspiel. Auch an einem Halt in Bozburun führt nichts vorbei. Die direkt am Hafen errichtete Moschee und die Statue des über sein Volk wachenden Atatürk sollte man gesehen haben. Der Muezzin erinnert daran, dass wir uns in Anatolien befinden. Unmöglich, bei Einbruch der Dunkelheit, ein Glas Raki in der Hand und die Augen in den Sternenhimmel gerichtet, nicht ins Träumen zu geraten. Tagsüber ziehen die bewaldeten Berghänge den Blick auf sich. Bergpfade schlängeln sich durch Zedern- und Pinienwälder, vorbei an lilafarbenem und weissem Oleander, Zitronenhainen, Kapern- und Rosmarinsträuchern. Dort, wo sie steil zum tiefen, türkisfarbenen Wasser abfallen, entfaltet sich die Region in ihrer ganzen Schönheit.

Vor dem Kiel erscheinen lauter märchenhafte Buchten und noch mehr kleine Ankerplätze. Im Norden der vor Bozburun gelegenen Insel Kizil Ada sollte man sich jedoch vor vereinzelten Felsen in Acht nehmen. Untiefen verleihen dem Wasser eine fantastische Färbung, sind aber nicht ganz ungefährlich, auch wenn Katamarane und örtliche Fischer maliziös darüber hinweggleiten. Doch auch für Kielboote ist die Auswahl an Ankerplätzen unendlich gross; sie können mit langen Ankerleinen an Land festgemacht werden.

In Buzük Buku kaufen wir Elfi schliesslich eine schwarze Tunika und ein türkisfarben schimmerndes Armband ab – schwarz wie die Augen der jungen Türkin, die den Winter eingeschlossen in ihrer Arbeitsstube und den Sommer auf ihrem Boot verbringt, türkis wie der sandige Meeresgrund, der im glasklaren Wasser glitzert. Die Türkei und der Golf von Orhaniye verdienen es, das man sich für sie interessiert und sie genauer erkundet. Spass am Segeln, einsame Restaurants in idyllischen Buchten mit klapprigen Stegen, menschenleere Ankerplätze und kleine, vom Tourismus verschonte Dörfer – all das findet man in der Türkei, die den betörenden Charme der Kurven Aphrodites ausstrahlt.

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