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Alinghi auf der Suche nach der Zauberformel

von Quentin Mayerat

Die acht Extreme 40 vor der Stadt am Bosporus. © Vincent Curutchet

Bleischwer lag die Hitze über dem Marmarameer. Unzählige Frachter, Containerschiffe und Öltanker warteten darauf, die Durchfahrt durch den Bosporus in Angriff nehmen zu können. Am Ufer dröhnte aus riesigen, um ein Podest aufgestellten Lautsprecherboxen ohrenbetäubender Groove, der den Gesang der Muezzins aus der nahegelegenen Stadt spielend übertönte. Alles war bereit für den grossen Auftritt der Extreme 40, die in Istanbul den 3. Act ihrer Meisterschaft austrugen. Acht Teams segelten vor der osmanischen Stadt in spektakulären Läufen und im Rahmen einer gross aufgezogenen Show vier Tage lang um den Sieg. Istanbul ist eine facettenreiche Stadt, historisch, modern und traditionell zugleich. Die Metropole am Bosporus und europäische Hauptstadt des Sports 2012 empfing vom 7. bis 10. Juni die segelnden Gladiatoren der internationalen Regattatour der Extreme 40. Bei diesem 3. Act waren einige neue Gesichter zu sehen. An Bord der Alinghi zum Beispiel segelte ein komplett neues Team – und das konnte sich sehen lassen. Skipper Alain Gautier hat bereits 23 Mal den Atlantik überquert, dreimal die Welt umrundet und eine Vendée Globe gewonnen. Er vertrat Ernesto Bertarelli, der wegen der Vulcain Trophy und der Genève-Rolle-Genève am Genfersee zurückgehalten wurde. „Es ist das allererste Mal, dass ich eine Extreme 40 steuere“, sagte Gautier, bevor er für einen Testrun ins Boot sprang, relativierte dann aber: „Ich bin ein paarmal in Valencia darauf gesegelt, als Alinghi die Boote fürs Training nutzte.“ Eigentlich würde man erwarten, dass er regelrecht darauf brennt, sich mit den Routiniers zu messen. Gautier gibt sich aber zurückhaltend: „Wenn ich ehrlich bin, ist das Showelement nicht wirklich mein Ding. Ich habe bereits etliche Male an der Trophée Clairefontaine teilgenommen, die auf noch kleineren Katamaranen gesegelt wird und die ganz auf Spektakel ausgerichtet ist. Da die Extreme 40 für mich neu sind, liegt es aber an mir, mich anzupassen. Schliesslich handelt es sich gleichwohl um eine Regatta, nur, dass hier die Show eine wichtige Rolle spielt.“ Es gibt aber Unterschiede zu einer herkömmlichen Regatta, wie Alain Gautier festhält: „Man geht anders an die Sache heran. Vieles wird am Start entschieden. Man muss sofort angreifen und darf die Konfrontation nicht scheuen. Durchsetzen kann man sich nur, wenn man die Muskeln spielen lässt. An den Bojen muss man drängeln. Da ich versuche, Schäden am Boot zu vermeiden, bin ich wohl weniger aggressiv als die anderen.“ Wie das Ergebnis in Istanbul gezeigt hat, lag er mit seiner Einschätzung richtig. Gautier hatte zwar Spass, beendete den Act aber auf dem letzten Platz. Es gelangen ihm aber trotzdem zwei, drei gute Läufe. Er schaffte es sogar, den Klassenbesten Widerstand entgegenzusetzen und gewann einen Lauf vor Sap.

Groupe Edmond de Rothschild mit Pierre Pennec, Zoulou mit Erik Maris und Alinghi mit Alain Gautier vor der wunderschönen Kulisse der Blauen Moschee. © Vincent Curutchet

Hagara und McMillan auf der Pole Position

Gewinner des türkischen Abstechers war Leigh McMillan an Bord von The Wave-Muscat vor Pierre Pennec. Der Franzose auf Groupe Edmond de Rothschild bewies viel Feingefühl und steigerte sich zusehends. McMillans Team spielte zunächst mit Red Bull Sailing Team um den Österreicher Roman Hagara Katz und Maus. Die beiden wechselten sich als Tagessieger ab. Am Sonntag lautete die grosse Frage, ob der führende Hagara seinen Platz würde halten und seinen ersten Sieg bei den Extreme Sailing Series würde feiern können. So leicht liessen sich die Männer auf Groupe Edmond de Rothschild aber nicht abservieren. Sie gewannen den letzten Lauf vom Sonntag, bei dem der Wind bis auf 15 Knoten auffrischte und der doppelt zählte, und verdrängten damit Hagara auf den 3. Platz. Pierre Pennec war sich seiner Leistungssteigerung bewusst: „Die Bilanz der letzten vier Tage fällt in allen Punkten positiv aus“, sagte er. „Wir sind sehr konstant gesegelt. Ich fühle mich in dieser Regattaserie, an der ich nun schon das vierte Jahr und das zweite als Steuermann teilnehme, in meinem Element. Am wohlsten ist es mir aber eindeutig auf meiner jetzigen Position. Es macht Spass und ich will Leistung bringen. Hier in Istanbul haben wir gute Starts hingelegt und waren schnell unterwegs. Vor allem aber haben wir uns im Vergleich zu den beiden vorangehenden Acts gesteigert. Bei zwei der drei ersten Acts der Saison haben wir es aufs Podest geschafft. Wir haben uns gut geschlagen. In Oman wäre ein Sieg dringelegen und in China haben wir am letzten Tag viel Boden gutgemacht. Jetzt haben wir wirklich das Potenzial, das Team und das Boot, um zu gewinnen!“

Die extrem kurzen Läufe verlangen den Seglern viel Körpereinsatz ab. © Vincent Curutchet

Enttäuschende Bilanz

Von der ansteckenden Begeisterung eines Pierre Pennec war bei Pierre-Yves Jorand wenig zu spüren. Er segelte in Oman und China auf dem Schweizer Katamaran und war über das Abschneiden von Alinghi nach den drei ersten Acts ernüchtert. „Ich bin enttäuscht und meine Bilanz fällt durchwachsen aus. Wir hatten einige gute Passagen, bekundeten aber Mühe, das Tempo zu halten. Die Regatten sind kürzer als bei den Décision 35. Bei den Extreme 40 sind die Läufe sehr dynamisch, sie dauern gerade einmal 10 Minuten. Für den Rennverlauf sind ein explosiver Start und eine gute Positionierung entscheidend. Da harzt es bei uns noch gewaltig.“ Nicht weniger problematisch ist die fehlende Konstanz in der Teamzusammensetzung, wie Jorand festhält. „In China übernahm Charles Favre das Steuer. Für das Team ist die Teilnahme an dieser Serie eine grosse Herausforderung. In China haben wir rund zwanzig Raumschot-Läufe bestritten, jedoch ohne grossen Erfolg. Leigh McMillan, der auf The Wave-Muscat führt, hat eine aussergewöhnliche olympische Laufbahn hinter sich. Skipper seines Formats segeln auf 49ern. Wir messen der Strategie und der Performance viel zu viel Bedeutung bei. Die Runs sind aber so kurz, dass man sich aufs Wesentliche konzentrieren sollte. Wir müssen mehr trainieren und viel aggressiver werden.“

15 Knoten Wind, viele Zuschauer und spannende Kämpfe am Fuss der Moscheen: Red Bull Sailing Team, Sap, Groupe Edmond de Rothschild, Gac-Pindar und The Wave-Muscat schenkten sich nichts. © Jean-Guy Python

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