Grosser Sportanlass für die einen, lächerliche Farce für die anderen. Selten war eine Regatta so umstritten wie der 35. America’s Cup. Spektakulär wird er aber allemal.
Auch wenige Wochen vor den ersten Matches des America’s Cups lässt das neuseeländische Team nicht locker und wehrt sich weiter gegen den Defender, dem es ein eigennütziges Cupmanagement vorwirft. Eine Schlichtungsstelle, die sich oft selbst uneins ist, versucht die Streitigkeiten so gut wie möglich aus dem Weg zu räumen. Wenn das nicht klappt, wird zu unlauteren Mitteln gegriffen. Fiese Vergeltungsaktionen gab es schon einige. So wurden zum Beispiel im Jahr 2015 die AC62 durch AC50 ersetzt, worauf sich Luna Rossa zurückzog, die America’s Cup Qualifier in Auckland gestrichen, was ETNZ um einen Teil seines Budgets brachte, und als Reaktion auf eine Klage von ETNZ allen Teams im Januar und Februar ein 28-tägiges Sailing Blackout aufgezwungen. Das berüchtigte Protokoll wurde seit seiner Veröffentlichung bereits 13-mal geändert.
Fragwürdige Vereinbarung
Seit Februar stellen sich die Black Kiwis nicht nur gegen Oracle, sondern gegen die gesamte Flotte. Im Zentrum der Kontroverse steht das Framework Agreement. Diese Ende Januar präsentierte Vereinbarung legt die Regeln für die nächsten Austragungen des Cups in den Jahren 2019 und 2021 fest und wurde von allen Teams gutgeheissen und unterzeichnet – ausser von ETNZ. Laut Russell Coutts, der das Framework Agreement in die Wege geleitet hat, ist die Vereinbarung ein extrem wichtiger Meilenstein in der Cupgeschichte. Sie komme allen Teams entgegen, indem sie ihre Interessen wahre, für Kontinuität im Hinblick auf eine bessere Vermarktung sorge und helfe, die Kosten zu senken. Alle Beteiligten loben die Regeländerungen. Das Gegenteil hätte aber auch erstaunt. Ernesto Bertarelli äusserte sich nicht zur Kontroverse. Er wolle abwarten, bevor er Stellung beziehe. „Ich hoffe aber, dass genauso hart gekämpft wird wie bei den Extreme Sailing Series“, liess er verlauten. „Was die Zukunft des Cups angeht, sollten wir warten, wie der Defender der 36. Austragung den einzigartigen Charakter der Regatta zu erhalten gedenkt.“
Eine ideale Welt?
Das schwarze Schaf ist – wie könnte es anders sein – Grant Dalton. Er weigert sich, die als perfekt dargestellte Vereinbarung zu unterzeichnen. Eine riskante Entscheidung, denn dadurch manövriert er die Neuseeländer ins Abseits. Die Kiwis möchten zurück zum traditionellen Format, bei dem der Defender und der Challenger of Record nicht vor, sondern nach dem Sieg über das weitere Vorgehen verhandeln.
Das Framework Agreement vollziehe aber einen Paradigmenwechsel, lautet ihre Kritik.
Wenn man sich die Zeit nimmt, die Vereinbarung im Detail zu studieren, muss man den Neuseeländern Recht geben. Sie enthält so einige dubiose Regeln und legt Neuzugängern grosse Steine in den Weg. So werden die erlaubten Segeltage zwischen zwei Cups zum Beispiel beschränkt. Wie soll sich ein neues, ernstzunehmendes Syndikat für eine Teilnahme interessieren, wenn es keine Möglichkeit hat, sich zu profilieren? Nur Teams, die bereits dieses Jahr dabei sind, haben eine Chance, sich weiterzuentwickeln und Erfahrung zu sammeln. Im Jahr 2019 neu dazuzustossen ist daher völlig sinnlos. Hinzu kommt, dass der fragwürdige Inhalt nicht nur das Wesen des Wettkampfs grundlegend verändert, es bleiben auch viele Punkte ungeklärt. Der Widerstand von ETNZ ist deshalb durchaus nachvollziehbar.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht. Mehrere Experten, darunter der berühmte Jurist und America’s-Cup-Spezialist Tom Ehman, bestätigen, dass das Framework Agreement vom künftigen Sieger folgenlos aufgehoben werden kann. Es ist für die Deed of Gift somit völlig wertlos.
Vielversprechende Innovationen
Einmal abgesehen von diesen Querelen und egal, für wen man Partei ergreift, ist nicht von der Hand zu weisen, dass der 35. America’s Cup technologisch und sportlich eine Herausforderung darstellt. Für Laien ohne aero- und hydrodynamisches Fachwissen ist die Entwicklung der Boote leider äusserst komplex und undurchsichtig. Auch die Präsentation der Boote hat da nicht weitergeholfen, denn eigentlich unterscheiden sich nur die Foils und Riggs von der Vorgängerversion. ETNZ war aber trotzdem für eine Überraschung gut. An Deck wurden die herkömmlichen Grinder-Säulen durch vier hintereinander angeordnete Fahrradpedale ersetzt. Ebenfalls für Aufsehen sorgten die Foils, die aussehen wie die Flügel eines Sturzbombers. Ohne objektive Vergleichsmöglichkeit ist allerdings unklar, wie effektiv diese unkonventionellen Neuerungen sind.
Fest steht, dass keine dieser Innovationen eine solide Vorbereitung ersetzen. Nur mit viel Training lassen sich die Geschosse in den Griff bekommen. Dieser Aspekt könnte durchaus siegentscheidend sein. Die AC50 sind schneller als die 72-Füsser und auf den Foils gegen den Wind zu wenden ist und bleibt eine sportliche Höchstleistung. Wer sich Siegeschancen ausrechnen will, muss die Läufe aber erst einmal zu Ende segeln und das ist leichter gesagt als getan. Obwohl die Umstände eigentlich zur Vorsicht mahnen sollten, geben sich die Teams aggressiv, schliesslich steht viel auf dem Spiel. Der 35. America’s Cup wird also trotz aller Polemik ein echter Wettkampf werden, ausgetragen von hochkarätigen Sportlern.
Seine Zukunft aber bleibt unsicher und wird davon abhängen, wer als Sieger hervorgeht. Man könnte verleitet sein, den Neuseeländern den Sieg zu wünschen, damit der Cup wieder zu seinem traditionellen Format zurückfindet. Aber ob die Kiwis im Falle eines Erfolgs dann tatsächlich fair bleiben, weiss niemand. Im Mai und Juni geht die Saga in eine weitere Runde. Freuen wir uns auf ganz grosses Segelkino.