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Endlich ist es soweit !

von Quentin Mayerat

Fotos : © Vincent Gilllioz

– Das Telefon klingelt. Guten Tag, hier ist das Einwohneramt. Sie haben uns einen Wohnortswechsel gemeldet, aber auf dem Formular keine neue Adresse angegeben.

– Guten Tag. Das ist schon richtig, ich gehe ins Ausland.

– Sie müssen aber bei uns vorbeikommen, um sich abzumelden.

– Ja, ich weiss, ich habe mich bereits bei der Steuerverwaltung abgemeldet. Dort müssen sie aber zuerst meine Steuern bearbeiten, um das Formular zu genehmigen, das ich für das Einwohneramt benötige.

– Ok, aber Sie brauchen trotzdem eine amtliche Adresse.

– Das verstehe ich, aber das administrative Verfahren dauert eben einen Monat. Ich habe keine andere Wahl.

– Trotzdem können Sie nicht ohne Adresse in der Schweiz bleiben und müssen auch das Administrative erledigt haben. Sie können aber auch jemandem eine Vollmacht erteilen, damit er sich um Ihre Steuern kümmern kann und wenigstens dieser Aspekt geregelt ist.

– Ich kümmere mich darum und melde mich wieder, wenn alles erledigt ist.

Mein letztes Gespräch mit der Gemeindeverwaltung zeigt, wie beschwerlich die Bürokratie im Vorfeld einer Reise von unbestimmter Dauer sein kann. Kafka ist nicht tot, das wird einem spätestens dann bewusst, wenn man ein Projekt startet, das etwas aus dem Rahmen fällt.

Bis der Papierkram erledigt ist und man mitten auf dem Meer in vollkommener Stille einen Sonnenuntergang geniessen kann, ist der Weg lang und beschwerlich. Der Aufwand lohnt sich aber allemal! © Vincent Gilllioz

Früher war es einfacher

Als ich zwanzig war, bin ich zwei Jahre lang in der Weltgeschichte herumgesegelt und alles, war ich im Vorfeld tun musste, war meine Dienstwaffe im Militärdepartement abzugeben. Damals wohnte ich noch bei meinen Eltern und den wenigen Papierkram haben meine Angehörigen erledigt. Eigentlich musste ich mich um nichts kümmern. Nach meiner Rückkehr habe ich bei der AHV die fehlenden Beitragsjahre nachgezahlt und das war’s auch schon. Heute scheint mir doch alles viel komplizierter. Dazwischen liegen aber auch 25 Jahre, drei Kinder und, um das Ganze noch etwas verzwickter zu machen, Wohneigentum. Unter diesen Voraussetzungen erwiesen sich die anstehenden Aufgaben als äusserst mühsam. Besonders anstrengend war der letzte Monat vor der Abreise.

Nachdem wir das Haus geräumt und das Möbellager gefüllt hatten, waren wir vier Wochen obdachlos. So lange hat der Bürokram gedauert. Wir sind bei Freunden und der Familie untergekommen und mussten oft zu fünft in einem Zimmer schlafen. Dieses Zusammenleben auf engstem Raum hatte aber auch sein Gutes: Es hat uns auf das Leben auf dem Boot vorbereitet.

Anschliessend haben wir verschiedene Verträge gekündigt, die nur Landratten etwas nützen, und uns um die restlichen administrativen Angelegenheiten gekümmert. Wer bei der Rückkehr nicht vor einem Berg Rechnungen stehen will, sollte Versicherungen, Telefon und Fahrzeug nicht vernachlässigen. Am Wichtigsten ist eine Ausreisebestätigung. Sie vereinfacht Vieles, denn es lassen sich viele Verpflichtungen damit lösen. Sie wird allerdings erst ausgestellt, wenn die Steuerfrage geklärt ist und alle ausstehenden Steuern beglichen wurden. Das wiederum bedeutet, dass die meiste Arbeit erst in den letzten Tagen erledigt werden kann.

Deutlich einfacher gestaltete sich die Schulfrage, denn Auslandschweizern wird hierzulande keine Alternative geboten. Die Ausreisebestätigung reicht aus, um die Kinder abzumelden. Wir haben deshalb vor Ende des Schuljahres einfach nur mit den Lehrern Kontakt aufgenommen und sie gebeten, uns das Programm für das kommende Jahr zur Verfügung zu stellen.

Das Boot nicht vergessen

Natürlich musste auch in Bezug auf das Boot die ein oder andere Hürde genommen werden. Zunächst galt es eine Versicherung zu finden, deren Preise und Bedingungen für Reisen ausserhalb Europas sehr unterschiedlich sind. Da die KVG für Auslandschweizer keine Kosten mehr übernimmt, haben wir auch eine Gesundheitsversicherung für Reisende abgeschlossen. Wir mussten zudem die nötigen Schritte beim BAKOM und beim Eidgenössischen Seeschifffahrtsamt für unsere Notfunkbake unternehmen, ohne die wir keine Hochseeversicherung abschliessen konnten. Einer der haarsträubendsten und absurdesten Momente unserer Vorbereitung war aber wohl die Beantragung unserer Visa für die USA, die für eine Einreise mit dem Segelboot unverzichtbar sind (wir wollen zu den amerikanischen Jungferninseln und nach Florida). Alle, die es auf ihrem Törn in amerikanische Hoheitsgewässer verschlägt, sollten unbedingt früh genug die nötigen Vorkehrungen treffen, denn die Fristen sind elend lang und ohne persönliches Vorsprechen in der Botschaft geht gar nichts.

Die Bordapotheke bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Uns haben unser Kinderarzt und ein Apotheker bei der Zusammenstellung geholfen. Antibiotika, Schmerzmittel, Verbands- und Nähmaterial vervollständigen unsere Grundkenntnisse, die wir bei einem Kurs für Notfallhilfe einige Monate zuvor erwerben konnten.

Uns war von Anfang an klar: Wir konnten das Material unmöglich alles mit dem Flugzeug nach Portugal mitschleppen, wo unsere Lucy seit einem Jahr auf uns wartete. Also mussten wir einen Strassentransport organisieren und alle unsere Siebensachen für den Versand genauestens aufteilen.

Die Belohnung

Endlich ist es soweit. Das Boot wartet. In dem Moment ist man überzeugt, tausend wichtige Dinge vergessen zu haben und bedauert, dass man sich nicht von allen verabschieden konnte. Und in dem Moment möchte man die Reise am liebsten zwei Wochen hinausschieben, um sicherzugehen, dass man alles erledigt hat. Eine Stimme im Kopf erinnert aber daran, dass der so lange Jahre gehegte Traum jetzt endlich in Erfüllung geht. Also lässt man innerlich los, im Wissen, dass mit der Vorbereitung der schwierigste Teil der Reise wahrscheinlich hinter einem liegt.

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