Seeschifffahrt
Segelschiffe sind im Passagier- und Gütertransport aus ökologischen, aber auch aus ökonomischen Überlegungen wieder stark im Kommen. Immer mehr Reedereien springen auf den Trend auf. Windbetriebene Frachter sind bereits rund um den Globus unterwegs. Wir haben nach den Gründen geforscht.
Den Seetransport dekarbonisieren
90 Prozent aller weltweit gehandelten Waren werden über die Weltmeere transportiert. Dabei werden 3 Prozent der globalen Treibhausgas-emissionen freigesetzt. Wenn nicht Gegensteuer gegeben wird, könnte die Schifffahrt bis 2050 17 Prozent der globalen CO2 -Emissionen ausstossen. Die Dekarbonisierung der Hochseeflotte ist daher ein ökologischer Brennpunkt. Doch damit allein ist es nicht getan. Die bis zu 400 Meter langen Kolosse verbrauchen Unmengen an Treibstoff, was die Reedereien angesichts der steigenden und stark schwankenden Ölpreise immer stärker belastet. Ein Beispiel: Der Durchschnittspreis für schwefelarmes Öl, mit dem heute viele Schiffe betankt werden, fiel zuletzt auf unter 600 US-Dollar pro Tonne. Im Juni 2022 kostete es noch doppelt so viel. Die weitere Entwicklung ist angesichts der Spannungen zwischen Europa, Russland und den USA höchst ungewiss. Damit die Reedereien durch das ständige Auf und Ab nicht in eine finanzielle Schieflage geraten, gibt es nur eins: Der Energieverbrauch der Schiffe muss gesenkt werden!
DER TRÄGERRAKETE ARIANE 6 NACH
FRANZÖSISCH-GUYANA. DANK SEINER FLÜGEL SPART DER HYBRIDFRACHTER 25 BIS 50 PROZENT TREIBSTOFF.®AYRO/ UNI PRO
BIS ZU 200 CONTAINER BEFÖRDERN.®zVg
MIT AUFBLASBAREM SEGEL VON MICHELIN AUSGERÜSTET SEIN.®zVg
Sind Segel eine valable Alternative zum Öl?
In der windbetriebenen Passagierschifffahrt bietet Sailcoop Verbindungen nach Korsika oder zu den Glénan-Inseln in der Bretagne an. In den letzten drei Jahren hat das junge Unternehmen auf seinen beiden Kursstrecken 10 000 Personen befördert. Auch Kreuzfahrtfans können die Welt unter Segeln erkunden. Mit der Orient Express Corinthian befindet sich derzeit der grösste Kreuzfahrt-Segler im Bau. Das 220 Meter lange Luxusschiff mit drei Kippmasten und einer Vor-
windfläche von 4500 Quadratmetern wird die grösste Segeljacht der Welt sein und soll allein mit Windkraft 17 Knoten erreichen! Im Frachtverkehr haben Segelschiffe sogar noch mehr Rückenwind. Grain de Sail 2 ist ein 52 Meter langer Frachtsegler mit Aluminiumrumpf und einer Kapazität von 350 Tonnen. Er absolvierte seine Jungfernfahrt Anfang 2024 und fährt seither zwei- bis dreimal pro Jahr über den Atlantik und zurück. Das Schiff mit seinen 1500 Quadratmetern
Tuch kann zweihand gesegelt werden. Das Ergebnis ist so überzeugend, dass die Reederei den Bau der Grain de Sail 3 plant – ein 110 Meter langer Frachter mit einer Segelfläche von 4000 Quadratmetern, der bis zu 200 Container mit einem Gesamtgewicht von 3000 Tonnen laden kann. Es soll 2027 fertiggestellt werden und den CO 2 -Fussabdruck gegenüber einem mit Schweröl betriebenen Frachtschiff um 90 Prozent reduzieren. Im gleichen Segment ist das französische Transportunternehmen TOWT tätig. Es betreibt zwei Schiffe der Phenix-Klasse (81 m lang und 1090 tschwer) und will seine Flotte bis 2027 um sechs weitere Segelfrachter erweitern. Jedes dieser Schiffe spart jährlich rund 2400 Tonnen CO2!
Noch eindrücklicher ist die Canopée der erfolgreichen IMOCA-Designer VPLP, die Teile der Trägerrakete Ariane 6 zum Weltraumbahnhof in Französisch-Guyana transportiert hat. Der 121-Meter-Hybridfrachter wird unter anderem von vier je 363 Quadratmeter grossen Segeln angetrieben. Er soll gleich schnell unterwegs sein wie ein herkömmlicher Frachter und dabei den Treibstoffverbrauch um mindestens 15 Prozent senken. Nach einem Jahr hat sich gezeigt: Die Realität übertrifft die Erwartungen bei Weitem. Je nach Wetterlage benötigt die Canopée 25 bis 50 Prozent weniger Öl als ein rein fossil betriebenes Frachtschiff. Pro Tag werden so 1,3 Tonnen Öl – und entsprechend Kosten – eingespart. Sie decken über einen Zeitraum von fünf Jahren die höheren Baukosten für die Flügelmasten und das IT-System. Simulationen auf einem Containerschiff der Panamax-Klasse (260 m lang mit einer Kapazität von 4500 Containern à 20 Fuss, d. h. einer maximalen Beladung von 56 000 t) haben ergeben, dass auf einer Atlantiküberfahrt20 Prozent Treibstoff eingespart werden können. Auch dieses Schiff wäre in fünf Jahren rentabel. Wisamo, der von Michelin entwickelte Teleskopmast mit aufblasbarem Segel, hat gerade die Ausschreibung für die Ausrüstung eines Hochseepatrouillenbootes der französischen Marine gewonnen. Ein 170 Quadratmeter grosses Rigg soll den Treibstoffverbrauch des für 2027 geplanten Schiffs um 15 Prozent senken. Weitere Projekte sind in Planung, darunter der Einsatz von Drachen, die den Auftrieb erhöhen und den Treibstoffverbrauch um bis zu 20 Prozent senken sollen. Diese kostengünstige und einfach umsetzbare Lösung könnte auf allen Schiffen ohne spezielles Rigg zum Einsatz kommen. Das von der deutschen Firma Skysails entwickelte Seawing-Produkt wurde vor Kurzem von einer japanischen Reederei aufgekauft. Segelfrachtschiffe sind kein Rückschritt, sondern das Versprechen einer CO2 – freien und nachhal – tigeren Zukunft: einer Welt, in der Ökologie und Ökonomie in die gleiche Richtung gehen.
ZU 20 PROZENT GESENKT WERDEN.®MaximeHorlaville
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