Unser Programm: ein Traumtörn mit Windsurfern und „Wellenjägern“ durch die Inseln unter dem Wind im Herzen von Französisch-Polynesien. Wir bunkern Proviant an Bord der Cara, einem imposanten Katamaran von knapp 12 Metern Länge. Am späten Nachmittag ist es soweit: Wir machen die Leinen los und steuern die Lagune und ihre unzähligen „Motus“ an. Wir segeln mit 7 bis 8 Knoten unter Grosssegel und Genua. Alles ist betonnt. Auf der Detailkarte sind nicht nur alle unsere Anhaltspunkte, sondern auch die zahlreichen Gefahren der Lagune eingezeichnet. Es ist ein Kinderspiel, den grünen und roten Tonnen zu folgen. Sie legen den perfekten Kurs fest. Sogar Anfänger könnten hier unbesorgt segeln. Unser Skipper Sergio passt auf und erteilt seiner Crew Anweisungen. Die ist nicht von schlechten Eltern: Mit dabei sind Carine Camboulives und Manu Bouvet, Spezialisten von Windsurftrips in die entlegensten Regionen der Welt, begleitet von einer gerade einmal 9 Monate alten Matrosin namens Lou. Verstärkt wird das Team durch Baptiste Gossein, Profiwindsurfer und mutmasslicher König der Unterwasserjäger. Die Berge fallen in die glasklare Lagune ab, das grelle Licht wirft uns die Bilder zurück, auf die wir so sehnlichst gewartet haben. Wir befinden uns in einer Bilderbuchlandschaft mitten in Polynesien.
Der schönste Aperitif der Welt
Wir sind einige Seemeilen vor dem Wind gesegelt, als wir plötzlich ein traumhaftes Motu entdecken. Sprachlos bewundern wir die Idylle. Nach einer kurzen Überprüfung des Meeresgrundes werfen wir den Anker. Keine fünf Minuten später plantschen wir alle im Wasser. Um das Glück perfekt zu machen, frischt der Passatwind allmählich auf. Wir dürfen uns auf einige tolle Wellenritte nach dem Mittagessen freuen. Hinter unserem Ankerplatz liegt, verborgen durch ein Motu, ein absolut unglaublicher Freeride-Spot! Caras Trampolin ist ideal, um unsere kleinen Windsurfsegel aufzutakeln und ungefährdet ins Wasser zu gleiten. Mit einem Einrümpfer wäre das Ganze bestimmt einiges schwieriger. Carine spielt die Vorreiterin. Mit über 20 Knoten schiesst sie durch den Korallengarten. Wenn nur das Schwert dabei keinen Schaden nimmt! Unsere Stossgebete sind vergebens, es kommt, wie es kommen muss: Schon nach zehn Minuten ist ein neues Schwert fällig. Mehr als ein Ersatzteil für ihr Freeridebrett haben wir nicht dabei. Bleibt also nur noch ein Schwert für die restlichen zwei Wochen. Baptiste kennt sich aus mit Wellensegeln, doch im Moment hat er eine andere Aufgabe. Er ist für die Freeride-Fotos zuständig. Cool steht er im Wasser und zeigt sein schönstes Colgate-Lächeln. Zugegeben, es steht ihm gut. Auch Manu scheint mit seinem Programm zufrieden zu sein. Er posiert nicht das erste Mal für Familienfotos in paradiesischen Lagunen. Einen ganzen Nachmittag lang verewigen wir unsere erste Etappe. Nach einigen herrlichen Stunden Surfen in dem riesigen Schwimmbad genehmigen wir uns einen ersten Aperitif und geniessen die atemberaubende Aussicht.
Ein Traum wird zum Alptraum
Was bei Sonnenuntergang noch paradiesisch schien, wird einige Stunden später zum Alptraum. Mitten in der Nacht reisst uns ein dumpfes Geräusch aus dem Schlaf. Irgendetwas scheint am Kat-Boden zu scheuern, zuerst unter dem einen, dann unter dem anderen Rumpf! Wir sind in Nullkommanichts an Deck. Der Wind bläst mit über 25 Knoten, der sanfte Wellengang in der Lagune hat sich zu einer Quersee entwickelt. Die Kette ist zum Zerreissen gespannt, doch der Ankerplatz ist gegen den Wind ausgerichtet! Die Strömung hat die Richtung gewechselt und zieht unseren Katamaran in den Wind. Wir haben eine 180°-Drehung um den Ankerplatz vollführt, daher auch das seltsame Geräusch. Den schlimmsten Schaden aber hat unser Jetski verursacht. Er war hinten am Kat festgemacht und ist durch den starken Wellengang zwischen die Rümpfe geraten. Die Folgen sind eine kaputte Haube und ein Leck. Mit Müh und Not dichten wir das Loch im Dunkeln ab. Nicht gerade berauschend für eine erste Nacht im Paradies! Am nächsten Morgen sind wir alle geschafft und haben nur noch eins im Sinn: für die kommenden Nächte einen besser geschützten Platz zu fin-den. Doch die Sonne vertreibt unseren Missmut schnell. Ungeduldig, die vielen Kilometer Küsten zu entdecken, lichten wir den Anker. Wir setzen das Gross und die Genua und schon gleiten wir gemütlich durch die weite Lagune. Baptiste dreht nicht gerne Däumchen. Er macht sich auf dem Trampolin zu schaffen und bereitet sein eigenes Material vor. Wenig später kreist er auf seinem Brett um die Cara.
Hardcore-Windsurfen auf einer perfekten Welle
Wir werden jeden Tag neu von der Schönheit der Umgebung übermannt. Die riesige Lagune schillert in den verschiedensten Blautönen, Delfine statten uns Besuche ab, kleine Haie kreisen neugierig im Wasser und wir können uns die Seele aus dem Leib riden. Wir verges-sen über dieses sanft dahinplätschernde Leben fast das Ziel unserer Reise: die perfekten Wellen Polynesiens. Was die Grösse angeht, so werden wir nicht enttäuscht. Mutter Natur zeigt sich grosszügig. Eine kräftige Dünung aus dem Südpazifik sorgt für mehrere aneinander gereihte 4-5 Meter grosse Tubes. Mehr brauchen unsere Windsurfprofis nicht, um sich auszutoben. Die Spielregeln sind einfach: die Dünung weit draussen holen gehen, sich von ihr zurücktragen lassen und sie surfen, indem man so viele schöne Kurven wie möglich in die Welle zeichnet. Knapp dahinter bricht sie in einem ohrenbetäubenden Getöse über den messerscharfen, fast bis an die Wasseroberfläche reichenden Korallen. Stürze sind hier tunlichst zu vermeiden! Manu geht vorsichtig an die ersten Serien, legt einige schöne Surfs hin und gewinnt langsam an Sicherheit. Er wagt sich an einige immer tiefere „Take-offs“. Baptiste hingegen versucht einige Airials, doch die Welle ist zu wild und lässt sich nicht so leicht bändigen. Unsere Körper schütten Unmengen Adrenalin aus. Und wir haben die Welle ganz für uns allein. Völlig erschöpft von so viel Nervenkitzel und Surferglück kehren wir auf die Cara zurück und schauen uns die ersten Bilder dieser fast unwirklichen Session an.
Korallengespickter Ankerplatz für Luxus-Freerider
In einer kleinen, wellengeschützten Bucht, hinter unzähligen halb aus dem Wasser ragenden Korallengruppen segeln wir im Zeitlupentempo. Sergio steht am Steuer und die restliche Crew hält an Deck nach Gefahren Ausschau. Keine Menschenseele weit und breit, das Wasser ist bis zwei Meter Tiefe glasklar, jedoch mit einer Menge Korallen gespickt, damit auch die Taucher ihre Freude haben. Eine einsame Insel zeichnet sich am Horizont ab. Sergio und Baptiste machen sich täglich neu auf Fischjagd, einmal mit der Harpune, dann wieder mit dem Schleppnetz. Mit bewundernswerter Geduld versuchen sie die kostbare Beute an Land zu ziehen. Es schaut nicht immer gleich viel dabei heraus, doch die Anstrengungen sind die Mühe wert. Genussvoll verzehren wir die rohen, frisch gefangenen Fische und trinken dabei ein kühles Hinano. Unsere kleine Matrosin Lou hat sich schnell an ihr neues Zuhause gewöhnt. Der Salon ist zwar nicht besonders gross, aber die Landschaft scheint ihr zu gefallen. Wenn sie Carine auf ihrem Brett sieht, gluckst und lacht sie lauthals. Der schönste Moment aber ist bestimmt unsere Begegnung mit den Rochen. Wir stehen in 1,20m tiefem Wasser und werden von Rochen umkreist, die uns aus der Hand fressen!
Französisch Polynesien beschränkt sich nicht auf traumhafte Lagunen und schöne Wellen. Es sind die Liebenswürdigkeit und die Aufrichtigkeit der Einwohner, die uns am stärksten beeindrucken. Die stets freundlichen Polynesier haben eine ganz andere Lebenseinstellung als wir, sie pflegen die Dolce Vita. Die wunderbare Umgebung, das sorgfältig gepflegte Brauchtum, die beispiellose Gastfreundschaft, stets lächelnde Gesichter, der Geschmack von rohem Fisch und der Charme traditioneller Tänze: ein solches Konzentrat an Glück gibt es nur hier! Nach einem Törn in den Inseln unter dem Wind ist man ein anderer Mensch.