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Mit einem fliegenden Boot durch Polynesien

von Quentin Mayerat

George Riou war mehrere Jahre als Flugzeugpilot oder mit dem Hängegleiter unterwegs, bevor sein Interesse durch wassertaugliche Ultraleichtflugzeuge, die so genannten Flying Inflatable Boats oder FIBs, geweckt wurde. Er war es leid, zum Flughafen zu reisen, um ein Flugzeug zu mieten oder den Berg hinaufzuklettern, um mit dem Deltasegler ins Tal zu gleiten, und schmiedete einen etwas verrückten Plan: Er wollte mit dem Flugboot Polaris von der Lagune direkt vor seinem Haus abheben. Für das verwegene Projekt benötigte er einen formstabilen, 3,50 m langen Rumpf, eine darauf befestigte Metallstruktur, eine Sitzfläche, einen Motor und eine Stütze für den Drachen – mehr nicht!

© Benjamin Thouard

Wie aber gelang es ihm, die verrückte Idee umzusetzen? Zunächst musste das in Italien gebaute Gerät vor Ort gebracht werden. Der Rumpf, der Motor, der Drachen und die gesamte Metallstruktur kamen in Einzelteilen verpackt in Kartons an und mussten erst einmal zusammengebaut werden. Das klingt einfacher, als es war, nicht zuletzt, weil sich am formstabilen Rumpf Ausbuchtungen befinden, die das Abheben erleichtern und dem Sogeffekt entgegenwirken sollen. Auch administrativ kam einiges auf ihn zu, denn er benötigte eine Zulassung der Zivilluftfahrt.

Langsam nahm das Gerät Form an. Knapp über dem Rumpf wurde ein Doppelsitz befestigt. Dahinter fand der Zweitaktmotor ROTAX 64 PS mit einer Dreiblattluftschraube Platz. Der 19,5 m2 grosse Starrflügel, der das 260 kg schwere (Leergewicht) Gerät in der Luft hält, wird von einem oberhalb des Rumpfes angebrachten Alugestell gestützt.

Die Strasse endet in Tautira, einem kleinen Fischerdorf an der Ostküste Tahitis. Die Villen von Fenua Aihere (links) sind nur mit dem Boot zu erreichen. © Benjamin Thouard

Praktisch veranlagt

Doch damit war die Montage noch nicht beendet. Bevor das halbstarre Boot fliegen konnte, waren noch komplizierte Feineinstellungen nötig. Der Flügel muss ein bestimmtes Spiel haben und im richtigen Verhältnis zum Zentrum und dem Gewicht des Geräts positioniert sein. Und die drei Blätter der Luftschraube müssen genauestens ausgerichtet werden, damit der Motor seine ganze Kraft entfalten kann. Ein falscher Winkel schon reicht und der Motor kommt nicht auf Touren! Deshalb wurden die Blätter auch mithilfe einer Zentriereinrichtung fixiert. Erst, als alle Details eingestellt waren, konnte es losgehen.

Doch das Hauptproblem bei einem solchen Gerät mit einer Flügelspannweite von 12 Metern besteht in der Unterbringung. Wohin damit? Da George direkt am Wasser wohnt, beschloss er, in seinem Garten einen Schuppen zu bauen und sein fliegendes Boot dort unterzubringen. Dazu bastelte er ein Gestell aus Alurohren, bedeckte es mit einer Plane und schon war der 12×4 m grosse Hangar fertig. Um das Handling so einfach wie möglich zu gestalten, baute er einen Wagen für den Rumpf. Auf zwei grossen Schienen gleitet dieser ins Wasser und wird mit einer elektrischen Winde wieder nach oben gezogen. Bequemer geht es kaum!

Massgefertigter Schuppen für das Leichtfluggerät in Georges Garten. © Benjamin Thouard

George Riou hätte es sich nicht besser wünschen können: Er wohnt direkt am Wasser  und in seinem Garten steht ein Flugboot, mit dem er von der türkisblauen Lagune abheben kann. Die Lagune ist ein idealer Start- und Landeplatz für das Ultraleichtfahrzeug. Sie ist von einem Korallenriff gesäumt, an dem sich die Wellen brechen, und bietet eine geschützte, spiegelglatte Fläche. Allerdings erfordert die spezielle Nutzung der Lagune eine Bewilligung. Um vor seiner Haustür starten zu können, musste er sie als Wasserfläche anmelden. Dazu war ein Gang zum Luftschifffahrtsamt, zur Stadtverwaltung und zu mehreren lokalen Stellen nötig. Georges Lagune liegt in Vairao, an der Westküste der Halbinsel und bietet ideale Bedingungen für sein fliegendes Spielzeug. Dank der über 1500 Meter hohen Berge ist sie gut gegen die aus Osten wehenden Passatwinde geschützt.

Die Lagune aus einer anderen Perspektive

Schon kurz nach dem Start präsentiert sich die Lagune in einem völlig anderen Licht. Der mit Korallen, Sandbänken und Steilwänden durchsetzte Grund ergibt ein aussergewöhnliches Bild und schillert in den unglaublichsten Farbschattierungen. Beim Flug über das Korallenriff, die einsamen Sandbänke und die schmalen Engpässe sieht man die Unterwasserwelt mit ihren Pflanzen und Tieren aus einer neuen Perspektive. Das Fluggerät steigt höher, bis hinauf zu den Baumwipfeln, die hoch oben auf den steil abfallenden Bergspitzen ein einsames Dasein führen.

Mit einem 40-Liter-Tank kann man bis zu zwei Stunden fliegen und die Umgebung richtig erkunden. Zum Landen geht es ganz sanft wieder nach unten, bis der Rumpf das Wasser berührt und das Gerät schliesslich ganz auf der Lagune aufsetzt. Danach fährt das Fahrzeug wie ein Boot ans Ufer, wo es mit Georges Seilwinde zur Scheune hochgezogen wird. Vor dem Verstauen muss es noch gründlich vom Salzwasser gereinigt, getrocknet und mit Schmiermittel eingerieben werden, damit es vor Rost geschützt ist. Danach geht es wieder zurück unter die Plane.

Neben der sehr einfachen, aber regelmässigen Pflege hat das amphibische Leichtfluggerät vor allem einen Vorteil: Es sorgt bei geringem Aufwand für unvergessliche Erlebnisse. Es ist zwar ziemlich imposant, aber wenn der Drachen erst einmal abgebaut und der Rumpf auf den Anhänger verfrachtet wurde, lässt es sich gut trailern. Und wer das einzigartige Gefühl mit Freunden teilen möchte, der installiert einfach einen zweiten Sitz!

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