Photos : ©Ricardo Pinto, ©zVg, ©PicturesqueBermuda.bm
Während Alinghi die Aufnahme von Ernesto Bertarelli in die Ruhmeshalle des Segelsports, die America’s Cup Hall of Fame, feiert, bereitet sich Oracle Team USA darauf vor, auf einer 70’000-Seelen-Insel mitten im Ozean fünf Challenger zu begrüssen. Mit Julien di Biase leitet ein Schweizer die Organisation des Grossanlasses.
Die Konflikte, die den America’s Cup in den letzten Jahren zu einer Seifenoper verkommen liessen, wurden mittlerweile ad acta gelegt. Zwar stösst das Wettkampfformat der ältesten Sporttrophäe der Welt noch immer nicht bei allen auf Zustimmung, könnte aber im kommenden Juni auf den Bermudas doch für einige positive Überraschungen sorgen. Fünf hochkarätige Challenger werden versuchen, dem Defender die Silberkanne zu entreissen: Artemis Racing, Land Rover BAR, Emirates Team New Zealand, Groupama Team France und SoftBank Team Japan. An den Vorregatten haben mehrere von ihnen gezeigt, wozu sie in der Lage sind. Oracle ist gewarnt, denn die Herausforderer haben durchaus gute Chancen.
Abgelegene Inselgruppe
Verglichen mit San Francisco wirken die mitten im Atlantischen Ozean gelegenen Bermudainseln mit ihren 70’000 Einwohnern wie Zwerge. Julien di Biase, der früher als Verwalter des Genfer Centre d’Entraînement à la Régate und als Serie Master der RC44 tätig war und am America’s Cup 2013 in San Francisco für Oracle die Logistik leitete, spart nicht mit Lob: „Chicago und San Diego kamen als Austragungsorte ebenfalls in Frage“, sagt der aktuelle Event Director der America’s Cup Event Authority (ACEA). „Wir haben uns aber für die Bermudas entschieden, da wir trotz der Abgeschiedenheit, die uns effektiv vor grosse logistische Herausforderungen stellt, überzeugt sind, dass der Cup zu dem Event wird, den wir uns vorstellen. Die Einheimischen, die Behörden und die auf den Inseln ansässigen internationalen Unternehmen unterstützen uns, wo sie nur können. Und mit dem Great Sound verfügen wir über eine aussergewöhnliche natürliche Segelarena. Die Wahl mag vielleicht überraschen, hat aber ihre Berechtigung.“
Komplett umgekrempelt
Die tiefgreifenden Änderungen, die das Management von Oracle seit 2013 vorgenommen habe, hätten bei dem so häufig verunglimpften Syndikat für frischen Wind gesorgt, sagt der junge Schweizer, der seit fast zehn Jahren im Ausland lebt, und erklärt: „2013 waren wir auf die Riesenmultis und ein revolutionäres TV-Produkt fokussiert. Wir haben viel investiert und auch einen Plan für die weitere Entwicklung ausgearbeitet, aber die Verhandlungen mit den Behörden von San Francisco erwiesen sich als schwierig, sodass wir einen anderen Austragungsort suchen mussten. Wir haben wieder bei null angefangen und das Ganze komplett umstrukturiert, um eine kleinere, flexiblere und finanziell unabhängige Struktur zu schaffen, die für die Organisation der World Series und des Cups verantwortlich ist. Als CEO von ACEA hat Russell Coutts mehrere Abteilungen unter sich: Kommunikation, Marketing, Fernsehrechte und die von mir geleitete Eventorganisation. Wir haben uns von einem Unternehmen, das sich um alles gekümmert hat, zu einer Struktur entwickelt, die sich auf die Koordination und die Aufsicht der Events mit den Partnern beschränkt. Das für die Organisation des Cups 2013 zuständige America’s Cup Race Management (ACRM) war sozusagen selbstversorgend, das heisst, es besass alle nötigen materiellen und personellen Ressourcen, sogar eigene Motorboote und Motorbootfahrer. Heute werden Staff, Boote und Kompetenzen von den lokalen Veranstaltern gestellt. Damit erzielen wir für einen Bruchteil der Kosten praktisch das gleiche Resultat und treffen auf lokaler Ebene auf positive Resonanz.“
Informationslücken
Julien di Biases Aussagen klingen vielversprechend und lassen auf einen spannenden Cup hoffen. Die Kritiker bringen sie jedoch nicht zum Verstummen. Ein wunder Punkt ist die fehlende Transparenz. Darüber, wie die getroffenen Entscheidungen zustande kamen, schweigt sich Oracle aus. Und auch über die AC50 ist kaum etwas bekannt. Wer Näheres wissen will, muss sich an einige wenige Aficionados wenden, die ihre Fachkenntnis zum Beruf gemacht haben. Einer von ihnen ist der Journalist Jack Griffin. Er war bei Alinghi für verschiedene Angelegenheiten in Zusammenhang mit Public Relations verantwortlich und kennt sich im America’s Cup aus wie kein zweiter. Seine Website cupexperience.com ist wohl eine der klarsten und informationsreichsten Quellen zum aktuellen Cup.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Prestigeverlust. Der America’s Cup sei heute nur eine Tour unter vielen, monieren einige. Julien di Biase teilt diese Ansicht nicht und tut sie als unbegründet ab: „Klar hat sich der Cup verändert und es ist nicht meine Aufgabe, darüber zu urteilen, ob das gut oder schlecht ist. Aber bevor man sich eine Meinung bildet, sollte man die AC50 in Aktion sehen. Es sind bemerkenswerte Rennmaschinen. Wenn die Boote am 1. Januar vorgestellt werden, wird der Segelzirkus überrascht sein, davon bin ich überzeugt. Für Glamour sorgt der 35. America’s Cup mit parallel ausgetragenen Regatten der J Class und der Super Yachts. Niemand wird enttäuscht sein.“
Die Frage, die allen Schweizern auf der Zunge brennt, ist die mögliche Rückkehr von Alinghi nach dem Cup auf den Bermudas. Bei seiner Aufnahme in die Hall of Fame antwortete Ernesto Bertarelli einem Kollegen von Scuttlebutt Sailing News: „Ich bin mit dem zufrieden, was ich erreicht habe, man sollte aber niemals nie sagen.“ Eine Aussage, die vieles offen lässt. Dazu muss allerdings erst der Defender wechseln.