Wenige Meilen vor der Nordostküste des australischen Bundesstaats Queensland liegen wie Perlen verstreut smaragdgrün gesäumte Inseln. Sie bilden im Schutz des Great Barrier Reef ein perfektes Segelrevier für jeden Törnfan.
Die Whitsundays? Wo ist das jetzt genau? Als wir am Tag vor unserer Ankunft in Australien zu Mittag essen und über unsere bevorstehende Camperreise sprechen, ist die Aufregung spürbar. Wohin sollen wir? Was müssen wir unbedingt sehen? Was ist mit den Whitsunday Islands? Ein paar Zeilen im Reiseführer wecken unsere Vorfreude. Die 74 grösstenteils unbewohnten Inseln wurden 1770 von James Cook entdeckt. Sie liegen auf dem gleichen Breitengrad wie Tahiti, geniessen also das ganze Jahr hindurch ein angenehmes Klima, sind aber trotzdem nicht mit der südpazifischen Insel vergleichbar. Ihre Lage in Queensland im Nordosten Australiens, wo sich das Great Barrier Reef über eine riesige Fläche erstreckt, macht die Inseln weltweit einzigartig. Einhellig beschliessen wir, dass die Whitsundays unbedingt auf unsere Reiseroute müssen, zu verlockend ist der Gedanke an die faszinierende Tierwelt und die blendend weissen Sandstrände.
Die Whitsundays bieten unendlich viele Navigationsmöglichkeiten, die Distanzen zwischen den Ankerplätzen sind kurz und das riesige Revier ist gut vor den Wellen des offenen Meers geschützt. Grenzen setzen eigentlich nur die Aufenthaltsdauer, die, egal wie lang, doch immer noch zu kurz ist, und der Verlauf der Sonne. Nachts sollte man in diesen Gewässern nämlich nicht unterwegs sein, da die Strömungen stellenweise sehr stark sein können und die Riffe oft über die Markierungen der Koralleninseln hinausreichen. Kunden von Dream Yacht Charter dürfen daher zwischen 16 Uhr und Sonnenaufgang nicht segeln und müssen die Position ihres Liegeplatzes jeden Abend per Funk melden. Einleuchtend ist auch die Bitte, wo immer möglich an Bojen festzumachen und aufs Ankern zu verzichten, da dabei unnötig viele Korallen zerstört werden. Aber das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Ausserdem geraten die Echolote ausserhalb des Riffs eh ins Schleudern und das Ankern wird zur Glücksache.
Die Postkartenlandschaft, die uns beim Briefing beschrieben wird, macht uns ungeduldig. Jede Sekunde hier an Land scheint verlorene Zeit. Um die wenigen Tage voll auszuschöpfen, werden wir unsere Spots sorgfältig aussuchen, müssen uns aber wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass wir nicht allein sein werden. Dazu schwirren im Hafen zu viele in Charterboote umfunktionierte Offshore-Maxis und -Multis herum, das Deck voller Instagrammer. Die Destination ist sowohl bei Ausländern als auch bei Australiern sehr beliebt. Um uns die gute Laune zu verderben oder gar von unserem Vorhaben abzuhalten, braucht es aber mehr! Voller Vorfreude steuern wir das Boot aus dem Hafen von Airlie Beach nach Osten und lassen uns bei angenehmem Wind in der Hook Passage treiben.
Tannen bei den Kängurus
Die Landschaft ist irgendwie surreal. Wir sind von relativ hohen, schroffen und steinigen Inseln umgeben, die bis hinunter an die weissen Sandstrände mit Tannenwäldern überzogen sind. Fjords, sogenannte Inlets, graben sich tief in das Land hinein und bieten Schutz für die Nacht. Wurde Kanada auf die Südhalbkugel verschoben, um in den tropischen Gefilden Verwirrung zu stiften? Nach Palmen sucht man hier nämlich vergeblich. Zum Glück verhindern die Temperatur von fast 30 Grad und die Korallenriffe rund um jede Insel, dass wir vollständig die Orientierung verlieren. Bei unseren beiden ersten Stopps erwartet uns dann die perfekte Whitsundays- Szenerie. Wir erreichen Dubell Island und Esk Island unter Motor, denn der Wind wurde wie wir von der Sonne versengt. Als würde der Vorhang über einer Bühne aufgehen, nehmen wir die Welt um uns herum wahr: kristallklares Wasser, weisser Sand und Schildkröten, die sich ein paar Minuten an der Oberfläche treiben lassen. Ein wahrgewordenes Klischee!
Entgegen aller Erwartungen sind wir mutterseelenallein. Ausser uns hat kein einziges Boot an den Ankerbojen festgemacht, die rund 50 Meter vor dem Strand sanft in der Brandung schaukeln. Offenbar haben wir die traditionellen Touristenspots bereits hinter uns gelassen. Die nur knapp hundert Meter breiten Inseln sind unbewohnt, wir können uns also nirgends mit Treibstoff und Lebensmitteln eindecken, haben aber vorgesorgt. Der gut aufgebaute, sehr ausführliche Törnführer an Bord enthält zu jedem Liegeplatz im Meerespark viele nützliche Informationen wie den Farbcode der Ankerbojen, der für unsere Bootsgrösse bestimmt ist. Dank des offenen Grundrisses unseres Katamarans und dem vor dem Oberdeck platzierten Tisch können wir das Naturschauspiel in vollen Zügen geniessen. Beim Apero beobachten wir fasziniert, wie sich der Himmel rot färbt und die Vögel laut zwitschernd über unseren Köpfen vorbeifliegen. Sie sind die einzigen Bewohner der Insel und scheinen sich von uns nicht gestört zu fühlen.
Wir kosten die Abgeschiedenheit umso mehr aus, als unsere nächste Etappe zum Highlight jedes Whitsundays-Törns führt. Whiteheaven Beach ist der Strand der Superlative und unweigerlich ein Touristenmagnet. Beim Anblick dieses Naturwunders möchte man eigentlich nur eins: ins Wasser springen…, wenn da nicht die Haie wären! Sie halten uns davon ab, an tiefen Stellen zu baden. So unbeschwert wie die coolen Australier können wir mit dem Thema nicht umgehen.
Ein Traum in Weiss
Wecker braucht man in Australien keinen. Die Sonne geht sehr früh auf und ab 6 Uhr ist das Licht so grell, dass es wirklich jeden aus dem Bett treibt. Die Natur ist schon längst wach. Ein Weisskopfseeadler zieht seine Kreise und riesige Schwärme kleiner Fische stieben auf der Flucht vor Räubern davon. Das Meer ist so spiegelglatt, dass wir beschliessen, unter Motor bis zum Whiteheaven Beach zu fahren, damit wir ihn noch vor dem Ansturm der Besucher erreichen. Whiteheaven Beach soll der weisseste Strand unseres Planeten sein und steht bei allen Reiseveranstaltern ganz oben auf der Liste. In ganz Australien wird für den Ausnahmeort geworben, er gehört zu den Top-Sehenswürdigkeiten, die man unbedingt einmal gesehen haben muss. Da bleiben natürlich die Touristen nicht aus. Schnellboote spucken riesige Horden aus. Da der Strand aber sieben Kilometer lang ist, herrscht dennoch kein allzu grosses Gedränge. Am meisten los ist bei der Mündung des Inlets.
Wir sind wie gesagt sehr früh dran, machen das Boot bei Gezeitenmitte an einer zwei Meter tiefen Stelle fest und gönnen uns einen einsamen Spaziergang über den weissen Sand. Er besteht zu 90 Prozent aus Quarz und knirscht auf eine ganz eigenartige Weise unter den Flip-Flops. Ausserdem ist er so hell, dass man eine Sonnenbrille tragen muss. Hier wird die Vorstellung vom Traumstrand Wirklichkeit. Jetzt verstehen auch wir die Begeisterung der Australier! Um sich ein Gesamtbild über die Schönheit dieses weltweit einmaligen Ökosystems zu machen, steigt man am besten etwas in die Höhe. Über dem weissen Untergrund schimmert das Wasser in unzähligen Türkisschattierungen. Im Wasser zwischen den Sandbänken dieses riesigen Inlets jagen Stachelrochen mit wirbelnden Bewegungen Seespinnen. Bei Flut füllt sich jedes auch noch so kleine Wasserloch mit Leben.
Ein paar Katamarane, deren Besitzer die Gegend zu kennen scheinen, haben ihre Rümpfe etwas weiter oben in diesem Zugvogelreservat in den Sand gesetzt. Wir setzen uns hin, sehen dem Lichtspiel zu, den die langsam vorbeiziehenden Kumuluswolken auf den Sandzungen verursachen, plantschen im türkisfarbenen, unverschämt warmen Wasser und warten darauf, von einem scheuen Rochen gestreift zu werden. Wir können nicht genug bekommen von diesem traumhaften Ort. Erst kurz vor dem Zapfenstreich reissen wir uns los und suchen nach einem Liegeplatz für die Nacht.
Schlafen über einem Aquarium
Whiteheaven Beach ist eine prägende Erfahrung, aber auch die anderen Stopps bleiben unvergesslich. Die Kinder steuern den Kat rund um Hook Island nach Butterfly Bay. Am Liege-platz inmitten von hohen Bergen entwickelt der Wind durch den Venturi-Effekt manchmal eine solche Kraft, dass er alles, was nicht nietund nagelfest ist, wegbläst. Die Mangroven hinten in der Bucht besucht man am besten im Morgenlicht, wenn die Seeadler stolz auf den Baumkronen Wache halten.
Nächster Stopp ist Langford Island. Bei Ebbe wird die Insel um eine Sandzunge verlängert. Dort kann man wie ein moderner Robinson die Sonne geniessen. Daneben lockt die faszinierende Unterwasserwelt, die uns bei jedem Schnorcheltrip von Neuem in ihren Bann zieht. Im Gegensatz zur Einsamkeit über dem Wasser pulsiert unter Wasser das Leben. Riesige Schwärme Doktor- und Papageifische, in Anemonen versteckte «Nemos», anmutig tanzende Schildkröten und Kaiserfische, die vor der Badeleiter die von den Kindern ins Wasser geworfenen Brotkrümel abpassen, machen den Ort zu einem natürlichen Aquarium. Schade nur, dass wir trotz der Hitze einen Lycra-Ganzkörperanzug tragen müssen, um uns vor den schmerzhaften Stichen der Würfelquallen zu schützen.
Schon vor 10 000 Jahren Jeder Liegeplatz hält neue Überraschungen bereit. Hier veranstalten ebenso neugierige wie diebische Kakadus einen Höllenlärm, dort tanzen jagende Mantarochen einen anmutigen Reigen. Die Kinder sind begeistert von der Natur und geniessen das Törnleben. Unser letzter Abend macht uns mit der Geschichte der Whitsundays bekannt. Wir fahren den Nara Inlet hoch und machen unter einem ausgetrockneten Wasserfall fest. Es handelt sich um eine Aborigenes-Kulturstätte. Vor einigen Tausend Jahren waren die Inseln vom Volk der Ngaro bewohnt. Von ihnen stammen auch die Felszeichnungen in den Höhlen, die als älteste menschliche Spuren an der australischen Küste gelten. Die Kinder hatten im Jahr zuvor einen Vortrag über das Thema gehalten und sind ganz aufgeregt, die Höhlenmalereien mit eigenen Augen zu sehen. In der Nacht träumen wir von Aborigenes. Ob das an der mystischen Aura des Ortes oder an den seltsamen Geräuschen aus dem Wald liegt?
Unsere Rundfahrt führt uns zum Festland zurück. Airlie Beach macht uns schöne Augen und unser Camper wartet ungeduldig auf die Weiterfahrt. Fünf Tage für die Whitsundays sind etwas wenig. Wir wären gerne weiter südlich gesegelt, bis nach Border Island oder Haslewood. So haben wir nur einen Bruchteil des Meeresparks zu Gesicht bekommen aber immerhin jodhaltige Luft des Great Barrier Reef eingeatmet und die Tierwelt bestaunt. An diesem Morgen geht unser nautischer Abstecher zu Ende. In aller Früh setzen wir unsere Reise auf der Strasse fort. Es weht ein sanfter Wind, die aufgehende Sonne vertreibt die letzten Träumereien und das Gefühl des Unvollendeten, das eines Tages vollendet werden muss.
Reise-Infos
Anreise
Die Whitsunday Islands liegen im Bundesstaat Queensland vor der australischen Ostküste, direkt vor dem Great Barrier Reef. Für Europäer zwar kein Katzensprung, wenn man aber erst einmal in Cairns, Sydney oder Brisbane gelandet ist, ist Airlie Beach mit einem der vielen Inlandflüge schnell erreicht.
Für massgeschneiderte Reisen und/oder Törns
my charter, info@mycharter.ch www.mycharter.ch
Segeln auf den Whitsundays
Airlie Beach ist der Ausgangspunkt für alle Törns zu den Whitsundays. Viele Charterfirmen bieten zwei- bis viertätige Segeltörns für 12 bis 20 Personen an. Meist sind diese Boote aber bis auf den letzten Platz besetzt und man fühlt sich ziemlich eingepfercht. Dream Yacht Charter organisiert Touren auf Segelbooten in kleinen Gruppen und ohne Massenabfertigung (dreamyachtcharter.com).
Auf der Südhalbkugel herrschen der Nordhalbkugel entgegengesetzte Jahreszeiten, aber in Queensland ist das Klima praktisch das ganze Jahr mild und sonnig. Segeln in den Whitsundays ist unkompliziert und der an Bord bereitgestellte Guide liefert ausführliche Informationen. Da die Inseln in einem Meeresschutzgebiet liegen, müssen einige Vorschriften beachtet werden, aber auch das ist kein Ding.
Gefahren
Hier lebt man in engem Kontakt mit der Natur, sagen die Australier. Man sollte sich also besser darauf einstellen, ein paar nicht sonderlich einladenden Tieren zu begegnen. Wie überall in den Whitsundays gibt es Haie und die hochgiftigen Würfelquallen (Box Jellyfish) sind mittlerweile leider länger aktiv als früher. Man sollte daher das ganze Jahr nur mit Lycra-Ganzkörperanzug baden und vor allem gegen Abend trübes Wasser meiden.
Guter Tipp
Die meisten Inseln sind unbewohnt. Bunkern Sie daher genügend Proviant. Dank der ziemlich kurzen Distanz zum Festland können Sie bei Bedarf auch nach Airlie Beach zurückfahren oder in einem der wenigen Inselresorts essen.