Das gab es an der D35 Trophy noch nie: Bei Saisonhalbzeit können sich noch immer neun Teams Hoffnungen auf einen Podestplatz machen. Hinter dem deutlich führenden Alinghi ist ein packender Kampf entbrannt, nicht zuletzt weil alle wissen, dass die Post- D35-Ära bevorsteht.
Vor der Sommerpause ist in der D35 Trophy hinter dem souverän führenden Alinghi rechnerisch noch alles möglich. Sofern ihn nicht ein technisches Problem ausser Gefecht setzt, ist der von Ernesto Bertarelli gesteuerte Kat praktisch nicht mehr einzuholen. Mit zehn Punkten Vorsprung auf seinen direkten Verfolger Ylliam – Comptoir Immobilier liegt er bereits mehrere Breaks vorne . Trotzdem war die weitere Saisonhälfte noch selten so offen wie dieses Jahr. Alle, sogar der letztplatzierte Phaedo2 mit 28 Punkten, können sich noch Podestchancen ausrechnen. Parallel dazu rückt der bevorstehende Wechsel von den D35 zu den TF35 immer näher. Eineinhalb Jahre noch, dann sind die D35 Geschichte. Die meisten Teams haben ihre Strategie entsprechend ausgerichtet, einige, weil sie wissen, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um auf den D35 Erfolge zu feiern, andere, weil sie im Hinblick auf die wenige Zeit, die ihnen bleibt, ihr Team stärken und finanzielle Partner gewinnen möchten. Bei vielen fliessen sogar alle drei Überlegungen mit ein.
Christian Wahl mit junger Garde
Trotzdem schreiben die D35 natürlich noch immer aktuelle Geschichte. 25 Läufe und die beiden grossen Klassiker haben sie dieses Jahr schon ausgetragen; acht der neun Teams haben es dabei schon mindestens einmal aufs Podest geschafft. Das Niveau ist hoch, die Spitze eng. Zum Saisonauftakt wartete der von der Genfer Société Nautique organisierte Grand Prix gleich mit Bise auf. Die Teams wurden von über 15 Knoten starken Böen brutal aus dem Winterschlaf gerissen. Alinghi liess sich von diesem windstarken Einstieg nicht aus dem Konzept bringen. Bertarellis Mannschaft legte gleich zu Beginn die Regeln fest: „Wir vorne, die anderen dahinter!“ Nur einmal wurde dagegen verstossen. An der Bol d’Or musste sich Alinghi gleich drei Konkurrenten geschlagen geben und verpasste damit auch die Chance auf den diesjährigen Hattrick. „Wir sind nicht allzu enttäuscht“, relativierte Arnaud Psarofaghis nach dem Rennen. „Das haben grosse Regatten nun mal an sich, es ist immer etwas Zufall dabei. Wir haben bis zum Schluss gekämpft, um vorne zu bleiben, dann aber um zwei Längen gegen Mobimo verloren. Davon lebt unser Sport und Hadern bringt uns nichts!“ Mit seinem Sieg an der Bol d’Or rückt Mobimo im Zwischenklassement wieder aufs Podest vor und liegt nun punktgleich mit Zen Too auf Platz drei. Für Mobimo-Skipper Christian Wahl ist dieser Erfolg eine Bestätigung für die von ihm betriebene Nachwuchsförderung. „Ich wollte schon immer junge Segeltalente vom Genfersee in mein Team aufnehmen“, sagte der siebenfache Bol-d’Or-Sieger. „Wir konnten Bryan Mettraux verpflichten, der für sein Alter bereits enorm viel Rüstzeug mitbringt, sowie Victor Casas, der vom Jollensegeln kommt und an der Tour de France à la Voile den Diam 24 steuert. Dann sind da noch der erst 21-jährige Timothé Lapauw, der mit Alinghi auf GC32 segelt und seine ganze Kraft und Erfahrung eingebracht hat, der Figaro-Segler Corentin Horeau sowie Thierry Douillard. Zusammen bilden wir ein eingeschweisstes Team.“ Nach einer eher enttäuschenden Saison 2017 scheint Mobimo wieder an den Erfolg anzuknüpfen. Christian Wahl glaubt fest daran: „Wir werden für den zweiten Platz kämpfen. Wir haben gemerkt, dass wir viel erreichen können. Jetzt müssen wir nur noch ein paar Anfängerfehler wie Fehlstarts und Strafen ausbügeln.“
Es geht um mehr als den Meisterschaftstitel
Mobimo ist allerdings nicht das einzige Team mit ehrgeizigen Plänen, Swisscom hegt ebenfalls grosse Ambitionen. Die Crew hat sich unter dem Namen Eleven Sailing Team um den bisherigen Skipper Julien Monnier neu organisiert. Mit dem vierfachen Sieger der Tour de France à la Voile Daniel Iehl ist zudem ein erfahrener Steuermann dazugestossen. „An den Grand Prix haben wir gut funktioniert, nur an den grossen Regatten lief es weniger gut“, sagt Grosssegeltrimmer Nicolas Groux. „Alinghi ist uns klar überlegen, aber das wirkt motivierend und treibt uns an, uns weiter zu steigern. Wir hoffen, dass wir Bertarelli und seine Männer diese Saison mindestens einmal schlagen können!“ Jedes sportliche Projekt definiert sich durch Leistung. Jetzt, da das Kapitel der D35 zu Ende geht, ist Leistung noch wichtiger als sonst, denn sie wird mitbestimmen, welche Vorhaben Zukunft haben. Das weiss auch Nicolas Groux: „Wir müssen das Team stabilisieren, nächstes Jahr mit dem Training auf Foilerbooten beginnen und Resultate bringen, um Sponsoren für den TF35 zu gewinnen.“ Mobimo sieht das genauso: „Wir haben derzeit noch kein konkretes Nachfolgeprojekt, 2018 ist für unser Team aber eindeutig ein Schlüsseljahr. Wir machen uns viele Gedanken, denn wir möchten die von uns aufgebaute Struktur fortführen“, sagt Christian Wahl zu seinen Zukunftsplänen. Mit dem Wechsel zum Nachfolger des D35 wird in Bezug auf Kosten, Infrastruktur und Logistik ein Paradigmenwechsel vollzogen. Um Sponsoren zu gewinnen, müssen die Teams auf dem Wasser doppelt abliefern, beweisen, wie viel Wert sie sind und zeigen, dass ihr Projekt Hand und Fuss hat. Alle diese Parameter versprechen eine spannende zweite Saisonhälfte!