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Eine Swiss Wave in Weymouth?

von Quentin Mayerat

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Für die meisten von uns ist der Sommer 2012 noch in weiter Ferne, nicht so für die Olympiaanwärter. Gemessen am olympischen Fahrplan ist der 27. Juli 2012 nämlich schon morgen. Die ersten Regatten finden zwei Tage nach der Eröffnungsfeier statt. Segeln ist eine von 26 Disziplinen, die an 34 verschiedenen Standorten ausgeübt werden und 10’500 Athleten und 20’000 Medienvertreter mobilisieren. Hinzu kommen rund 70’000 Helfer und 4500 Sportler an den Paralympics. Insgesamt werden an den 17 Tagen zwölf Millionen Mahlzeiten serviert und zehn Millionen Eintrittskarten – oder das, was davon noch übrig ist – verkauft. Wie die Abonnenten des wöchentlichen Newsletters von Skippers.tv Mitte März erfahren haben, sind die virtuellen Kassen für den Kauf der Tickets nur sechs Wochen geöffnet. Am 26. April 2011* ist bereits wieder Schluss. Die Kosten für einen Platz bewegen sich zwischen 20 und 50 Pfund. Sollten nach dieser Phase noch Karten vorhanden sein, werden sie in einer zweiten Runde an den Mann oder an die Frau gebracht. Die von Swiss Olympic beauftragte Berner Reiseagentur Globetrotter bietet auch ganze Packages an.

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Die Segelwettkämpfe finden in Weymouth im Süden Englands, in der komplett modernisierten Portland Marina statt. Die rund 700 Segler, Trainer und Offiziellen werden in einem Dorf aus 77 Zwei- bis Vierzimmerwohnungen untergebracht, die nach den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung am Osprey Quay in Portland errichtet wurden. Nach den Spielen werden sie entweder von der Marina und der Portland National Sailing Academy genutzt oder auf dem Immobilienmarkt zum Verkauf angeboten. Darüber hinaus wurden nahezu 600 neue Bootsplätze eingerichtet und zur Betreuung der Regatten 85 Schlauchboote (davon 64 bei der englischen Werft Ribcraft) bestellt. Ein speziell für den Grossanlass gebauter Deich schützt die Jollensegler vor Wellen und Strömungen.

Intensives Training mit drei Quali-Wettkämpfen

Die Zusammensetzung der Schweizer Delegation für das grosse Treffen in der Grafschaft Dorset steht erst am 31. Mai 2012 fest. An der ISAF-WM im Dezember 2011 in Perth werden die Kandidaten erstmals die Möglichkeit haben, sich direkt zu qualifizieren. Sie benötigen dazu eine Top-5-Rangierung. Diese „Erfolgsprämie“, wie sie Alain Testuz, Mitglied des Selektionsausschusses, bezeichnet, ist im Vergleich zu den Spielen in Peking neu.

Seit Guillaume Girod seine Matura in der Tasche hat, reiht er die guten Resultate in der Gold Fleet nur so aneinander. Er hofft, in hyères seine Teilnahme für Olympia sichern zu können. © Juerg Kaufmann

Laut Rainer Staub, dem Geschäftsführer der Swiss Sailing Team AG (SST), könnten die beiden Teams des Natio-nalkaders, die Laser-Seglerin Nathalie Brugger und die Paarung Marazzi/de Maria, diese Hürde schaffen. Alexandre Schneiter, der seit Kurzem im Verwaltungsrat des SST sitzt, traut auch dem Duo Bühler/Brugger (470er) eine Direktqualifikation zu. Die acht anderen Teams und die Nachwuchstalente des SST werden wahrscheinlich auch die beiden anderen Qualifikationsregatten bestreiten müssen. Es sind dies der Weltcup im April in Hyères und die jeweilige Klassen-WM im Mai (die der 470er in Barcelona, RS:X in Cadix, Laser in Boltenhagen), wo sie unter die Top 12 Nationen segeln müssen. Basierend auf den Ergebnissen der drei Quali-Wettkämpfe und den Selektionsvorschlägen des SST bestimmt Swiss Olympic die  Athleten bzw. Teams, die an die Spiele reisen dürfen Um eine bestmögliche Ausgangsbasis zu sichern, sind dieses Jahr 50 bis 60 Trainingstage in Weymouth geplant. Laut den Olympiaanwärtern sind pro Jahr mindestens 200 Tage auf dem Wasser nötig, um das nötige Niveau zu erreichen. Bei noch jungen Teams oder Athleten, die das Segeln erst seit Kurzem als Leistungssport ausüben, können es sogar noch mehr sein. Zur letzten Kategorie gehört auch Guillaume Girod. Er ist nach der Matura zum SST gestossen und konzentriert sich mit dem Einverständnis seiner Eltern seitdem ganz auf die Qualifikation in der Laser-Klasse. Im Dezember bestritt er dazu mit der Laser-Seglerin Erika Fredrikson die australische Down Under Tour, an der er in der Gold Fleet segelte. Dazu kam im Januar der Miami World Cup, im Februar die Mid-Winter Regatta in Florida und von Mitte März bis Mitte April der Weltcup in Palma. An Ostern wird er am Weltcup in Hyères und Mitte Juli an der World & European Laser Radial Youth Championship in La Rochelle anzutreffen sein, wo er einen Platz unter den ersten zehn anstrebt. Im August will er dann am Weymouth World Cup die beiden anderen Lasersegler des Nationalkaders Christian Steiger und Christoph Bottoni herausfordern. Sein Regattaprogramm 2011 besteht aus 220 Tagen auf dem Wasser, das Konditionstraining in den USA nicht mitgerechnet. Dass dafür nicht nur ein immenser zeitlicher, sondern auch finanzieller Aufwand nötig ist, braucht man wohl nicht zu erwähnen.

Ohne Sponsoren und SST geht nichts

Dass Guillaume Girod ein solches Programm überhaupt bewältigen und dazu auch noch mit dem Olympiadritten Diego Romero trainieren kann, verdankt er nicht nur seinem Sommerjob, sondern auch und vor allem dem SST, der punktuellen Unterstützung der Genfer Société Nautique (SNG) und dem beträchtlichen Engagement seiner Eltern, die selbst aktive Segler und Unternehmer sind. Zwar zeigen auch die Clubs viel guten Willen, aber der finanzielle Aufwand für eine Olympiakampagne übersteigt schlicht ihre Möglichkeiten. Das gilt sogar für grosse Clubs wie den Club Nautique Morgien, dessen Unterstützungskomitee für Olympiakampagnen von Pierre Fehlmann präsidiert wird, oder den vornehmen Gstaad Yacht Club, der mehrere

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Hunderttausend Franken für Nathalie Brugger und die Paarungen Marazzi/de Maria und Bühler/Brugger investiert. Bühler/Brugger waren trotz der Starthilfe aus Gstaad kurz davor, das Olympiaprojekt wegen fehlender Sponsoren fallen zu lassen. Matias Bühler hatte sich bis Ende Dezember Zeit gegeben, das nötige Geld aufzutreiben und allenfalls seinen Job als Lehrer zu kündigen. Seine Begegnung mit dem einflussreichen Alexandre Schneiter erwies sich schliesslich als entscheidend. Mitte Dezember sagte ihm die SNG logistische und finanzielle Hilfe zu. Zudem konnte die Liegenschaftsverwaltungsfirma De Rham Sotheby’s (von Schneiters Freund und Segelpartner Philippe Cardis geleitet) als Hauptsponsor verpflichtet werden und eine kleine Gruppe Gönner schloss sich zum Tilt Sailing Förderverein zusammen. Doch eigentlich sollte das SST stark und zahlungskräftig genug sein, um mit einer effizienten Infrastruktur, von der alle Athleten profitieren könnten, sämtliche Olympia-Hoffnungsträger zu unterstützen, die verfügbaren Mittel auf ein gemeinsames Programm zu konzentrieren, Synergien zu schaffen und Skaleneffekte zu erzielen. Diese Botschaft möchte Alexandre Schneiter den Clubs und Privatleuten vermitteln. Sie sollen ihre Unterstützung auf das SST kanalisieren, damit ihre Athleten mehr profitieren. Nach dem Vorbild von Jörg Hotz und dem Zürcher Yacht Club (2008) hat die SNG ihren Mitgliedern am 12. April alle Athleten und SST-Betreuer vorgestellt und sie auf die Bedeutung des olympischen Segelsports bei möglichen Sponsoren hingewiesen. Ob die Aktion Erfolg hatte, erfahren Sie in den nächsten Skippers-Ausgaben.

Enrico de Maria und Flavio Marazzi haben alle Karten in der Hand, um sich an der ISAF-WM im Dezember 2011 in Perth für Olympia zu qualifizieren. © Juerg Kaufmann

*www.tickets.london2012.com

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