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Törnerlebnis hinter dem Wüstensand

von Quentin Mayerat

Hurghada. Ein Badeort am Roten Meer. In den letzten Jahren zu einem touristischen Zentrum Ägyptens ausgebaut, bekannt als Taucherparadies und All-Inclusive-Destination für Urlauber aus Mitteleuropa und den ehemaligen Sowjetrepubliken. Eine mittlerweile etwas überbevölkerte Stadt, die dem Segen des Massentourismus nicht nur ihren Charme, sondern auch ihr Gesicht geopfert hat, sich dadurch aber nicht bremsen lässt, sondern weiter Touristenressort an Touristenressort reiht. Soviel war uns bekannt. Doch von Segeltörns in dieser Gegend hatten wir noch nie gehört. Nur Dietmar, österreichischer Skipper und Segler aus Leidenschaft, schwärmte von den vorherrschenden Windverhältnissen, dem glasklaren Wasser mit seinen zahlreichen Riffs und dem abenteuerlichen Charakter der Fahrten ins entlegene Umland. Quasi zum Beweis lud er uns ein, ihn eine Woche zu begleiten.

Tauchparadies und moderne Marinas

Beim Anflug im Morgengrauen kommen nochmals kurz Zweifel auf. Seit Sonnenaufgang nur Wüste in Sicht. Einzig eine vorbeiziehende Kamelkarawane sorgt für etwas Abwechslung. Der Blick aufs Meer bleibt aber bis knapp vor der Landung verwehrt. Erst dann wird klar: Hier kann man segeln! Der erste hellblaue Fleck, umgeben vom weisslichen Schimmer eines herrlichen Riffs, ist aufgetaucht und blendet nach der vorangehenden Einöde wie ein Einblick ins Paradies wohl blenden müsste.

Am Boden dann brütende Hitze, viel Staub und zu ihren Bussen drängende Pauschaltouristen. Rasch schnappen wir uns ein Taxi – Marke Peugeot, Baujahr 68 – mit äusserst ambitioniertem Fahrer. Noch bevor der erst am Vorabend aus Jordanien zurückgekehrte Dietmar und seine Eignergemeinschaft richtig wach geworden sind, erreichen wir den mondänen Ressortkomplex Al Ghuna mit seiner integrierten und für das Rote Meer bis anhin einzigartigen „Abu Tig Marina“. Die Marina scheint alles zu bieten, was das Herz begehrt. Ihre Ausstattung und die luxuriöse Aufmachung erinnern stark an die Häfen des nördlichen Mittelmeerraums. Erste Luxusyachten unter ägyptischer Flagge lassen erahnen, dass die regionale High Society im Begriff ist, ähnliche Lebensentwürfe zu entwickeln wie ihre Vorbilder aus Monaco, Cannes oder St. Tropez. Ungeachtet dieser Eindrücke treffen wir noch während des Frühstücks in euphorischer Hast die Vorbereitungen zum Auslaufen. Bald darauf setzen wir Segel, nehmen Kurs auf das nächste, etwas ausserhalb gelegene Riff und geniessen die von Dietmar prophezeiten 4-6 Windstärken, die uns fortan meist zuverlässig begleiten.

Das Eintauchen in die Unterwasserwelt beeindruckt. Die Riffe sind voller Leben und Farbe. Eine andere Welt; Lebensräume von monumentaler Schönheit für unzählige Meerestiere. Da sie bis knapp unter die Wasseroberfläche reichen, sind sie trotz fehlender Taucherausrüstung leicht zu erkunden. Zu nahe an der Küste stören aber zahlreiche Taucherboote, die Heerscharen von Touristen mitführen. Sie vertreiben nicht nur die Fische, auch die Riffs sind mittlerweile nachhaltig geschädigt. Es empfiehlt sich daher etwas Abstand zur Küste zu halten.
Zum Proviantbunkern machen wir Halt in der noch nicht ganz fertig gestellten Marina von Hurghada. Auch sie eine imposante Anlage, etwas weniger exklusiv wie in Al Ghuna, von den Dimensionen her aber durchaus vergleichbar. Das grösste zu bewältigende Problem ist die Beschaffung von Bier in gros-sen Mengen, ein für unsere Österreichfraktion essentielles Gut, das wir im muslimischen Ägypten aber erst nach langwierigen Verhandlungen erhalten.

Auf nach Süden

Im Verlauf der nächsten Tage nehmen wir unsere Umgebung nur noch bruchstückhaft wahr. Der Körper entspannt, geniesst und tankt Energie und der Geist lässt los. Wir lassen den Alltag weit hinter uns und unsere Gedanken ungehindert schweifen. Törnleben pur! Die Fahrt geht nach Süden, in Richtung Sudan. Weg vom touristischen Trubel und weg von den halbfertig aus dem Boden gestampften Hotelanlagen, die uns in Küstennähe hartnäckig verfolgen. Wir füllen unsere Tage mit Segeln und Angeln, halten nachmittags an einem Riff zum Schnorcheln und geniessen aus Österreich per Handgepäck importierte Käse- und Wurstwaren. Das jeweils kurz währende, aber eindrückliche Spektakel des Sonnenuntergangs hinter der staubigen Wüste verfolgen wir meist noch auf dem Wasser. Zu kurz sind die Tage im ägyptischen Winter. Abends ankern wir in Buchten vor Hotelanlagen, essen in nicht immer leicht zu findenden, heimischen Restaurants und trinken Schwarztee nach ägyptischer Art.

Wir passieren die ehemals wichtige Industrie-und Hafenstadt Safaga und steuern auf das 110 Meilen südlich von Hurghada gelegene Al Qusair zu. Ein historisch bedeutsamer und bis auf einige entfernt gelegene Ressorts vom Tourismus bisher verschont gebliebener Ort. Bei abendlicher Dunkelheit und von Delfinen begleitet erreichen wir den ehemals so bedeutsamen Handelshafen. Da unser Erscheinen die lokalen Behörden etwas überfordert, verzögert sich das Nachtessen und findet schlussendlich unter militärischer Aufsicht statt. Am nächsten Tag scheint aber alles geregelt und so erkunden wir den Ort, besuchen den Markt der angereisten Beduinen und erhandeln uns neue Proviantvorräte.

Danach brechen wir auf zum letzten Höhepunkt unserer Reise, den „Brother Islands“, knapp 40 Meilen ausserhalb von Al Qusair. Ein steil emporragendes Inselpaar; ein Paradies für Taucher. Die umgebenden Riffs beherbergen eine für das Rote Meer ungewöhnliche Artenvielfalt. Ein Wrack lädt zum Erkunden ein und auch Haie nutzen die „Brüder“, wie wir selbst feststellen durften, gerne als Jagdrevier. Nachts brechen wir zur Rückreise auf. Noch einmal die Stille geniessen. Dann zurück nach Urghada, ins Flugzeug, in die Schweiz. Vorbei das orientalische Märchen. Was bleibt, sind Erinnerungen an ein ganz spezielles Revier, an eine Region im Umbruch, die sich verändert, weil sie noch so viele besuchen wollen.

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