Text und Fotos | Jacques Anglès
Der riesige Felsrücken, der sich aus dem tiefblauen Wasser erhebt, birgt zwar nur einen kleinen, aber dafür einen der schönsten Häfen Griechenlands. Wie ein Amphitheater aus stolzen Herrschaftshäusern schmiegt er sich an den jahrhundertealten Pier, auf dem die Hufe der Maulesel wiederhallen. Die gesamte Insel ist autofrei und lädt ein, in der wunderbaren Ruhe die Seele baumeln zu lassen.
Hydra ist ein verlockendes Törnziel, besonders wenn man sich die Zeit nimmt, auch die anderen, sehr unterschiedlichen Saronischen Inseln zu besuchen. Sie zeigen ein anderes Gesicht Griechenlands, das zwar etwas weniger einer Postkartenlandschaft gleicht wie die Kykladen, aber authentisch geblieben ist. Hier säumen schöne, quadratische Häuser mit Marmorbalkonen, Ziegeldächern und eleganten Giebelverzierungen das Meer. Die ockerfarbenen Fassaden werden von der untergehenden Sonne effektvoll beleuchtet. Weiss gekalkt sind eigentlich nur die über die Landschaft verstreuten kleinen Kapellen. Die Region zwischen Ägina und Spetses ist ein Konzentrat aus allem, was Griechenland ausmacht. Antike Tempel fehlen ebenso wenig wie Tavernen direkt am Wasser, palastartige Anwesen, mosaikgepflasterte Plätze und glasklare Buchten. Man bekommt auch nach einer Woche nicht genug und würde am liebsten bleiben. Das hier beschriebene Törnprogramm lässt sich in zehn bis vierzehn Tagen absolvieren, ohne dass Langeweile aufkommt. Man kann die zusätzlich gewonnene Zeit zum Beispiel nutzen, um der venezianischen Stadt Nafplio und ihrer imposanten Festung einen Besuch abzustatten.
Unsere Reise beginnt mit der Durchquerung der Inseln im Saronischen Golf – nahezu 30 Seemeilen auf offenem Meer – und führt weiter nach Hydra und dem 60 Seemeilen von unserem Ausgangspunkt Marina Zea entfernten Spetses in Piräus. Das Törnrevier hat den grossen Vorteil, dass es gut vor dem Meltemi geschützt ist. Dieser griechisch-türkische Sommerwind fegt im Juli und August über die Kykladen und den Dodekanes. Hier ist das Meer nur selten aufgewühlt und die gute Thermik sorgt für angenehme Fahrten. Bei einem so günstigen Klima und den kurzen Distanzen zwischen den einzelnen Stopps kann der Törnplan problemlos dem Wind und den Wünschen der Crew angepasst werden. Zeit, um an Land zu gehen und den einen oder anderen Ort auszukundschaften oder das herrlich klare Wasser in den Buchten zu geniessen, hat man zur Genüge.
Hydra: Reeder und Patrioten
Bei der Fahrt zwischen den beiden winzigen Tselevinia-Inseln hindurch zum Golf von Hydra erblickt man einen aus dem Meer ragenden Felsrücken. Es ist Hydra, eine steil ins tiefblaue Wasser abfallende Insel mit bis zu 600 Meter in den Himmel ragenden Bergspitzen. Aus der Ferne scheint der schroffe Koloss unbewohnt. Dieser Anblick täuscht. Hinter einer Inselspitze taucht in einer Bucht plötzlich eine hübsche Marina auf. Sie wird von einem amphitheaterähnlich aufgebauten Dorf aus grossen Steinhäusern umrahmt und scheint einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert zu entstammen. Kein moderner Bau stört dieses Bild. Es ist eine Freude, über die gepflasterten Uferpromenaden und durch die schattigen Gassen zu flanieren. Überall führen Treppen zu ehemaligen Herrschaftshäusern von Kapitänen und Reedern, denen die Insel einst ihren Wohlstand verdankte. Natürlich blieb der Charme von Hydra der Welt nicht verborgen, doch die meisten Touristen verweilen hier nur ein paar Stunden. Sobald die letzte Fähre abgelegt hat, kehrt im autofreien Dorf wieder eine wohltuende Ruhe ein. Nur die Glocke eines naheliegenden Klosters durchbricht die Stille.
Trotz der Schönheit der Insel stellt sich jedoch die Frage, was die Leute einst dazu veranlasste, sich auf einem so lebensfeindlichen Stück Land niederzulassen. Die Antwort ist in der Geschichte zu finden. Im 17. und 18. Jahrhundert suchten hier die von den Türken verfolgten Griechen und Albaner des Peloponnes Zuflucht. Da der Boden aber nicht genug hergab, um alle Bewohner zu ernähren, mussten sie ihr Glück auf dem Meer versuchen. Notgedrungen wurden die Hydrioten zu Seefahrern, Reedern, Handelsreisenden und falls nötig auch zu Piraten, die zwischen Marseille und dem Bosporus auf den Meeren kreuzten und dort Reichtümer und Macht anhäuften. Auf ihrem Höhepunkt besass Hydra rund hundert Handelsschiffe mit über 10’000 Matrosen. Ihre Vergangenheit vergassen die Hydrioten aber nicht und blieben Patrioten. Als 1821 der Unabhängigkeitskrieg ausbrach, warfen sie ihr ganzes Vermögen, ihre Flotten und ihre Erfahrung in die Seeschlacht gegen die Osmanen und wurden zu Helden.
Ägina: ein Tempel und Pistazien
Ägina (Aigina) befindet sich von allen griechischen Inseln am nächsten bei Athen und bildet eine Art Vorort; viele Bewohner fahren täglich mit der Fähre zur Arbeit in die Hauptstadt. Dennoch hat Ägina ihren Inselcharakter bewahrt. Ihr Name soll auf die schöne Aigina, die Tochter des Flussgottes Asopos, zurückgehen. Sie war die Geliebte des Zeus, der mit ihr einen Sohn zeugte. In der Antike betrieb die Insel Seehandel bis nach Italien, Ägypten sowie auf dem Schwarzen Meer und stand deshalb lange in Konkurrenz mit Athen.
An der Westküste der Insel, vor der etliche Fähren, Kaiks und Jachten kreuzen, liegt der gleichnamige Hauptort der Insel. Spektakulär sieht er nicht aus. Sobald man aber einen Fuss an Land gesetzt hat, kann man sich dem Reiz des Dorfes nicht mehr entziehen. Die direkt am Meer errichteten Kaffees und Tavernen, der hübsche Fischmarkt, der die benachbarte Psarotaverna (Fischtaverne) mit fangfrischen Produkten beliefert, die Obst- und Gemüsehändler auf der Uferpromenade, die Kutschen, die über die Quais traben, und die vielen Pistazienverkäufer üben einen unwiderstehlichen Charme aus. Die Insel ist die grösste Pistazienproduzentin Griechenlands und ihre Pistazien sollen die besten der Welt sein. Sie werden im Hinterland auf Feldern angebaut. Auf dem Weg zum Aphaiatempel kann man sie nicht verfehlen. Dieses dorische Heiligtum wurde zwischen 500 und 450 vor Christus auf einer Anhöhe erbaut, von der man die gesamte Insel im Blick hat. Sie gehört zu den drei Gipfeln des heiligen Dreiecks, das vom Parthenon, dem Kap Sounion mit Poseidontempel und Aphaia gebildet wird, und ist der grossen lokalen Göttin Aphaia, einer Halbschwester Apollos, geweiht.
Poros: ein Hafenbecken der besonderen Art
Poros könnte fast als Halbinsel durchgehen, stellenweise trennen die Insel nur gerade 100 Meter vom Festland. Man kann sich kaum eine schönere Zufahrt vorstellen als die von Poros, vor allem, wenn man am frühen Abend zwischen bewaldeten Hügeln aus Richtung Ägina den windgeschützten, in eine grüne Landschaft eingebetteten Hafen ansteuert. Nach der Durchfahrt des schmalen Kanals blickt man plötzlich über das gesamte Becken mit seinen malerischen Buchten. Ganz hinten liegt etwas verschlafen das Dorf Poros mit seinem weissen, in der Abendsonne leuchtenden Kirchturm. Trotz der Nähe zum Festland hat Poros ihre inseltypische Ruhe über die Jahre bewahrt. Hinter den belebten Ufern, in den steilen, von weissen Häusern gerahmten Gassen und blumenbepflanzten, nach Jasmin und Basilikum duftenden Hinterhöfen herrscht eine wohltuende Stille. Sehenswert ist auch der Kirchturm auf dem höchsten Punkt des Dorfes. Von dort oben hat man eine fantastische Aussicht. Im Westen erblickt man das Hafenbecken und die sich am Horizont abzeichnenden blau schimmernden Berge, im Osten den Ausfahrtskanal nach Hydra, auf dem die kleinen Wassertaxis durch ihr ständiges Hin und Her ein Streifenmuster durch das ruhige Wasser ziehen. Abends kann man sich in einer der unzähligen Tavernen am Meer oder in den verwinkelten Gassen kulinarisch verwöhnen lassen.
Spetses: altüberlieferte Bootsbautradition
Glaubt man dem Geografen Pausanias, hiess die Insel in der Antike Pityoussa, die Insel der Pinien. Tatsächlich war sie regelrecht von Pinien überwuchert. Die Bewohner nutzten diese Bodenschätze und betätigten sich erfolgreich als Bootsbauer. Viele dieser damals florierenden Werften sind im alten, malerischen Hafen Baltiza noch immer in Betrieb. Sie stellen Kaiks nach altüberlieferter Tradition her.
1760 wurde Spetses von den Türken dem Erdboden gleichgemacht, da es sich mit den Russen gegen das osmanische Reich verbündet hatte. Doch die Bewohner bauten ihre Flotten wieder auf und kämpften an der Seite von Hydra im Unabhängigkeitskrieg.
Mit ihren Reederresidenzen direkt am Meer, den von Bougainvilleas überbordenden Gärten, den mosaikgeschmückten Plätzen, den schicken Kaffees und den auf Hochglanz polierten Kutschen pflegt Spetses die Lebenskunst eines gehobenen, aber ungezwungenen Badeortes.
Und ein paar traumhaft schöne Ankerplätze…
In unmittelbarer Nähe von Ägina lockt die kleine, bewaldete und unbewohnte Insel Moni mit einer türkisfarbenen Bucht. Sie ist ideal für ein erstes Bad nach Athen. Unter den Pinien stolzieren Pfaue und springen Steinböcke und am Strand kann man sich an einer Bar erfrischen. Etwas weiter erinnert das klare Wasser im Süden der winzigen Insel Metopi an eine tropische Lagune. Es eignet sich ebenfalls bestens für einen Badestopp.
Zwischen Hydra und Spetses wartet die gebirgige Insel Dhoko mit mehreren schönen Ankerplätzen in einer grossen Bucht an der Nordküste. Sie können sich zwischen einer bezaubernden Klippe auf der Westseite und einer mit einer weissen Kapelle geschmückten Sandbucht auf der Ostseite entscheiden. Ruhesuchende finden im hinteren Teil der Bucht ihr Glück.
Auf der Fahrt nach Hydra liegt westlich der Tselevinia- Inseln in einem kleinen Kanal zwischen der Küste und einer winzigen Felseninsel ein weiterer schöner Ankerplatz. Fahren Sie vorsichtig und von Süden hinein. Zwei Seemeilen weiter westlich bietet die einsame Felsenbucht Rigani im Nordosten der kleinen Insel Soupia kristallklares, in der Mitte drei bis fünf Meter tiefes Wasser. Auch hier ist Vorsicht geboten. Wichtig ist aber vor allem eines: Geniessen Sie das Ende Ihrer Ferien und tun Sie weiter so, als würde die Zeit im Lande des Olymps stillstehen.
REISE-INFOS
[columns]
[column size=“fourth“ last=“no“]Flug
Swiss und Aegean fliegen täglich direkt
von Zürich, Genf und Mailand nach Athen.
Hin- und Rückflug in der Economy Class je
nach Datum für 250 bis 400 €.
Organisation
Für massgeschneiderte Reisen und/oder
Törns:
Moorings – moorings.de,
Sunsail – sunsail.de
my charter, info@mycharter.ch – www.mycharter.ch
oder sailpro.ch – alain@sailpro.ch
[/column]
[column size=“fourth“ last=“no“]Marina Zéa (Pasalimani)
Im diesem Jachthafen mitten in Piräus sind die Moorings-/Sunsail-Flotten stationiert. Er ist ideal gelegen für Törns im Saronischen Golf und zum Peloponnes. Die rund 45-minütige Taxifahrt vom oder zum Flughafen kostet 45 bis 50 Euro. Von der Marina bis in die Altstadt von Athen sollten sie 15 Minuten und 12 bis 15 Euro einrechnen. Taxis sind sowohl tagsüber als auch nachts genügend vorhanden.
[/column]
[column size=“fourth“ last=“no“]Navigation – Wetter
Die Navigation ist einfach und die Betonnung gut unterhalten. Sie sollten sich aber vor den vielen Fähren und Schnellbooten in Acht nehmen, die in unmittelbarer Nähe der Häfen Vorfahrt haben. Zuverlässige und kostenlose Wetterinformationen finden Sie auf der empfehlenswerten griechischen Website Poseidon System (poseidon.hcmr.gr). Sie enthält Windfelder (>weather forecast oder >sailing forecast) und Karten zu den Meeresverhältnissen im Dreistundentakt für alle Regionen Griechenlands (>sea state forecast).
[/column]
[column size=“fourth“ last=“yes“]Häfen & Ankerplätze
In allen Häfen wird geankert, auf die Gefahr hin, dass sich die Ketten kreuzen. Besondere Vorsicht ist in Hydra und Ägina geboten. Manövrieren Sie vorsichtig und machen Sie falls nötig eine Leine am Anker fest![/column]
[/columns]
Kulinarisches & Sehenswertes
[columns]
[column size=“third“ last=“no“]Ägina.
Aphaiatempel: Sie sollten sich dieses Heiligtum auf keinen Fall entgehen lassen. Sie erreichen es per Bus im Stundentakt. Nehmen Sie dazu die Linie von Aghia Marina mit Abfahrt in der Nähe der Fährenanlegestelle.
Das Restaurant Etsi in der Einkaufsstrasse, die parallel zum Quai verläuft, gehört zu den besten Adressen der Region. Der erfinderische Koch interpretiert die griechische Küche auf seine eigene Art einfach und fantasievoll.[/column]
[column size=“third“ last=“no“]Hydra.
Schlendern Sie durch die Gassen und steigen Sie bis zu den westlich des Hafens gelegenen Ruinen des alten Kastro hinauf. Von dort haben Sie einen fantastischen Panoramablick und gute Sicht auf den Hafen. Besuchen Sie das Nonnenkloster Aghia Efpraxia mit seinem marmornen Glockenturm. Es liegt direkt am Hafen.[/column]
[column size=“third“ last=“yes“]Spetses.
Spazieren Sie durch den alten Hafen bis zum Leuchtturm. Kosten Sie einen Fisch nach Spetsiota-Art und versüssen Sie sich den Tag bei Klimis direkt am Meer mit orientalischen Patisserien. Besichtigen Sie das grosse tintenfischförmige Mosaik auf dem Platz oberhalb des Hafenbeckens für Taxiboote.[/column]
[/columns]