Viel macht das Gebäude nicht gerade her. Kaum zu glauben, dass hier einige der schönsten Einrümpfer des Genfersees entstanden sein sollen. Immerhin lassen die vereinzelten Rümpfe auf dem Parkplatz in Crans-près-Céligny keinen Zweifel daran, in welcher Branche hier gearbeitet wird. Trotzdem entsprechen die rudimentären Räumlichkeiten nicht dem, was man sich unter einer Bootswerft vorstellt, die moderne, leistungsstarke Segelboote baut. Wenn man sich aber etwas genauer umschaut, wird schnell klar, dass diese geschichtsträchtigen Räume die darin gebauten Boote nicht widerspiegeln.
Oben im Büro widmet sich Frau Luthi den Verwaltungsaufgaben, während Olivier, Renés jüngster Sohn, uns das dicke Fotoalbum der Werft zeigt. An der Mauer hängt hinter einem dicken Stapel Unterlagen der in diesen Räumen unterzeichnete Originalvertrag für den ersten Auftrag – ein Cap Corse aus formverleimtem Sperrholz. Der illustre Vorfahre René Luthi hätte seinerzeit bestimmt nicht im Traum daran gedacht, dass 500 weitere Segelboote folgen würden.
Wenn er die Geschichte der Familienwerft erzählt, in der er seit 1984 als Administrator tätig ist, erzählt Olivier Luthi eigentlich das Abenteuer der Genfer Freizeitschifffahrt von Mitte der Sechziger bis heute. Nach einer Lehre als Bootsbauer bei Vidoli und mehrjähriger Praxiserfahrung bei Vouga machte sich sein Vater René Luthi selbstständig. Damals waren Klassen- und Polyesterboote noch nicht die Regel und kleine, traditionelle Werften nichts Ungewöhnliches. Nach seinem ersten Auftrag produzierte Luthi die nach Bigouin-Plänen gebauten Flying Forty, deren Rümpfe in Marseille hergestellt wurden. Er war jedoch mit der Partnerschaft mit den französischen Konstrukteuren nicht zufrieden, besorgte sich die Negativform und übernahm die gesamte Konstruktion. Nach einigen Änderungen wurden 1965 die ersten von A bis Z in der Luthi-Werft hergestellten FF vom Stapel gelassen. Bis 1982 folgten weitere 89 Exemplare. Gleichzeitig arbeitete René Luthi an der Black Bird, von der er im gleichen Zeitraum 38 Einheiten auslieferte. Auch die Paladin entstand in der Werft. Sie wurde nach einem der letzten von Copponex gezeichneten Pläne gebaut und war für die damalige Zeit ein echtes technisches Juwel, nicht zuletzt wegen des Ballastkiels und der umfassenden Trimmmöglichkeiten. Luthi beschäftigte zwölf Mitarbeiter und baute jedes Jahr zwanzig Boote. In den 70er-Jahren mischte der berühmte Toucan den Markt auf. 25 Einheiten trugen die Handschrift von Luthi, bevor die Werft von Psaros und Egger Konkurrenz bekam.
Währenddessen wuchsen die Söhne in der Werft auf und bereiteten sich darauf vor das Familienunternehmen zu übernehmen. Pascal, der ältere der beiden Brüder, machte eine Schlosserlehre und reiste viel um die Welt, kehrte aber jeweils ein paar Monate pro Jahr in die Schweiz zurück, um seinem Vater und seinem Bruder zur Hand zu gehen. Olivier schloss seine Tischerlehre 1982 ab und stieg danach sofort ins Geschäft ein, so dass sein Vater langsam an die Pensionierung denken konnte.
Auf die Erfolgsjahre des Toucan folgte das goldene Zeitalter der Cruiser, wie die berühmten 28, 29 und 33. Sie wurden fast alle von René Luthi entworfen. Ende der Neunziger wurden nach Plänen von Lang die 8,70 und 9,50 gebaut. Die damaligen Prototypen hiessen Body&Soul, Dernière Minute und DHL. Alle haben sich parallel zu den Bauvorschriften weiterentwickelt und sind auf den verschiedenen Binnenseerevieren noch immer auch sonst am liebsten mit Konstrukteur Sébastien Schmidt zusammen. Der hält grosse Stücke auf Olivier Luthi: „Er fürchtet sich vor nichts, versteht es, bei Projekten mit anderen zusammenzuarbeiten und stets neues Knowhow einzubringen. Andere Werften sind völlig verloren, wenn ein Detailplan fehlt. Hier ist das Gegenteil der Fall. Es gibt immer zu viele Entwürfe und wenn Zweifel oder Fragen aufkommen, wird konstruktiv diskutiert. Eine solche Beziehung mit einem Handwerker ist eher selten.“ Olivier sieht noch einen anderen Grund für seinen Erfolg: „Die Werft erhält jährlich Aufträge für vier bis fünf schöne Einheiten, weil wir die Bedürfnisse unserer Kunden genau erfüllen und uns vorurteilslos weiterentwickeln.“
Der Name Luthi lässt noch immer ganze Seglergenerationen träumen. Und auch wenn René vor vier Jahren seine letzte Reise angetreten hat, schwebt sein kreativer und innovativer Geist noch immer über der Werft. Sein Erbe ist in guten Händen. Die schönsten Luthi-Boote werden bestimmt erst noch gebaut.gefürchtet. Paradebeispiel für die Luthi der Jahre 2000 ist die 38 Miss Tfy. Die Werft arbeitet