Wir haben Arnaud Psarofaghis Mitte Mai in Barcelona getroffen. Im Interview hat er mit uns über die AC75 gesprochen und uns verraten, was das Team in den letzten Monaten vor dem 37. America’s Cup erwartet.
Interview : Grégoire Surdez
Arnaud Psarofaghis, wie sieht das Programm von Alinghi Red Bull Racing in den letzten Monaten vor dem Louis Vuitton Cup aus?
Wir befinden uns am Anfang der Zielgeraden, vor uns liegt sowohl seglerisch als auch technisch und technologisch eine Menge Arbeit. Interessant ist, dass wir noch viel Luft nach oben haben, obwohl wir mit dem Boot sehr zufrieden sind. Für das Boot wurde ein präzises und intensives Entwicklungsprogramm erstellt, das in den kommenden Monaten viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Je nachdem, was wir bei unseren Gegnern beobachten, werden wir zusätzlich Anpassungen und kleine Korrekturen vornehmen. Im August finden die ersten Trainings mit den anderen Teams statt. Dabei werden wir bestimmt wichtige Erkenntnisse gewinnen.
Erzählen Sie uns doch etwas über das BoatOne.
Seine Ankunft in Barcelona war ein sehr emotionaler Moment, denn in diesem Boot steckt die Arbeit eines ganzen Teams. Für uns Segler war es auch deshalb etwas Besonderes, weil viele der Informationen eingeflossen sind, die wir in den unzähligen Stunden auf dem BoatZero gesammelt haben. Der Unterschied zwischen den beiden Jachten ist beeindruckend, sie sind wie Tag und Nacht. Für Laien ist es wahrscheinlich schwer, die Unterschiede zu erkennen, aber wir spüren sie deutlich. Wir haben wirklich ein sehr gutes und auch sehr schönes Boot. Es ist heissblütig und trotz einiger bewusster Entscheidungen insgesamt sehr ausgewogen.
Und wie steht es mit dem Potenzial der Jacht?
Wir haben seit dem ersten Tag auf dem Wasser ein sehr gutes Gefühl. Wir arbeiten jeden Tag daran, es noch besser zu machen, um sein Potenzial voll auszuschöpfen und alles aus ihm herauszuholen.
Der America’s Cup ist ein Temporennen, bei dem meist das beste Boot gewinnt. Doch auch das Team trägt seinen Teil dazu bei und muss auf der Höhe sein.
Wir sind stolz auf unsere Schweizer Mannschaft, die sich selbstbewusst und ohne falsche Be- scheidenheit den Gegnern stellt. Das Kernteam segelt schon sehr lange zusammen. Die neu hinzugekommenen Segler wie Maxime Bachelin und die Athleten der Power Group haben sich alle sehr gut integriert. Wir sind ein eingeschworenes Team. Und wir freuen uns jeden Tag darauf, gemeinsam auf unser grosses Ziel hinzuarbeiten.
Ist es nicht etwas hoch gegriffen, mit einem 100%-igen Schweizer Team den America’s Cup gewinnen zu wollen?
So sind die Regeln nun mal, wir können aber gut damit leben. Klar kann man die Meinung vertreten, Ernesto Bertarelli sei ein Risiko eingegangen, unter diesen Bedingungen zum Cup zurückzukehren. Für uns ist sein Entscheid aber vor allem ein riesiger Vertrauensbeweis. Wir tun alles, um den Erwartungen gerecht zu werden und gehen zuversichtlich an die Sache heran. Jetzt muss es uns nur noch gelingen, im entscheidenden Moment unser Können abzurufen.
«Wir tun alles, um auf der Höhe zu sein»
Alle Regatten werden im Match-Race-Format gesegelt. Alinghi Red Bull Racing hat bisher vor allem an Flottenregatten teilgenommen. Wie bereiten Sie sich auf dieses eher ungewohnte Format vor?
Wir haben Duelle sehr intensiv trainiert, sie gehören zu den Schwerpunkten unserer Vorbereitung. Mit unseren beiden AC40 hatten wir die Möglichkeit, unser Training auf Zweikämpfe auszurichten. Auch die Arbeit am Simulator ist ein wichtiger Teil unserer Strategie. Segeln bleibt aber Segeln und Boote bleiben Boote, daran ändert sich nichts. Ich glaube nicht, dass die Match-Race-Wissenschaft über Sieg oder Niederlage entscheiden wird, denn die taktischen Herausforderungen sind im Match Race die gleichen wie bei Flottenregatten.
Müssen Sie sich manchmal kneifen, um sich zu vergewissern, dass Sie nicht träumen, sondern einen Kindheitstraum verwirklichen?
Nein, eigentlich nicht. Wir sind mittendrin, sodass wir nicht viel darüber nachdenken. Aber natürlich sind wir uns bewusst, dass wir grosses Glück haben, an einem solchen Projekt mitwirken zu dürfen. Deshalb geben wir auch alles, wir wollen am Ende nichts bereuen müssen.
Dürfen wir uns an diesem 37. America’s Cup auf ein grosses Segelspektakel freuen?
Die Duelle werden sehr spektakulär sein, denn die AC75 der zweiten Generation sind noch schneller als die ersten. Man muss sich das vorstellen: Zwei Boote preschen mit fast 100 km/h aufeinander zu und kreuzen sich. Wobei man wissen muss, dass sie sich aussergewöhnlich gut steuern lassen.
Was können Sie uns über die Teamzusammensetzung verraten?
Wir werden auf jeden Fall rotieren. Das Team ist in zwei Gruppen aufgeteilt, mit vier Trimmern und vier Mitgliedern der Power Group, die sogenannten Cyclors. Die Trimmer funktionieren im Duo, wer mit wem ein Paar bildet, steht aber noch nicht fest. Wir müssen die besten Kombinationen noch finden. Die beiden Gruppen arbeiten symbiotisch, damit die Cyclors schnell reagieren und die nötige Energie für den Bootstrimm erzeugen können. Die Mitglieder der Power Group treten nicht einfach blind in die Pedale. Sie müssen verstehen, was vor sich geht, um im richtigen Moment bereit zu sein. Sie haben sich übrigens unglaublich schnell in der für sie unbekannten Welt zurechtgefunden. Ich bin beeindruckt von der Qualität dieser Athleten, sie sind zu echten Seglern geworden.
Was können wir dem Team wünschen?
Dass es alles gibt und seinem Land Ehre macht – oder einfach, dass es den Cup gewinnt.