Die Neel 45 übernimmt exakt das Konzept ihrer kleinen Schwester: drei Rümpfe und ein extrabreiter Kajütenaufbau, der die drei Schwimmkörper zu einem loftähnlichen Ensemble verbindet. Das Resultat überzeugt. Der Trimaran ist ebenso schnell wie komfortabel.
Wenn man die Neel 65 mit einem Wort beschreiben müsste, dann wohl mit unkonventionell. Welcher andere Multihull dieser Grösse ist schon so komfortabel und schnell zugleich? Wir konnten den neuen 20-Meter-Tri vor der französischen Ile de Ré testen. Die Neel 65 ist die grosse Schwester der Neel 45, die bereits 15 Mal vom Stapel gelassen wurde. Hinter dem ausgefallenen Konzept steckt Eric Bruneel. Der ausgewiesene Mehrrumpf-Spezialist mit einer Vorliebe für höchst individuelle Konstruktionen hat sich nach vielen Jahren beim Katamaranbauer Fountaine-Pajot mit einer eigenen Werft selbstständig gemacht. Seine Anfangsidee bestand darin, einen durch und durch komfortablen Multihull zu entwerfen: „Der Trimaran ist das beste Offshore-Boot. Ich hatte bereits auf meiner Multi 50 Trilogic einen kuppelähnlichen Aufbau“, erklärt der erfolgreiche Regattasegler. Dieser inspirierte ihn zu seiner Idee, die drei Rümpfe beizubehalten, aber statt wie üblich nur den Zentralrumpf einzurichten, einen echten Aufbau zu konstruieren, der über alle drei Schwimmer führt. Er wandte sich an die Designer Michel Joubert und Bernard Nivelt, die schon mehr als einem ausgefallenen Konzept Leben eingehaucht haben. Ihre Umsetzung ist spektakulär. Auf die traditionellen Querverstrebungen wurde verzichtet, an ihrer Stelle prangt eine bewohnbare Plattform mit maximalem Platzangebot. Eigentlich war der Prototyp, die Neel 50, für den persönlichen Gebrauch bestimmt, aber das Konzept kam so gut an, dass Eric mit der Neel 45 schon bald eine zugänglichere Version für eine breitere Kundschaft in Angriff nahm.
Neues Flaggschiff
Neustes Aushängeschild von Eric Bruneels Werft ist die Neel 65. Wir konnten mit diesem grössten Serientrimaran der Welt das Revier rund um die Ile de Ré erkunden. Die mit 85 km2 viertgrösste Insel Frankreichs ist seit 1988 über eine Brücke mit dem Festland verbunden. Bei starkem Wind von rund 20 Knoten setzen wir im Kanal das 114m2-Grosssegel im ersten Reff und rollen die Stagfock aus. Alle Trimmelemente laufen in der 33 m2 grossen Flybridge zusammen. Zwischen den beiden Steuerständen befinden sich eine imposante Reihe Blöcke und drei elektrische Winschen. Die Genuaschoten werden über zwei weitere Winschen bedient. Im hinteren Bereich der Terrasse laden ein grosser Tisch und ein in Sonnenliegen umwandelbarer Sitzbereich zum Verweilen ein. Bei raumem Wind segeln wir mit guten 13 Knoten. Backbord erstreckt sich der lange Strand von Sablanceaux. Einige Schläge später nehmen wir Kurs nach Osten. Nach einer Wende wird nicht direkt hart an den Wind gegangen, sondern in einem Winkel von 40° zum scheinbaren Wind wieder Tempo aufgenommen. Erst, wenn man die Zielgeschwindigkeit erreicht hat, wird erneut angeluvt. Die zentrale Kielflosse und die angewinkelten Schwimmer mit den V-förmigen Steven sorgen für mehr Kurstreue und weniger seitliche Abdrift.
© Olivier Blanchet
Gigant der Meere
Direkt vor uns liegt die berühmte Brücke. Obwohl die Überwasserhöhe auf Wunsch der französischen Marine, die hier mit ihren Kriegsschiffen durchfahren wollte, bei Flut 30 Meter betragen soll, berühren wir die Brücke fast mit unseren Antennen. Eric fährt unter Motor langsam und sachte unter dem höchsten Bogen durch. Östlich der Brücke drehen wir wieder auf. Der Wind hat auf 25 Knoten aufgefrischt und es herrscht ein ziemlich starker Wellengang. Wir setzen das zweite Reff ins Grosssegel, immer noch in Verbindung mit der Stagfock. Mühelos rauschen wir mit 13 Knoten übers Wasser. Die Trampoline sind leicht nass, die Flybridge und das Cockpit aber bleiben trocken. Wir haben kaum Zeit, den kleinen Hafen von La Flote zu bewundern, schon bereiten wir uns auf die Ankunft in Saint Martin vor. Im Vorhafen werden wir uns der Dimensionen unseres Boots bewusst: Nicht ganz einfach, die 20 x 12 Meter in einen kleinen, dicht belegten Hafen zu manövrieren. Zunächst liegen wir am Steg der Schaluppen, bis eine Lagoon 52 ihren Platz räumt. Wir versuchen erst gar nicht, in den Seehafen einzulaufen. Die Schleuse ist bereits geschlossen und nicht breit genug. Wir legen eine Essenspause ein und geniessen dabei den aussergewöhnlichen Komfort des Cockpits. Neben einem Tisch für bis zu zehn Personen verfügt es über zwei Sonnenliegen, einen Küchenbereich und eine grosszügige Badeplattform. Die Ausstattung trägt die Handschrift von Franck Darnet. Auf der gleichen Ebene wie das Cockpit liegt der Eingang zum T-förmig angelegten Innenbereich. Hinter dem Durchgang und der fast geschlossenen Küche sind der geräumige Salon und ein zentraler Kartentisch angeordnet. Ebenfalls auf der gleichen Ebene befinden sich zwei Kabinen. Eine solche Konfiguration ist auf keinem Katamaran zu finden. Weitere Kabinen stehen im Zentralrumpf und in den Schwimmern zur Verfügung. In der Mitte des Zentralrumpfs, der dank Kimmkanten über der Wasserlinie sehr breit ist, findet man neben einem eindrucksvollen technischen Bereich eine Crewkabine. Ein weiteres Plus der Neel 65 sind die Staumöglichkeiten. In den Spiegeln der Rümpfe lassen sich auf unglaublichen 56 m2 Kanus, Surfbretter, Stand Up Paddles oder Kites unterbringen. Das Beiboot kommt in der XXL-Garage im Zentralrumpf unter. Die bietet Platz für über vier Meter lange RIBs mit 30-PS-Motor.
Wir entkommen der Ebbe nur knapp und gleiten in Richtung Fier d’Ars, wo die berühmte Sandzunge Banc du Bucheron zum Anlegen einlädt. Nach ein paar weiteren Meilen Richtung Nordost kreuzen wir vor dem Leuchtturm Baleines unsere kleine Schwester, die Neel 45. Der Wind hat sich etwas gelegt. Endlich können wir die Neel 65 unter vollen Segeln testen!