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100 Jahre alt und noch kein bisschen müde

von Quentin Mayerat

Auf Schweizer Seen gibt es kaum zehn dieser 12 Fuss kurzen Traditionsboote, eine Klassenvereinigung ist erst im Aufbau und trotzdem fand Ende Juli in Luzern die erste 12er Dinghy-Regatta auf helvetischen Gewässern statt. Fünf der 42 Boote im Teil-nehmerfeld trugen dabei ein SUI im Segel.

AuImmerhin 42 Boote haben den teils sehr weiten Weg nach Luzern zur Schweizer Premiere auf sich genommen. © Francesco Rastrelli

Doch eigentlich wird auf dem 12er Dinghy vor allem noch in Italien und den Niederlanden intensiv gesegelt. Mit der Firma Swiss & Global hat die Klasse bei unseren südlichen Nachbarn sogar einen finanzstarken Sponsor gefunden, der über die Eventagentur Mediasail eine Regattaserie organisieren lässt. Der Swiss&Global Cup lockt seit drei Jahren regelmässig um die 80 Einheiten an seine Regatten. Diese Saison wurde erstmals ein Event in Slowenien ausgetragen, bevor der Weg über die Alpen nach Luzern führte. Toni Müller, Regattaleiter beim Yachtclub Luzern, erklärt: „Wir haben gespürt, welches Feuer dahinter steckt und weil sich unser Club mit traditionellen Holzbooten verbunden fühlt, haben wir die Durchführung übernommen. Wir wollten auch der jungen Klassenvereinigung in der Schweiz eine Plattform bieten, sich zu präsentieren.“

Über 80 Dinghys sind regelmässig an den Regatten des Swiss & Global Cups in Italien dabei. © Francesco Rastrelli

Filippo la Scala, Managing Director von Swiss & Global in Italien, hat als Sponsor den Abstecher nach Luzern initiiert und begründet dies so: „Unsere Firma ist ja als Tochter von Julius Baer eigentlich in der Schweiz beheimatet und so kommen wir gerne ins Herz Europas. Es ist auch wichtig, dass wir Kontakt zur grossen Flotte in Holland haben. In Luzern treffen wir uns auf halbem Weg.“ Scala ist selber passionierter Dinghy-Segler aber nicht nur deshalb ist er das finanzielle Engagement eingegangen: „Tradition und Leidenschaft sind zwei Attribute, die den Sponsor und die Bootsklasse verbinden. Holzboote sind etwas lebendiges, brauchen Pflege und die Eigner haben eine sehr enge Beziehung zu ihren Booten. Das widerspiegelt gut den Umgang unserer Firma mit den Kunden.“

© Francesco Rastrelli

Classic statt 14 Footer

Tatsächlich bewahren die passionierten Segler auf ihren 12er Dinghys eine beinahe hundert Jahre alte Tradition. Ihr knapp 3,7 Meter langes und gut 120 kg schweres Boot wurde bereits 1913 entworfen. Es sollte sich zum Segeln, zum Rudern und als Beiboot eignen und die guten Segeleigenschaften sowie die niedrigen Baukosten überzeugten die Segelwelt schnell. Nach dem Ersten Weltkrieg war das12er Dinghy sogar zweimal Olympiaklasse. Und dank des hohen Freibords kann man es trotz der recht üppigen Segelfläche von gut 10 m2 selbst bei 20 Knoten Wind noch sicher segeln – auch wenn das harte Arbeit bedeutet.

Vom technologischen Fortschritt hat man sich über die Jahrzehnte hinweg nicht blenden lassen. Während sich das grössere und ältere 14 Fuss Dinghy als Konstruktionsklasse zum modernen 14 Footer mit durchgelattetem Grossegel, asymmetrischem Spinnaker und Doppeltrapez entwickelt hat, setzen die Classic12’ Dinghys noch immer auf Klinkerbauweise mit Mahagoni- oder Zedernholz, haben das Gaffelrigg mit Holzmast behalten und lassen als strenge Einheitsklasse dem Eigner nur die Einrichtung des Trimmes frei.

Regattaleiter Toni Müller (links) liebt Holzboote genauso wie Dinghy-Seriensieger Giorgio Poggi (rechts). © Francesco Rastrelli

Liebe zum Boot

Es sind Segler aller Altersklassen, die mit dem Dinghy regattieren, doch die intensive Beziehung zu diesem Boot verbindet sie alle. Giorgio Poggi, einst italienischer Olympiateilnehmer auf dem Finn und unbestrittener Leader in der Dinghy-Serie, sagt: „Dieses Boot lebt, es hat eine Seele, ist aber seglerisch auch sehr anspruchsvoll und schwierig zu trimmen.“ Das meint auch Marcello Fux aus Figino am Luganersee, einer der wenigen Schweizer Teilnehmer. Er nennt sein Boot in Anlehnung an den legendären Roller aus italienischer Produktion liebevoll Vespina und behauptet: „Der Mast lässt sich nur auf dem Wasser trimmen und die Einstellung ist jedes Mal anders. Ich muss meine Vespina singen hören, dann läuft sie richtig schnell.“

Genauso liebevoll wie der Kontakt zwischen Mann und Boot ist auch das Verhältnis der Regatteure untereinander. Vielleicht ist das typisch für alle Einhandsegler: Auf dem Wasser ist man ganz auf sich allein gestellt und erbitterter Gegner, aber nach der Regatta pflegt man intensiv die Freund-schaft. Das war auch in Luzern gut zu spüren. Abends in der Lounge kam echtes italienisches Ambiente auf, auch wenn der  sportliche Teil aufgrund der schwierigen Windverhältnisse doch etwas mager ausfiel. Nur zwei Wettfahrten am ersten Regattatag konnten gesegelt werden. Dass der Sieger wie üblich Giorgio Poggi hiess, ist aber ein Indiz dafür, dass es faire Läufe waren. Die Schweizer Teilnehmer mussten die italienische Dominanz akzeptieren, aber es ging ihnen ja auch eher darum, sich zu präsentieren.

In der Schweiz sorgen vor allem zugezogene Holländer für die Verbreitung des 12er Dinghys. Damit sich die hübsche kleine Jolle bei uns als Klasse etablieren kann, wäre aber ein Umdenken in den Köpfen vieler Schweizer Segler vonnöten. Werte wie Nachhaltigkeit und Beziehung müssten gegenüber dem Drang nach Action und Spektakel auf immer noch schnelleren Hightechgeräten an Bedeutung gewinnen, ansonsten wird das Dinghy wohl nur von wenigen Liebhabern gesegelt werden.

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