An der 85. Bol d’Or Mirabaud konnten die TF35 einen fünffachen Sieg feiern. Damit ist es ihnen endlich gelungen, ihre Überlegenheit unter Beweis zu stellen. Gewonnen hat Sails of Change 8 von Yann Guichard. Bei den Einrümpfern setzte die K2 von Philippe Weck der langjährigen Vorherrschaft der Raffica ein Ende.
Text : Oliver Dufour
Nach vier Flautenrennen und einer stürmischen Ausgabe im Jahr 2019 fand die Bol d’Or Mirabaud dieses Jahr endlich wieder unter konstanten Bedingungen statt. Besonders erfreut zeigten sich die Teams der Foiler-boote. Viel zu lange hatten sie darauf warten müssen, ihre Rümpfe aus dem Wasser zu heben und über den See zu fliegen.
Regelrecht in Ektase gerieten im 398 Boote starken Feld die Crews der sechs TF35. Seit dem eher zufälligen Sieg von Ylliam XII – Comptoir Immobilier, der bei seinem ersten Auftritt im Jahr 2021 von zwei unverhofften Windstössen profitiert hatte, wurden die selbsternannten «Seigneurs du Léman» in den letzten Jahren von Christian Wahl und seinem leichtwindstarken D35 W-team vorgeführt.
Die sechs Foiler legten bei mässigem Südwestwind einen fulminanten Start hin, drehten auf über 30 Knoten auf und erreichten Evian auf der französischen Seite in einer rekordverdächtigen Zeit. «Das Tempo und das Feeling waren unglaublich», schwärmte der Grosssegeltrimmer François Morvan, der in der Saisonpause von Realteam zu Sails of Change 8 gewechselt war. «Wir wurden regelrecht nach Evian katapultiert. Der See war flach und die Boote fuhren wie auf Schienen. Wir haben auf dem TF35 einen perfekten Segelmoment erlebt.»
Wie lahme Enten
Kurz vor Le Bouveret am oberen Seeende wurde die Spitzengruppe von der vorausgesagten Flaute gestoppt. Eine gefühlte Ewigkeit suchten die Teams den Horizont ab, in der Hoffnung auf Wind, der sie wenigstens bis zur Wendemarke schieben würde. Die Genferseeschwäne wirkten wie lahme Enten. Ihre Ohnmacht machte sie einmal mehr zur leichten Beute für den D35 W-team und die Ventilo M2, die im schwachen Wind Boden gutmachten.
Bei den führenden TF35 konnten sich Jérôme Clerc und seine Teamkollegen von Realteam durch ein geschicktes Manöver vor den bis dahin führenden Ylliam 17 setzen und als Erste den Rückweg vom Wallis nach Genf antreten. Bei der Wendemarke wurde er trotz stellenweiser Flaute in einer neuen Rekordzeit von 2 Stunden, 44 Sekunden und 28 Sekunden gestoppt. Dahinter folgten innerhalb von weniger als fünf Minuten und in dieser Reihenfolge Ylliam 17, Sails of Change 8, Sails of Change 10, Zen Too und Ylliam XII – Comptoir Immobilier. Unterdessen setzten Christian Wahl und seine junge Crew, die er mit drei Mitgliedern der Familie Mettraux (Justine, Bryan und Laurane) verstärkt hatte, ihre furiose Aufholjagd fort. Obwohl sie mit ihrem D35 eine halbe Stunde später in Le Bouveret eingetroffen waren als die TF35, übernahmen sie zeitweise sogar die Führung. Zu diesem Zeitpunkt war der Rekord, mit dem die Veranstalter angesichts der Wetterprognosen geliebäugelt hatten, bereits ausser Reichweite. Die Bestzeit von Trivia IV (5h1’19’’) aus dem Jahr 1995 würde auch dieses Jahr ungeschlagen bleiben. Angesichts des flauen Windes im oberen Seebecken war es plötzlich auch nicht mehr auszuschliessen, dass Christian Wahl auf seinem D35 ein weiteres Mal zuschlagen würde.
«Zur richtigen Zeit am richtigen Ort»
Soweit sollte es nicht kommen, denn die Spitzengruppe hatte schon bald wieder Wind. Sails of Change 8, das im Vergleich zu seinen schärfsten Konkurrenten mit der weniger voluminösen Grand-Prix-Segelgarderobe gestartet war, nutzte die Gunst der Stunde und hisste den Gennaker, um das Feld von hinten aufzurollen. «Als der Westwind einsetzte, haben wir das Segel eingeholt und sind ungebremst mit dem Solent weitergesegelt, während alle unsere Gegner jäh gestoppt wurden», schilderte François Morvan den Rennverlauf. «Wir waren zum richtigen Zeitpunkt am richten Ort.»
Realteam und die anderen TF35 noch im Rennen – Sails of Change 10 mit Skipper Duncan Späth hatte aus medizinischen Gründen die Segel gestrichen – hatten Sails of Change 8 nichts entgegenzusetzen. «Sie kamen zügig von hinten und waren besser positioniert als wir. Dadurch hatten sie viel früher wieder Wind», erzählte Jérôme Clerc. Er selbst blies zum Angriff, legte eine eindrückliche Aufholjagd hin und schloss zu den anderen TF35 auf. Gemeinsam zogen sie bei 15 bis 20 Knoten Wind Richtung Ziel davon. Bei diesen Bedingungen mussten die TF35 nicht mehr befürchten, dass ihnen der D35 die Show stehlen würde.
«Eigentlich wussten wir schon gestern, als wir die Wettervorhersage studiert haben, auf welchem Platz wir landen würden», bekannte Christian Wahl (6.). «Trotzdem haben wir ein sehr gutes Rennen geliefert und die Stimmung an Bord war grossartig.» W-team konnte sich mit dieses Jahr zum ersten Mal vergebenen Preis für das schnellste Verdrängerboot, dem Bol de Basalte, trösten.
Vierter Sieg für Yann Guichard
Den Sieg machten die vier TF35 Sails of Change 8, Ylliam 17, Realteam und Ylliam XII – Comptoir Immobilier untereinander aus. Bei herrlichen Bedingungen vor der Bilderbuchkulisse im Licht der untergehenden Sonne mussten die Teams trotz der angesammelten Müdigkeit bis zum letzten Schlag hochkonzentriert bleiben. Yann Guichard und seine fünf französischen Teamkollegen konnten ihren Vorsprung erfolgreich gegen die Angriffe der gegnerischen Foiler verteidigen und nach 6 Stunden, 22 Minuten und 24 Sekunden einen hochverdienten Sieg feiern. Realteam folgte 1’ 26’’ später auf Platz 2, Ylliam XII wurde mit 2’ 44’’ Rückstand auf den Sieger Dritter. Er überholte Ylliam 17 kurz vor der Ziellinie, da dieser im ungünstigsten Momente fierte.
«Ich freue mich riesig über den Sieg», frohlockte der französisch-schweizerische Skipper. «Es ist mein dritter Sieg in Echtzeit, mein vierter, wenn man den Sieg in der Klasse der M2-Katamarane mitzählt (Anm. d. Red.: 2010 auf Safram), und der insgesamt fünfte unseres Rennstalls in vierzehn Ausgaben. Es war ein sehr schönes Rennen, schnell, strategisch und intensiv. Das ganze Team hat einen tollen Job gemacht und bis zur letzten Minute gekämpft», fasste Yann Guichard zusammen. Er durfte als erster Steuermann den Bol d’Or und den neuen Bol de Carbone für den erstplatzierten Foiler in die Höhe stemmen. Auch in den anderen Klassen wurde engagiert gekämpft. Nach einem spannenden Duell setzte sich Philippe de Wecks neue Luthi 1420 K2 gegen die starke ungarische Libera Raffica durch und gewann nach 9 Stunden, 34 Minuten und 9 Sekunden die Bol de Vermeil und die TCFX-Wertung. Nach vier Siegen in Folge bei den Einrümpfern mussten sich Zsolt Kiraly und sein Team diesmal geschlagen geben.
Eine Grand Surprise gewinnt die Rating-Wertung
Alexandre Schneiter von der Société Nautique de Genève sicherte sich mit seiner Flying Phantom Team Tilt in 13 Stunden, 5 Minuten und 52 Sekunden den Sieg bei den kleinsten Foilern (F2), während Olivier de Cocatrix von der SN Nyon mit Groupe CI die Wertung der kleinsten Katamarane (M2) für sich entschied. In der Surprise-Klasse erreichten 80 Jachten das Ziel. Angeführt wurde die Flotte von Marius Lanz vom CN Versoix, der mit seiner Malice in 18 Stunden, 30 Minuten und 54 Sekunden das Rennen machte. Bernard Borter vom CV Vidy triumphierte mit seiner Little Nemo II sowohl bei den Grand Surprise als auch nach berechneter Zeit. In der Klasse TCF1 gewann Jean-Claude Burdet (CN Versoix) auf seiner Melges 32 Yasha Samuraï, in der Klasse TCF2 Alexandre Grognuz (CV Vevey) auf der Esse850 NTFM, in der Klasse TCF3 Salvatore Leone (CNV Aix-les-Bains) auf der 747 One Design illico Ti Vitti team und in der Klasse TCF4 ging Christian Monachon (CV Vevey-La Tour), der im letzten Jahr an Bord der 6,5m SI Ondine die Rangliste nach berechneter Zeit angeführt hatte, als Sieger hervor. Insgesamt wurden 355 Boote gewertet.
Starke Nerven gefragt
Extrem schwierige Wetterbedingungen, Foiler und Verdrängerboote Kopf an Kopf und ein hochspannendes Finale: Die Genève-Rolle-Genève war an Dramatik kaum zu überbieten.
Text : Quentin Mayerat
An der drittgrössten Regatta der Schweiz war die Teilnehmerzahl dieses Jahr leicht rückläufig. 199 Teams hatten sich zur Hauptprobe der Bol d’Or Mirabaud eingefunden. Da der starke Höhenwind aus Südwest den See nie erreichte, mussten die Seglerinnen und Segler das Beste aus den Flautenlöchern und den zahlreichen Windwechseln machen. Wer sich bei diesen Verhältnissen eine Chance ausrechnen wollte, brauchte nicht nur viel taktisches Gespür, sondern auch Nerven wie Drahtseile.
Am Morgen zog ein leichter Südwestwind über den See, schlief aber schon bald wieder ein. Bereits beim Startschuss war es windstill, kein Lüftchen kräuselte den See. Die Ersten, die sich vom feststeckenden Feld lösen konnten, waren die für Leichtwindbedingungen konzipierten kleinen M2-Katamarane. Angeführt von Swiss Medical Network mit Didier Pfister glitten sie auf Rolle zu. Auch dem TF35 Ylliam 17 von Julien Firmenich gelang eine gute erste Streckenhälfte. Kurz vor Rolle konnte er sogar vorübergehend in den Flugmodus wechseln.
Auf Höhe der Wendemarke setzte plötzlich ein kräftiger Nordwind ein, der die Segel der grossen TF35-Foiler füllte. Diese liessen sich nicht zweimal bitten und schlossen zu den traditionellen Katamaranen auf. Als die Flotte wieder zusammengerückt war, entbrannte zwischen den M2, den TF35 und dem D35 W-team von Christian Wahl ein heisser Kampf. Es wurde gehalst, was das Zeug hielt. An der Spitze des Feldes spielten die TF35 mal foilend, mal traditionell Jo-Jo. Am Ende hatte Yann Guichard auf Sails of Change 8 die Nase vorn. Er verdankte den Sieg seiner strategisch cleveren Routenwahl entlang der französischen Küste. Hinter ihm war es noch zu Positionswechseln gekommen, bei denen sich gleich vier M2 vor die anderen TF35 geschoben hatten. Als Zweiter ins Ziel kam Björn Rizzi auf Black Pearl, den dritten Platz beleg- te der neue M2 Groupe Comptoir Immobilier von Bruno Barbarin. Bei den Einrumpfbooten feierte Philippe de Wecks K2 in 4 Stunden und 54 Minuten seinen allerersten Sieg. Die Body and Soul von Thierry Bottge siegte nach berechneter Zeit.