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Mit einem Elektro-Segelboot vom Mittelmeer in die Karibik: Liebling, wir machen die Segel klar!

von Quentin Mayerat

Fotos : ©Philip Käsermann

Franziska Berger und Philip Käsermann haben sich von ihrem Schweizer Alltag verabschiedet, um in einem Jahr vom Mittelmeer in die Karibik und wieder zurück zu segeln. Das Besondere an ihrem Projekt: Sie verbrauchten auf ihrem Atlantiktrip keinen Tropfen Treibstoff.

SaCalobra-(1)Viele Segler träumen von einer Auszeit auf dem Wasser, weil sie sich in ihrem hektischen Leben nach einem Break sehnen. Nur wenige aber schaffen es, den Anker zu lichten. Franziska Berger (28) und Philip Käsermann (30) gehören zur letzten Sorte. Fest entschlossen, ihre jungen Jahre nicht ungenutzt vorbeiziehen zu lassen, setzten sie ihren Traum in die Tat um. Im Sommer 2016 stachen sie in See und segelten vom Mittelmeer bis in die Karibik. Ihre Reise versprach nicht nur aufgrund der vielfältigen Regionen Spannung, sondern auch wegen ihres Untersatzes: Franziska und Philipp wollten ausschliesslich mit Wind und Strom segeln und mit dem Verzicht auf fossile Energie ein umweltpolitisches Statement abgeben. Ihre Jacht, eine Elan E4, ist das erste Boot der Werft, das anstelle eines Dieselmotors mit einem Elektroantrieb ausgestattet wurde. Natürlich beeinflusste diese Wahl auch die Navigation und machte sie sogar besser.

CO2-neutral unterwegs

IMG_3020„Wir sind schon stolz, dass wir ohne grosse Einschränkungen ganz ohne fossile Energie ausgekommen sind. Dort, wo andere vielleicht den Motor gebraucht hätten, segelten wir am Wind, aber dadurch hatten wir die Chance, die alte Art zu erproben“, erklärt Philip Käsermann. Die Wetteranalyse und die Vorausplanung des Energiebedarfs sind unter diesen Voraussetzungen besonders wichtig, ein Problem war das aber nie. „Wir hatten nur einmal Schwierigkeiten ohne Dieselmotor. Das war auf dem Mittelmeer, als eine ganze Woche Flaute herrschte“, räumt der Bieler ein. Dennoch sind sie auch im Nachhinein von ihrer Entscheidung überzeugt. „Der Motor unterstützt uns bei den Manövern, nicht beim Segeln“, betont Philipp. „Und wir haben ein ganzes Jahr lang an Bord einer Jacht verbracht, ohne auch nur ein Gramm CO2 auszustossen.“ Nach einigen Ausfahrten, bei denen sich Philip und die noch nicht seefeste Franziska mit dem Boot vertraut machten, konnte die Reise losgehen. „Ich habe meine Stelle in Biel gekündigt und Philip hat unbezahlten Urlaub bekommen“, sagt Franziska, die im Gegensatz zu Philip nicht viel vom Segeln verstand. „Segeln war für mich Neuland“, gesteht sie, „aber ich habe langsam dazugelernt. Der Trimm des Spis bereitete mir etwas Schwierigkeiten, aber mit der Zeit habe ich auch das in den Griff bekommen.“ Als ehemaliger Präsident der Schweizer Moth-Klassenvereinigung hatte Philip genügend Erfahrung, um Franziska alle Facetten des Segeln näherzubringen.

Warm-up auf dem Mittelmeer

P1030897Das Mittelmeer diente dem jungen Paar als Trainingsrevier vor der grossen Atlantiküberquerung. Zunächst segelten sie in Küstennähe nach Barcelona, von dort zu paradiesischen Liegeplätzen auf den Balearen und dann der spanischen Küste entlang, die laut Philippe zwar faszinierende Städte, aber enttäuschende Ankermöglichkeiten bietet, Richtung Süden. Nach drei Monaten hatten die beiden endlich das richtige Tempo gefunden und waren bereit, sich ins grosse Bad Richtung kanarische Inseln zu stürzen. Zunächst mussten sie aber noch die Strasse von Gibraltar bei 20 Knoten Westwind überstehen. „Wir segelten mit 7 Knoten Kurs durchs Wasser und 1 Knoten Kurs über Grund“, erinnert sich Philip, der ohne Motorenunterstützung vor der Küste kreuzen und die Seestrassen meiden musste.

Der grosse Sprung

Auf den kanarischen Inseln, einer Art Pflichtetappe jeder Atlantiküberquerung, konnte das Team der BunaLuna (gute Laune auf Rätoromanisch) die letzten Vorbereitungen treffen und Proviant bunkern. Dann stand noch ein touristischer Abstecher zu den Kapverden auf dem Programm, bevor es über den grossen Teich nach Barbados ging. „Wir hatten ein befreundetes Paar eingeladen, denn zu viert kann man sich besser ablösen“, sagt Philip. Vierzehn Tage dauerte die Überfahrt. Schwierigkeiten habe es eigentlich keine gegeben, ausser vielleicht die Kreuzsee, die das Boot aus dem Gleichgewicht brachte und das Segeln unter Spi mit Autopilot unmöglich machte“, bemerkt der Bieler. Franziska hat die Atlantiküberquerung offenbar anders erlebt. Sie bezeichnet die Strecke als „schlimmstes Erlebnis der ganzen Reise“ und hatte sich geschworen, auf die Rückfahrt zu verzichten. „Aber mit der Zeit vergisst man die schlechten Erfahrungen und erinnert sich nur noch an die schönen Momente“, nuanciert sie. Franziska machte ihre Drohung schliesslich nicht wahr und segelte mit Philip nach Europa zurück. Nach sechs Monaten in der Karibik hatte das Segelfieber auch sie erfasst.

Inselhüpfen in den Antillen

IMG_2353In der Adventszeit verliess das Paar Barbados und drang etwas weiter in die Kleinen Antillen vor. Auf dem Papier sind St. Vincent und die Grenadinen, Bequia, Mayreau und Tobago Cays Paradiese, die Wirklichkeit hat aber oft nicht viel mit dem vielbeschworenen Garten Eden zu tun. „In der Hochseesaison herrschen an den Ankerplätzen kriegsähnliche Zustände“, erzählt Philip. „Man findet kaum einen Platz, die Ketten verheddern sich und man wird von Boat Boys bedrängt, die in ihren behelfsmässigen Untersätzen heranrudern und gegen harte Dollars Produkte anbieten.“ Nicht wirklich erholend. Wer dem gewöhnungsbedürftigen Zirkus entgehen will, kommt am besten in der Nebensaison hierher. Weiter südlich auf Carriacou und Grenada fanden Philip und Franziska dann doch noch, wonach sie gesucht hatten: Antillen wie aus dem Bilderbuch, reizvoll und idyllisch. Gemütlich hüpften sie von einer Insel zur nächsten, genossen die Tage und die vielen Neuentdeckungen. Sie liessen sich genügend Zeit, das Revier bis zur Dominikanischen Republik gründlich zu erkunden. Eine Insel hat sie dabei besonders geprägt: „Dominica hat bei uns eine starke Erinnerung hinterlassen. „Die Landschaften mit den spektakulären Klippen sind wunderschön und wir haben unvergessliche Momente mit den Einheimischen verbracht“, erzählt Franziska. Der friedliche Flecken Erde und die offenherzigen Bewohner hatten es den Bielern so angetan, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt ihres Trips auf die Insel zurückkehrten.

Langsam näherte sich der Moment der Rückfahrt. In der Dominikanischen Republik stiessen Philips Bruder und Schwägerin dazu. Sie wollten die Heimreise gemeinsam antreten, zuvor aber noch einen Abstecher zu den Bermudas machen. Die Insel war aufgrund des bevorstehenden 35. America’s Cups in Aufruhr. „Wir haben die Gelegenheit genutzt, die Insel und das Regattadorf zu besuchen, wo wir die technischen Lokale und die verschiedenen Teams besichtigen konnten“, so Philip. Für einen angefressenen Moth-Segler wie ihn natürlich eine interessante Erfahrung, obwohl er die Regatten wie die meisten im Fernsehen mitverfolgt hat: „Es wurde relativ weit vom Ufer weg regattiert, weshalb man am Bildschirm am meisten mitbekam.“

IMG_3037Im Juni 2017 war die Zeit gekommen, auf den alten Kontinent zurückzukehren. Die Überfahrt bis zu den Azoren lief glatt. Dort nahmen sich die Seefahrer Zeit, in den eindrucksvollen Bergen zu wandern, bevor sie die BunaLuna gemächlich in den Heimathafen in Marseille brachten. Zurück in der Schweiz hatte das Paar keine Zeit, sich umzugewöhnen. „Alles ging viel zu schnell!“, meint Philip. „Es kam mir vor, als ginge es zurück in den Stollen. Du fängst sofort wieder an zu arbeiten und wirst vom Alltag eingeholt. Wir haben uns aber gefreut, unsere Familien und Freunde wiederzusehen.“ Franziska sehnt sich nach dem Boot und schmiedet schon neue Pläne: „Warum nicht im Nordatlantik oder auf der Ostsee, wo die Verhältnisse ganz anders sind?“ Die Reiselust der Segler ist offenbar nur schwer zu stillen, allen Scherereien und Hindernissen zum Trotz.


REISE-INFOS

Beste Reisezeit: sobald die Bordkasse voll ist.

Lieblingsinsel: Dominica wegen der gastfreundlichen Bewohner und der spektakulären Natur.

Nicht zu empfehlen: die zu touristischen Ankerplätze von St. Vincent und den Grenadinen in der Hochsaison.

Zoll: Die Länder haben unterschiedlich aufwendige Einreiseformalitäten. Manchmal werden die Boote untersucht. Die französischen Überseegebiete sind in der Regel leichter zugänglich.

Boot: Elan E4 mit Oceanvolt-Elektromotor (10 kW). Länge: 34 Fuss, Breite: 3,5 m, Tiefgang: 2,15 m, Zweikabinenversion. Steht zum Verkauf: philip@buna-luna.ch

Reisen/Charter: Für massgeschneiderte Reisen und/oder Törns: my charter, info@mycharter.ch, mycharter.ch SailPro, alain@sailpro.ch – sailpro.ch

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