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Gutmütige Wächter zwischen Land und Meer

von Quentin Mayerat

Ihre Lichtbündel schwenken kilometerweit übers Meer. Umhüllt von Dunst, umspült von Gischt und gepeitscht von riesigen Wellen stehen sie an den äussersten Felsspitzen der Insel kerzengerade ihren Mann. Sie machen sich lautstark bemerkbar und durchbohren mit ihrem kräftigen Lichtstrahl die Dunkelheit. Rund dreissig dieser einsamen Wächter säumen die 1000 Kilometer lange Küste Korsikas.

Bis in die Mitte der Achtziger Jahre, als die ersten Leuchttürme automatisiert wurden, waren sie von Wärtern bewohnt, einsamen Missionaren zwischen Land und Meer, die ganz im Dienst der oft ebenfalls vereinsamten Seefahrer standen und die einzige menschliche Präsenz in der Einöde der Stein- und Lichtriesen darstellten. Manche Wärter wohnten mit ihren Familien in einfach zu erreichenden Leuchttürmen, die meisten aber fristeten an abgelegenen, dem Unwetter wehrlos ausgesetzten Orten ein Einsiedlerdasein.

Heute sind die korsischen Leuchttürme historische Denkmäler, die unbedingt erhalten und deshalb renoviert werden müssen. Sie regen die Fantasie an, wecken Fernweh und laden zum Träumen von abenteuerlichen Reisen und einer anderen Welt ein. 

Senetosa: die Ausnahme

Senetosa ist der letzte noch bewohnte Leuchtturm Korsikas, doch bis Ende Jahr soll auch er vollständig automatisiert werden. Eine Situa-tion, die die Wächter traurig stimmt, auch wenn sie alle auf das Rentenalter zugehen. 25 Jahre schon üben Julien und Noël den Beruf aus. Sie haben auf fast allen Leuchttürmen der Insel gearbeitet und dementsprechend viel zu erzählen. „Meinen ersten Job hatte ich hier. Es wird auch mein letzter sein“, sagt Noël. „Senetosa ist mein Lieblingsleuchtturm, denn er liegt abgelegen an einem wunderschönen Ort und im Winter kann hier gejagt werden. Sonntags gehe ich zusammen mit Freunden auf Treibjagd!“ Jeden Morgen muss der Wasserstand der Batterien für die Stromversorgung der Gebäude kontrolliert werden, von Zeit zu Zeit stehen auch ein Ölwechsel der Motoren und die Reinigung der Linsen an. Ansonsten besteht die Aufgabe der Wächter nur darin, darauf zu achten, dass das Leuchtfeuer vor Einbruch der Dunkelheit eingeschaltet ist. „Ich mag das Leben als Leuchtturmwächter und die damit verbundene Freiheit und Einsamkeit“, betont Noël. „Manchmal muss man mit dem Kollegen Kompromisse schliessen, aber das klappt eigentlich gut.“ Es fällt nicht jedem gleich leicht, sich mit diesem Leben abzufinden. Vor allem die Familien leiden darunter. Es haben schon viele junge Wächter nach nur drei Tagen das Handtuch geworfen!

Pertusato: am Ende der Welt

Der majestätische Leuchtturm von Bonifacio ist mit 100 m der höchste Korsikas. Er liegt am Capo Pertusato, das nach dem riesigen, natürlich entstandenen Loch in der darunter gelegenen Felsklippe benannt wurde, und sandte 1844 als erster korsischer Leuchtturm sein Signal aus. 1986 wurde er automatisiert, behielt aber den mit Quecksilber gefüllten Trog. Dank eines Elektromotors sorgt dieser für eine perfekte Drehung der zweiseitigen und „vieräugigen“ Fresnel-Linse.

Auch dieser Turm ist im kollektiven Gedächtnis mit vielen kleinen Anekdoten präsent. Lucien, Teamchef der Wärter Südkorsikas, erinnert sich noch gut an den Winter 1998: „Es gab einen fürchterlichen Lärm in der Kuppel und der Schaden war so gross, dass wir zuerst an einen Bombenanschlag glaubten. Der in den Batterien enthaltene Wasserstoff hatte alles überschwemmt. An diesem Tag wurden Windspitzen von 263 km/h gemessen!“ Wie sich später herausstellte, war ein Blitz in den Turm eingeschlagen.

Revellata mit doppelter Aufgabe

Einen besseren Standort für einen Leuchtturm als die Pointe de la Revellata könnte man sich kaum denken. Der riesige Felsarm reicht weit ins Meer hinein und umrahmt den Golf, an dem die Gemeinde Calvi liegt. Vom Leuchtturm aus bietet sich ein aussergewöhnliches Bild: Hinter der auf einem Felsvorsprung gelegenen Zitadelle erheben sich die oft schneebedeckten Berge, die im Monte Cinto auf 2702 m gipfeln. Etwas weiter östlich erblickt man das Cap Corse neben dem „Desert des Agriates“. 

La Revellata ist mehr als nur ein Leuchtturm. In seinen Nebengebäuden leben Wissenschaftler, die in der Bucht von Calvi die Folgen des Klimawandels untersuchen. Die Initiative dafür ging von der ozeanografischen Forschungsstation STARESO aus, die seit 1970 an der Revellata-Küste angesiedelt ist. Sie organisiert auch meeresbiologische Kurse für interessierte Privatleute, die dann ebenfalls in einem der besterhaltenen Leuchttürme unterkommen.

Alistro: der etwas andere Leuchtturm

Der Leuchtturm Alistro ist mit Baujahr 1864 einer der jüngsten. Seine Lage macht ihn zu etwas Besonderem. Er steht auf der östlichen Ebene der Insel auf einem Felsvorsprung, durch den er genügend Höhe gewinnt, um seinen Lichtstrahl aufs Meer schicken zu können. Er wurde erst 1988 automatisiert, trotzdem blieb der Leuchtturmwärter mit seiner Familie bis zu seiner Pensionierung darin wohnen, um weiter nach dem Rechten zu sehen.

Auch seine Form und seine Farbe unterscheiden ihn von den anderen Leuchttürmen Korsikas, denn er ist als einziger achteckig und grau. Vielleicht entsprach dies den damaligen Modetrends.

Giraglia mitten in einem geschützten Biotop

Seefahrer, die von Norden kommen, werden von der imposanten Silhouette des Leuchtturms Giraglia auf der 9 Hektaren grossen, gleichnamigen Insel begrüsst. Sie ist dem Festland vorgelagert und liegt rund 1 Seemeile südlich des Cap Corse. Der Leuchtturm ist wegen des starken Seeverkehrs rund um den nördlichen Teil Korsikas von zentraler Bedeutung und beleuchtet auch die gefährlichsten Zonen im Meer.

Die Umgebung ist so aussergewöhnlich, dass sie zum geschützten Biotop erklärt wurde. Bei den Wächtern des mittlerweile ebenfalls automatisierten Leuchtturms kommt Nostalgie auf, wenn sie an ihren früheren Arbeits- und Wohnort zurückdenken. Auch sie haben viele abenteuerliche Geschichten über das Leben vor Ort zu erzählen. „Der Esel von Giraglia wich keinen Schritt vom Leuchtturm. Nur montags, wenn er für die Ablösung das Gepäck schleppen sollte, war er wie vom Erdboden verschluckt“, erinnert sich einer von ihnen schmunzelnd. 

Die geheimnisumwitterten Sanguinaires-Inseln

Ein Lichttotem vor roten Felsen und dichter Macchia, umgeben vom tiefen Blau des einmal lammfrommen, dann wieder dämonisch wilden Meers! Der Leuchtturm auf den Sanguinaires-Inseln steht stolz auf einem 1200 Meter langen und 300 Meter breiten Felsen, 9 Seemeilen vom Hafen von Ajaccio entfernt. Camille Lorenzo, Leiter des Ingenieurzentrums CEI von Ajaccio, kennt ihn gut: „1838 wurde mit den Bauarbeiten auf den Sanguinaires begonnen, doch der Turm entsandte sein erstes Licht erst sechs Jahre später. Wie beim Giraglia-Leuchtturm war es auch hier nicht einfach, die Steine aus Ajaccio auf die Insel zu holen, denn sie wurden von Eseln transportiert. Trotz der Schwierigkeiten ragt heute ein massiger, viereckiger und 80 Meter hoher Turm in den Himmel und wacht über den ganzen Golf.

Die Freiheit, die mit einem solchen Beruf einhergeht, hatte es dem Wärter ganz besonders angetan. Er war gern allein, befreit von jeglicher Verpflichtung, ausser natürlich der Aufgabe, ab Einbruch der Dunkelheit für die Beleuchtung des Turms zu sorgen. Nur manchmal wurde die Einsamkeit durch bereichernde Zufallsbekanntschaften und unvergessliche Begegnungen unterbrochen. Heute ist der Leuchtturm zwar nicht mehr bewohnt, aber er fasziniert die Touristen, die mit Schnellbooten aus Ajaccio anreisen, noch immer.

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