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Silver Banks, Wiege der neuen Riesen

von Quentin Mayerat

Jahrzehnte lang wurden sie gejagt, bis sie durch die unersättliche Gier der Menschen fast ausgestorben wären. Ein internationales Moratorium rettete sie schliesslich vor der sicheren Ausrottung. Einzig Japan setzt sich über das Jagdverbot hinweg. Da sich die Giganten der Meere aber fleissig fortpflanzen, nehmen die Bestände heute langsam, aber sicher wieder zu. Lassen wir dieses traurige Kapitel beiseite und interessieren wir uns näher für das Wesen der faszinierenden Meeressäuger. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass sich der jährliche Lebenszyklus der Buckelwale in zwei Perioden aufteilen lässt: Die erste ist der Nahrungssuche gewidmet, die zweite der Werbung und der Paarung.

Gefressen wird nur in den Sommerquartieren im nördlichen Teil der Erde (Alaska, Russland, Kanada), im Winter ziehen die Populationen in die wärmeren, klaren Gewässer des Südpazifiks (Mittelamerika, Mexiko, Hawaii, Französisch Polynesien), wo die Kühe ihre Jungen zur Welt bringen.

Die bei den saisonalen Wanderungen zurückgelegten Strecken lasse sich ziemlich einfach bestimmen. Wissenschaftler haben beobachtet, dass Buckelwale während grosser Zeiträume – von den Wanderungen in den Süden bis zu ihrer Rückkehr in den Norden – vollständig auf Nahrung verzichten und das, obwohl sie dabei mehrere tausend Kilometer bewältigen! Sie zehren von ihren Fettreserven, die sie sich während der Jagdsaison angefressen haben. Sie sind ihre einzige Energiequelle.

Die grossen Wanderungen dieser Meeressäuger lassen sich dadurch erklären, dass die Kühe ihre Jungen in warmen, ruhigen Gewässern zur Welt bringen wollen. Schliesslich soll die Geburt so problemlos wie möglich verlaufen. Da die Fettschicht der Neugeborenen noch relativ dünn ist, wäre eine Geburt in den eisig kalten Polargewässern ein traumatisches Erlebnis. Allerdings ist diese ziemlich alte These heute umstritten. Die anatomischen Eigenschaften der neugeborenen Buckelwale sowie ihre Fähigkeit, in kurzer Zeit Gewicht zuzulegen, lassen darauf schliessen, es noch andere Gründe für die aufreibende Migration der teilweise sehr grossen Populationen geben muss. Eine andere Hypothese erklärt die eindrückliche Wanderung deshalb nicht einzig mit der Geburt, sondern auch mit der besonderen Beschaffenheit des Südseewassers. Es soll die Haut der Wale nämlich von Bakterien befreien. Beide Erklärungen sind jedoch reine Spekulation. Tatsächlich fehlt es bis heute an eindeutigen wissenschaftlichen Beweisen.

Gesang der Buckelwale

Bei den Walen singen nur die ausgewachsenen Männchen. Ihr Gesang wurde lange Zeit mit dem Paarverhalten in Verbindung gebracht; man ging davon aus, dass die Bullen damit den Weibchen imponieren wollen. Walforscher haben dem Mythos des romantischen Wals jedoch den Garaus gemacht. Nach etlichen Aufnahmen und Beobachtungen glauben sie den wirklichen Grund gefunden zu haben, ganz durchschaut haben sie das Wie und Warum der Laute aber trotzdem nicht. Es scheint, als ob der von Gruppe zu Gruppe unterschiedliche Gesang der Kommunikation zwischen den Männchen dient. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Buckelwale durch die Rufe ihrer Artgenossen angelockt werden. Den genauen Grund dafür kennen sie jedoch nicht. Vielleicht handelt es sich dabei um einen Kampfaufruf an die Rivalen. Vielleicht sucht ein schwacher Wal damit Verbündete, um den dominierenden Bullen herauszufordern. Am erstaunlichsten aber ist das Verhalten der Kühe: Das Belcanto der Werber scheint sie völlig kalt zu lassen.

Geheimnisumwitterte Paarung

Die Paarung der Buckelwale ist nach wie vor ein einziges grosses Fragezeichen. Noch nie konnte der Akt fotografiert werden. Vermutlich findet die Paarung nachts statt, wenn eine Beobachtung aus der Nähe für den Menschen unmöglich ist. Mehr wissen wir über die Werbung. Einer oder mehrere Bullen machen Jagd auf das Weibchen. Das scheint das hektische Treiben allerdings nicht weiter zu kümmern. Was aber geschieht danach? Die zur Schau getragene Gleichgültigkeit, mit der das Weibchen dem Werben der Männchen begegnet, wirft eine entscheidende Frage auf: Welches ist der ausschlaggebende Moment, die Bewegung oder das Signal, das die Paarung einleitet? Forscher auf der ganzen Welt träumen davon, diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen oder – besser noch – es zu filmen.

Teamgeist

Die Zeit nach der Wanderung in den Süden ist der Paarung, der Geburt und der Aufzucht der Neugeborenen gewidmet. Die Wale ein- und derselben Herden verbinden aber nicht nur Familienbande. Sie haben für den Beutefang ausgeklügelte Gruppenjagdtechniken entwickelt. Damit vervielfachen sie ihre Beutechancen, ohne sich allzu sehr zu verausgaben. Seeleute haben wiederholt davon erzählt, dass Buckelwalherden Schwertwale in die Flucht gejagt haben, weil sie eine einsame Artgenossin angegriffen hatten. Sie gehen dabei so koordiniert vor, dass der Angriff vermutlich gemeinsam entschieden wurde.

Freche Neugeborene

Eine Mutter und ihr wenige Wochen altes Junges aus der Nähe zu beobachten ist wohl der Wunsch aller Walliebhaber. Da sie sich nur langsam fortbewegen, ist es ein Leichtes sich ihnen zu nähern. Die körperlichen Fähigkeiten des Jungtiers sind noch nicht vollständig entwickelt, so dass es nur kurze Strecken zurücklegen kann. Ausserdem muss es zum Luftholen rund zwanzig Mal pro Stunde auftauchen. Für uns Menschen ist diese Notwendigkeit ein Glücksfall. Wir können dem jungen Wal beim Spielen zusehen und seine Gewohnheiten ergründen. Seine angeborene Neugier die Welt zu entdecken macht jedes Auftauchen zu einer magischen Begegnung mit den Zuschauern. Die Mutter ermutigt ihr Junges, indem sie sich genauso ausgelassen verhält, achtet aber stets darauf, sich zwischen ihren Sprössling und die Beobachter zu platzieren. Bei so viel Übermut kann man nie wissen… Wenn das Junge genug hat von den neugierigen Blicken, taucht es unter und versteckt sich zuerst unter der mütterlichen Flosse, danach unter ihrem Hals. Ein einmaliger Anblick! Buckelwale haben eine sehr kurze Kindheit. Wenige Monate nach ihrer Geburt nehmen sie als freche, etwas unverfrorene Teenager ihre erste Wanderung in den Hohen Norden in Angriff. In den Polargewässern lernen sie von ihren Müttern alle Feinheiten des Beutefangs. Zurück im Süden müssen die jungen Erwachsenen dann ihre erste Solo-Wanderung absolvieren.

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