Sommerlicher Roadtrip durch den Kanton Graubünden und unvergessliche Momente in den «Relais & Châteaux»-Häusern der Region. Auf dem Programm stehen Bündner Nusstorte, Sgraffiti, Wanderungen und ein Romanisch-Intensivkurs.
Text: Eileen Hofer
Nachdem wir den Vereinatunnel per Autoverlad hinter uns gelassen haben, beginnt unsere fünftägige Fahrt auf der «Route du Bonheur». Der durch die Vereinigung Relais & Châteaux zusammengestellte Roadtrip führt zu ausgewählten Restaurants und Hotels im Ober- und Unterengadin.
Im Val Bernina taucht inmitten von Arvenwäldern Pontresina auf. Vor uns erhebt sich die Silhouette eines feudalen Schlosses mit Türmchen: Das Hotel Walther ist unsere erste Station. «Allegra e bainvgnieu!» Die Eigentümerin Anne-Rose Walther begrüsst uns auf Romanisch. Nach einer Pause im 600 m2 grossen Wellness-Bereich «Aqua Viva» stossen wir im renovierten Salon mit einem Prosecco an. In dem 1907 erbauten Belle-Époque-Palast verbinden sich florale Ornamentik des Jugendstils mit historischen Glasmalereien des Heimatstils. Unser Abendessen nehmen wir im Restaurant Gondolezza ein, das sich im Garten in einer ehemaligen, auf eBay erstandenen Seilbahngondel befindet. Früher fuhr sie die Touristen zum 3000 Meter hoch gelegenen Berghaus auf der Diavolezza. Heute wird hier Fondue in rustikalem Ambiente gereicht.
Das 580 km umfassende Wanderwegnetz beginnt direkt am Hotel Walther. Wir fahren mit der Bergbahn auf den Muottas Muragl. Die von hier aus zu bewundernden Schneegipfel tragen alle «Piz» im Namen. Bei der Rundumsicht auf das Oberengadiner Seenplateau kann man sich lebhaft vorstellen, wie der italienische Maler Giovanni Segantini (1858–1899) die Landschaft in schillernden Farben festhielt. Der 79 km lange «Sentiero Segantini» lädt zum Besuch der Aussichtspunkte ein, die ihn inspirierten.
Hier ist die Arve Trumpf
Im 100-Seelen-Dörfchen Brail an der Grenze zwischen dem Ober- und Unterengadin, liegt das IN LAIN Hotel Cadonau. Mit 14 Suiten ist es das kleinste Fünf-Sterne-Hotel der Schweiz. Hier ist die Arve omnipräsent: Mobiliar, Teller, Wandtäfelung… An das Ursprungsgebäude, ein über 450 Jahre altes Bauernhaus, schliesst sich ein ultramoderner, abgerundeter Anbau an. Im Garten befinden sich die Sauna und ein holzbeheizter Whirlpool.
In den drei Restaurants, dem feinen Vivanda, der Käserei und der La Stüvetta, schwingt der sterndekorierte Spitzenkoch Dario Cadonau das Zepter. Champagner mit Arvensirup als Aperitif, danach mit Arvenholz geräuchertes Bündner Angusrinder-Entrecôte und zum Dessert Arven-Eistee.
Schloss Tarasp, das Engadiner Wahrzeichen
Am dritten Tag ist ein Halt im Schweizerischen Nationalpark bei Zernez Pflicht. Der 1934 wieder angesiedelte Steinbock gehört zu den 38 Säugetierarten, die sich bei einer Wanderung beobachten lassen. Weiter geht es mit einem Besuch von Schloss Tarasp, das Anfang des 20. Jahrhunderts von Karl August Lingner gekauft wurde. Der Philanthrop restaurierte dieses Wahrzeichen des Unterengadins und importierte hierzu Tiroler Tapisserien und Fenster aus Muranoglas. Leider starb er zwei Monate vor Abschluss der Arbeiten. Mittlerweile ist das Schloss im Besitz des Engadiner Künstlers Not Vital, der es in ein Kunstzentrum verwandelt hat. Der ganze erste Stock ist für die Öffentlichkeit zugänglich.
Gian-Andrea Pazeller empfängt uns mit seinen Eltern im 400 Jahre alten ehemaligen Bauernhaus der Familie am Fuss des Schlosses. Die Fassade des Hotels und Restaurants Chastè ist mit Sgraffiti verziert. Durch diese in den Putz «gekratzten» Wandverzierungen entsteht rund um die Fenster ein Licht- und Schattenspiel. Grossvater Robert Pazeller musste zwei Berufe unter einen Hut bringen: Bauer und Concierge im Palace Hotel in St. Moritz. Ein Schwarz-Weiss-Foto zeigt ihn plaudernd mit Alfred Hitchcock. In der Küche des Chastè werden Engadiner Spezialitäten zubereitet: «Plain in Pigna» (Ofenrösti), Salsiz (Wurst) aus Gamsfleisch, Murmeltierragout und Bündner Nusstorte, eine lokale Spezialität, auch wenn die Nüsse nicht aus Graubünden stammen.
Der Blauburgunder, die Königsrebe Graubündens
Mittlerweile verbindet ein Serpentinenweg den Unterengadiner Hauptort Scuol mit Samnaun. Der Skiort war bis 1912 vom Rest der Schweiz abgeschnitten und liess sich nur über österreichisches Staatsgebiet erreichen. 65 % des Samnauner Skigebiets liegen in Österreich. In der ehemaligen Schmugglerhochburg wird kein Romanisch gesprochen, weil die Pfarrer und Lehrer früher aus Österreich kamen und einen Tiroler Dialekt redeten. Das Chasa Montana Hotel & Spa mit seinem cremefarbenen Türmchen lädt mit vier Pools und sieben Saunen zum Entspannen ein.
Direktor Daniel Eisner zeigt uns seinen Weinkeller mit 20 000 Weinflaschen und stellt uns die Bündner Rebsorte par excellence vor: den Blauburgunder, der am Ufer des Rheins wächst. Die besten Tropfen lagern in den Kellern der fünf Weindörfer Jenins, Malans, Zizers, Maienfeld und Fläsch, zwei Stunden von Samnaun entfernt. Das Weingut von Martin Donatsch hat beim Mondial du Pinot Noir 2010 und 2011 den Titel «Champion du Monde des producteurs de Pinot Noir» gewonnen. Es lohnt sich also, seine Weine zu kosten.