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Die Qual der Wahl

von Quentin Mayerat

Der Kartentisch moderner Boote gleicht immer mehr dem Cockpit einer 747. Dass sich die Sicherheit dadurch erheblich verbessert hat, ist unbestritten, aber viele Hobbysegler fühlen sich von den technisch ausgefeilten Geräten vollkommen überfordert. Wer unnötigen Stress vermeiden will, sollte bei der Wahl der Navigationshilfen mit beiden Füssen auf dem Boden bleiben und versuchen, ständig dazuzulernen.

Wir plädieren hier nicht für die Rückkehr zum Sextanten oder zur Goniometrie. Vielmehr ist Urteilsvermögen gefragt, damit man sich je nach Ambitionen und finanziellen Mitteln (eine komplette Ausstattung kann gut und gern mehrere Zehntausend Franken kosten) für das richtige Material entscheidet. Auf Peilgerät, Log und Speedometer soll hier gar nicht weiter eingegangen werden, da diese Geräte auf modernen Jachten sowieso zur Standardausstattung gehören.

Um den Lesern zu helfen, sich im elektronischen Dschungel zurechtzufinden, hat sich Skippers an Richard Jaquemet gewandt. Der Gründer der Genfer Segelschule Nauticschool, Segellehrer und Fachmann für Navigationstechnologie bringt auch als Fahrtensegler viel praktische Erfahrung mit. Viele Jahre lang kreuzte er auf seinem eigenen Boot durch das Mittelmeer, den Atlantik und die Antillen.

Was die Navigationshilfen angeht, so sollte man eine Faustregel immer im Kopf haben: Leistung ist nicht alles. Die Instrumente müssen in erster Linie der Art des Segelns angepasst sein. „Was nützt die Installation einer Software mit Routing-Funktion, wenn man nicht einmal die zu erwartende Geschwindigkeit bei bestimmten Windstärken und Einfallswinkeln kennt?“, fragt Richard Jaquemet. Regatta- und Fahrtensegeln sind genauso zwei verschiedene Paar Schuhe wie Küsten- oder Hochseeseglerei. Zwar überschneiden sich die Bedürfnisse in punkto Navigationsinstrumente, doch bei der Nutzung sind die Unterschiede gross.

Allgemeine Tipps

Es ist zwar ein Unterschied, ob man auf seinem eigenen oder auf einem gecharterten Boot segelt, doch unabhängig davon ist Richard Jaquemet ein überzeugter Anhänger mobiler elektronischer Geräte. Wetterfeste Laptops, auf denen die Navigationsprogramme und die elektronischen Karten installiert werden, haben den grossen Vorteil, dass sie überall hin mitgenommen werden können. Dadurch kann der Segler seine Törns bequem auf der Terrasse oder im Wohnzimmer vorbereiten und sich nicht erst an Bord mit der Nutzung vertraut machen. Wichtig ist bei der Wahl des Laptops vor allem der Internetanschluss und eine ausreichende Anzahl Eingänge für die Peripheriegeräte. Um wirklich bedürfnisgerechte Lösungen zu erhalten, sollte man auf eine Beratung durch einen Fachmann nicht verzichten, denn er stellt den Kundendienst sicher und sorgt dafür, dass der PC die gewünschten Peripheriegeräte unterstützt.

Die Programme müssen dem Segelrevier angepasst sein, das heisst, es muss das richtige geodätische System gewählt werden. Die Daten sind unterschiedlich und hängen davon ab, ob man im Mittelmeer oder im Hohen Norden segelt, Ozeane überquert oder in den Antillen oder Seychellen gemütlich den Küsten entlang fährt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Stromverbrauch der jeweiligen Navigationsinstrumente. Radars beispielsweise sind extreme Stromfresser.

Die Elektronik kann Papierkarten nicht ersetzen. Sie sind unverzichtbar und sei es nur bei Stromausfall. Den Handpeilkompass sollte man ebenfalls nicht vergessen. Karten sollten zusammen mit dem Navigationslineal im Kartentisch aufbewahrt werden.

Kein Bildschirm, Gerät oder Softwareprogramm, so technisch ausgefeilt es auch sein mag, kann die persönliche Wachsamkeit ersetzen. Ein aufgeklärter Segler schaut deshalb regelmässig an Deck nach dem Rechten.

Die Unverzichtbaren

UKW-Seefunk

Er gehört auf jedes Boot. Ausgestattet mit DSC (Digital Selective Call) ist das UKW-Seefunkgerät mittlerweile eine unersetzliche Navigationshilfe und ein Sicherheitselement. Navigationshilfe, weil der Seefunk die Kommunikation mit den anderen Booten sicherstellt, und Sicherheits-

element, weil es bei Problemen automatisch einen Notruf sendet (Sicherheitsmeldung, pan-pan oder mayday), der vom weltweiten Seenot- und Sicherheitsfunksystem (GMDSS) weitergeleitet wird. Ausserdem bietet es die Möglichkeit, mit verdächtigen Schiffen, die auf dem AIS (s. unten) erscheinen, Kontakt aufzunehmen. Die Funkanlage muss, damit man ihr ganzes Potenzial ausschöpfen kann, an einen GPS-Empfänger gekoppelt sein, der die Position des Bootes registriert. In Küstennähe kann zudem der Wetterbericht empfangen werden, denn in den meisten Segelrevieren werden auf dem einen oder anderen Kanal regelmässig Informationen über die Wind- und Meeresbedingungen gesendet.

Achtung: Für die Verwendung einer UKW-Anlage mit DSC ist ein „eingeschränkter Radiotelefonistenausweis des beweglichen Seefunkdienstes (SRC)“ obligatorisch. Tragbare UKW-Geräte sind nicht mit DSC ausgestattet, da der Digital Selective Call nur mit der jedem Boot zugeteilten MMSI-Identifikationsnummer (Maritime Mobile Service Identity) funktioniert. 

GPS

Braucht es eine Tracker-Funktion und integrierte Karten? Richard Jaquemet ist der Meinung, dass solche technische Feinheiten nicht nötig sind, wenn man sich für einen Laptop entscheidet und sich bewusst ist, dass ein GPS-Empfänger in erster Linie dazu da ist, die Position des Bootes in Echtzeit anzuzeigen. Er empfiehlt sowohl ein festes als auch ein portables, batteriebetriebenes GPS-Gerät für den Notfall. Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein GPS zu kaufen, das an den PC angeschlossen wird und das an eine Karten-Software gekoppelt die Route anzeigt. „Ich ziehe solche Instrumente je länger je mehr vor“, gesteht Richard Jaquemet. Er ist der Ansicht, dass feste GPS-Empfänger nicht besonders benutzerfreundlich sind. Ausserdem bedauert er, dass „die meisten keine alphanumerischen Tasten mehr besitzen, obwohl diese doch so praktisch sind.“ Was den Tracker anbelangt, so weist Richard Jaquemet darauf hin, dass er fest mit dem Boot verbunden ist und man deshalb nicht an Land üben kann. Ein weiterer Kritikpunkt sind die laut dem Fachmann überrissenen Preise.

Die sehr Nützlichen

AIS

Das automatische Identifikationssystem (AIS) ist vor allem bei geringer Sichtweite und regem Verkehr eine wertvolle Navigationshilfe. Verbunden mit dem UKW-Seefunk und dem GPS macht das AIS-Gerät nicht nur alle im GMDSS-System registrierten Schiffe in einem Umkreis von 10-15 Seemeilen ausfindig, sondern ermöglicht auch die Kommunikation per Seefunk, da es sämtliche Merkmale des betroffenen Schiffes (Geschwindigkeit, Grösse und Identität) angibt. Einziger Haken an der Sache: AIS-Geräte geben nur Auskunft über Schiffe, die obligatorisch im GMDSS registriert sind, das heisst Schiffe über 300 Tonnen. Alle anderen wie Fischerboote oder Jachten bleiben stumm, so dass regelmässig Ausschau gehalten werden muss. 

EPIRB

EPIRB sind streng genommen keine Navigationshilfen, aber Richard Jaquemet empfiehlt trotzdem allen Bootseignern eine solche Notfunkbake an Bord mitzuführen. Sie kann in Notfällen lebensrettend sein. Wird die Bake manuell oder automatisch aktiviert, übermittelt sie das Notrufsignal per Satellit. Sie kann auch auf die Rettungsinsel mitgenommen werden und den Rettungsdiensten durch das regelmässig ausgesandte Signal die Suche erleichtern. Die Bake ist mit dem Boot verknüpft, da sie mit der MMSI-Nummer programmiert ist.

Die Nützlichen

Radargerät

Aufgrund des hohen Preises, des grossen Stromverbrauchs und der Notwendigkeit, ständig im Stand-by-Modus zu lassen, ist Richard Jaquemet kein Befürworter von Radargeräten. Je nach Törnprogramm kann Einsatz jedoch nützlich sein. Für alle, die gern in Polarregionen, bei schwieriger Witterung, in der Dunkelheit oder den Küsten entlang segeln, kann ein solches Gerät interessante Informationen liefern. Dazu muss man aber wissen, wie es bedient wird und welche Bedeutung die übermittelten Signale haben.

Satellitentelefon

Das Satellitentelefon hat sich bei Hochseeseglern nicht so sehr als Sendegerät, sondern als Empfangsgerät durchgesetzt, obwohl es natürlich angenehm ist, Freunde und Familie zu einem Minutenpreis, der günstiger ist als für GSM an Land, auf dem Laufenden halten zu können. Mit dem Satellitentelefon lassen sich nämlich überall GRIB-Wetterdaten empfangen. Diese werden als E-Mail-Anhang verschickt. Dazu schliesst man das Telefon, das in diesem Fall als Modem funktioniert, einfach an den Computer an. Die Dateien müssen dabei unbedingt komprimiert werden, da die Datenübertragung sonst viel zu lange dauert und auch zu teuer wird. Nützliche Informationen für das Herunterladen der Dateien gibt es unter www.grib.us und auf anderen spezialisierten Webseiten. Richard Jaquemet weist darauf hin, dass die GRIB-Dateien den Gradientwind, aber nicht die oft stärkeren Küstenwinde angeben.

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