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“Die idealen Masse”

von Quentin Mayerat

Ob Esse850, Onyx oder blu26; sie alle werden vorzugsweise zu dritt oder zu viert gesegelt, sind zwischen 8 und 8,5 Meter lang und ziem lich genau 2,2 Meter breit. Ihre Segelflächen liegen am Wind zwischen 37 und 41 m2, zudem besitzen sie kein Trapez. Die drei Schweizer Binnenracer scheinen sich auf den ersten Blick äusserst ähnlich zu sein. Doch sind sie das wirklich? Esse850-Vertreiber Josef Schuchter, Onyx-Designer Thomas Cantz und der für den Riss der blu26 verantwortliche Christan Bollinger sind da anderer Meinung: „Die Onyx und die blu26 könnten unterschiedlicher nicht sein und auch die Esse850 profiliert sich durch andere Eigenschaften als die Onyx“, hält Thomas Cantz fest. Tatsächlich steckt hinter der blu26 ein im Vergleich zu den Esse850 und Onyx vollkommen gegensätzliches Konzept. Die blu26, die am kommenden St. Moritz Match Race zum Einsatz kommen wird, wurde als Match Race- und Regattaboot konzipiert, das auch zu Segel schulzwecken verwendet werden kann. Hier steht der Teamgedanke im Vordergrund. Jede der meist vier Personen an Bord soll stets eine wichtige Aufgabe wahrnehmen. Deshalb setzt man auch nach wie vor auf einen Spinnaker. Ein Bugbeschlag für den optionalen Gennaker ist zwar vorhanden, doch das Boot wurde eindeutig für den Spinnaker optimiert, wie Christian Bollinger sagt. Im Grossen und Ganzen steckt in den mittlerweile acht ausgelieferten Einheiten der blu26 wohl etwas weniger Power als in der Konkurrenz, denn sie ist mit ihren 1,2 Tonnen auch eher schwer. Doch auf der Kreuz bei Starkwind ist sie kaum zu bremsen – ebenso wenig wie auf der Autobahn. Die blu26 verfügt über die mit Abstand effizienteste Hubkiel vorrichtung. „Das Boot liegt äusserst tief auf dem Trailer, was die Fahrsicherheit erhöht. Es kann sogar an normalen Rampen geslippt werden. Ein Kran ist absolut unnötig, selbst der Mast wird von Handgesetzt“, sagt Bollinger. Ausserdem ist die blu26 preiswert. Verglichen mit einer Esse850 ist sie mehr als 30% günstiger.
Im Gegensatz zur blu26 setzte man beim Design der Onyx nicht primär auf den Teamgedanken, sondern auf Flexibilität und Multifunktionalität. „Eine Onyx kann man auch bei viel Wind problemlos alleine segeln und zwar ohne Winschen. Wenn nötig, passen aber auch sechs Personen ins Cockpit“, erklärt Thomas Cantz. Möglich wird dies dank Gennaker und untersetzter Selbstwendefock. Ein Vorschiffsmann ist nicht mehr nötig und auch Trimmer kann man fürs Plauschsegeln getrost zu Hause lassen. „Für Regatten sind drei bis vier Leute ideal und die passen genau in ein Auto“, führt Cantz das Konzept seiner Onyx weiter aus. Optisch fällt der elegant langgezogene, abgeschrägte Heckspiegel auf. Dieser übernimmt gemäss Designer Cantz nicht nur eine gestalterische, sondern auch eine praktische Funktion. Das Boot, auf dem der ruf Club Cup ausgetragen wird, wurde hauptsächlich für schwache Windbedingungen konstruiert, wie sie auch auf dem Zürichsee herrschen. Der Spiegel verlängert die Wasserlinie am Wind, ohne durch viel Gewicht und Verdrängung im achterlichen Bereich das schnelle Übertreten in die Gleitphase auf Halb- und Vorwindkursen zu verhindern. Um Stabilität und Segelvergnügen bei Windstärken ab 5 Bf. zu gewährleisten, gibt es einen kleineren 7/8 Gennaker. Damit fühlt man sich auch bei nicht Zürichsee-typischen Bedingungen wohl. Preislich ist die Onyx mehr als 10% günstiger als die Esse850.
Auch die von Josef Schuchter vertriebene Esse850 setzt über ihrem Konzept auf Flexibilität und Multifunktionalität. Über eine Selbstwendefockverfügt sie zwar nicht, doch zu zweit ist sie dank Gennaker auch bei mehr Wind problemlos segelbar. Für Regatten sind aber auch hier drei bis vier Crewmitglieder ideal. Die Esse850 überzeugt vor allem durch gelungene Kompromisse und elegante Lösungen. Sie ist schnell bei wenig Wind, beweist jedoch auch bei Starkwind gute Eigenschaften. Mit Wellengang kommt sie ebenfalls gut zurecht – einige Einheiten sind sogar am Meer stationiert. „Wir liefern ein hochwertiges Produkt. Unsere Kunden sind zufrieden und wir haben schon über 100 Boote verkauft. Ich denke der Erfolg gibt uns recht“, sagt Schuchter auf die Vorzüge seines Modells angesprochen. Dass es sich bei der Esse850 bei einem Preis von mehr als 100‘000 Franken (je nach Ausstattung) um das teuerste Schweizer Sportboot seiner Grösse handelt, gibt Josef Schuchter unumwunden zu: „Entscheidend ist nicht nur der Preis, sondern auch was man dafür bekommt. Und unser Preis-Leistungsverhältnis stimmt“, so Schuchter.

Die MOCEAN – ein weiteres Boot

Trotz ähnlicher Grundmasse sind zwischen den drei Schweizer Sportbooten also grosse Unterschiede hinsichtlich Konzept, Ausrichtung, Reviereignung und Preissegment auszumachen. Nicht jedes Modell entspricht den Wünschen aller Interessenten. Dies mussten auch Olivier Lüthold, der ehemalige Chef Leistungssport von Swiss Sailing, und Simon Brügger, ehemaliger Olympiateilnehmer im 470er, erkennen. Die beiden suchten für ein zukünftiges Projekt, über das noch nichts verraten werden soll, einen einfachen, spassigen und günstigen Daysailer für Binnenseen. Dieser sollte sich für die gemeinsame Nutzung von verschiedenen Personen sowie für Events und zu Schulungszwecken eignen. Die Suche nach einem passenden Modell blieb aber trotz intensiver Bemühungen erfolglos. Kein vorhandener Bootstyp vermochte ihren spezifischen Ansprüchen gerecht zu werden. Lüthold und Brügger entschlossen sich daher zum Bau eines neuen Bootes mit Namen MOCEAN. Den Riss zeichnete Sébastien Schmidt, der Genfer Designer, der bereits die Décision 35 entworfen hatte. Er hat den Daysailer sowohl für Spinnaker als auch für Gennaker ausgelegt. Die MOCEAN verfügt über ein Doppeltrapez, das jedoch nicht unbedingt benutzt werden muss, da der Hubkieler  genügend Blei in der Bombe hat. „Das Schiff wird Spass machen. Es soll die meisten Clubmit glieder und auch Nichtsegler ansprechen und schnell zu persönlichen Erfolgserlebnissen auf dem Wasser führen“, sagt Simon Brügger. Obwohl die MOCEAN wohl das günstigste der vorgestellten Schiffe sein dürfte, ist ein Verkauf an Private vorläufig nicht vorgesehen. Der erste Prototyp ist mittlerweile fertig ge stellt und absolviert seine ersten Testfahrten. Auf erste Ergebnisse darf man gespannt sein! Auffällig ist, dass auch die MOCEAN praktisch dieselben Grundmasse aufweist wie die drei bereits vorgestellten Sportboote. Weshalb aber die Fixierung auf exakt diese Bootsgrösse und diese Proportionen? Für Joseph Schuchter ist klar: „Das sind nun mal die idealen Masse für einen modernen Daysailer. Davon sind wir überzeugt, sonst hätten wir damals die Esse850, die ja das erste Boot dieser Art war, nicht lanciert.“ Etwas präziser wird Olivier Lüthold: „Unsere MOCEAN muss in die bestehenden Häfen passen. Somit sind eine Breite von 2,2 Metern und eine Tiefe von 1,6 Metern vorgegeben. Ursprünglich hätte das Schiff aber nur 7,5 Meter lang werden sollen, damit es auf allen Schweizer Seen gesegelt werden kann. Auf Wunsch von Jugend + Sport ist es nun aber 8 Meter lang. Damit erreichen wir eine Zulassung für sieben Personen, ein für J + S wichtiges Kriterium.“ Thomas Cantz ergänzt: „Eine Breite unter 2,5 Metern ist Bedingung, um innert nützlicher Frist einen Hafenplatz zu finden. Eine gewisse Breite ist aber notwendig, damit ein angemessenes Freibord und ein grosszügiges Cockpit Platz haben. Die Länge von etwa 8 Metern verhilft zu Stabilität in den Wellen und ermöglicht es, auch eine grössere Crew unterzubringen. Die Segelfläche ist dann nur noch die resultierende Konsequenz aus Boots grösse und -gewicht.“

Die idealen Grundmasse für ein Sportboot auf Schweizer Binnenseen scheinen also gefunden. Die einzelnen Bootstypen unterscheiden sich aber deutlich voneinander. Je nach Anspruch, Verwendungszweck und Budget empfiehlt sich das eine oder andere Modell – oder in speziellen Fällen, wie bei Olivier Lüthold und Simon Brügger, auch keines.

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