Von einer Windböe hoffnungslos beschädigte Boote, ihrem Schicksal überlassene Yachten oder alte Rümpfe, die im Garten oder in einer Scheune vor sich hinmodern: Das alles sind Kandidaten für ein Recycling. Heute nehmen sich spezialisierte Altstoffhändler der Wracks, die ihnen von Bootswerften, öffentlichen Abschleppdiensten oder auch Privatpersonen anvertraut werden, mehr schlecht als recht an. Nach der Entsorgung der Flüssigkeiten und der Metallteile werden die Polyesterrümpfe meist zerkleinert und verbrannt oder auf der Müllhalde vergraben. “Dieses Vorgehen ist alles andere als zufriedenstellend und dazu auch sehr umweltschädlich”, kritisiert Marcel Preisig, der bereits seit mehreren Jahren an einem Projekt für ein Westschweizer Zentrum zur Entsorgung von alten Booten arbeitet. Der passionierte Segler und Privatbauer einer 12-Meter-Polyesteryacht setzt sich vehement für die Einrichtung einer 100% umweltfreundlichen Struktur ein, die u.a. auf der Wiederverwertung von Polyesterfasern basiert.
Alte Boote segeln noch immer
Das Problem der Entsorgung von Bootswracks ist nicht neu. Auch in Frankreich ist es ein Dauerthema. Der Französische Verband der Boots industrien (FIN) hat ihm daher im Rahmen des Programms “fahruntüchtige Yachten” eine sechsjährige Untersuchung gewidmet. Das Ergebnis ist nicht gerade ermutigend. Bislang hat der Markt einfach noch keine kritische Grösse erreicht, die spezielle Recycling-Strukturen für Boote rechtfertigen würde. Philippe Fourrier, Generalabgeordneter der FIN, meint dazu: “Polyesterboote haben eine viel längere Lebensdauer als erwartet. Sie liegt bei 35-40 Jahren oder sogar noch höher. Dies beweist schon allein die Tatsache, dass es noch immer einen Markt für so alte Einheiten gibt.” Wegen der langen Lebensdauer sind die Häfen denn auch noch nicht mit unzähligen platzraubenden Wracks überhäuft. Ist ein Boot tatsächlich Schrott, so wird es vom Eigner selbst schnell entsorgt, denn als private Müllhalde ist ein Bootsplatz einfach zu teuer. Gestützt auf diese Untersuchungsergebnisse hat die FIN in den letzten drei Monaten drei Beschlüsse gefasst : “ Erstens haben wir die Idee aufgegeben, ein spezielles Zentrum für die Entsorgung von Booten einzurichten, da diese Arbeit bereits von bestehenden Unternehmen übernommen wird. Zweitens planen wir derzeit ausser der thermischen Verarbeitung, die in der Herstellung von Brennstoff für Zementfabriken besteht, keine weitere Verwertung des Polyesters. Dank der am 29. Januar 2009 gegründeten Vereinigung “ Loi 1901 ” beschäftigen wir uns aber weiter mit dem Thema. Die Vereinigung hat die Aufgabe, die Koordination zwischen dem Yachtsegeln und dem Recycling zu verbessern und die Grösse der BPHU-Lagerstätte im Auge zu behalten. ” Auch Pierre Garrone, Direktor des 2004 gegründeten Unternehmens “ Transmaritima Recyclage ” im französischen Martigues, ist ein überzeugter Verfechter der umweltfreundlichen Entsorgung alter Boote. Seine Erfahrung untermauert Philippe Fourniers Analyse : “ Derzeit recycle ich jährlich rund fünfzig Boote, Tendenz langsam steigend ”, hält er fest. “ Solange es an einer entsprechenden Gesetzgebung fehlt und es auch keine Subventionen gibt – die Entsorgung eines 5- bis 8-Meter-Bootes ist mit 1000-1800 Euro ziemlich teuer – sehe ich nicht, wie der Markt in den nächsten Jahren explodieren soll. Und das, obwohl ich in einer Region tätig bin, in der 60% aller französischen Cruiser stationiert sind (Anm. d. Red.: 907’000 Boote Ende 2008). ”
Ein enger Markt
Jean-François Bouvier vom Genfer Altstoff- und Recyclingunternehmen Serbeco zerkleinert nach eigenen Angaben rund 40 schwimmende Objekte pro Jahr. Das können Surfbretter, Motorboote, Jollen oder auch grössere Boote sein. “ Für den Umsatz ist das aber belanglos ”, sagt der Verkaufsleiter. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Serbeco der bevorzugte Partner der Behörden und Werften in Genf und Umgebung ist. Bei Thévenaz-Leduc in Ecublens bei Lausanne, im Kanton Waadt der einzige Altstoffhändler mit einem Zerkleinerer, sollen es sogar nur 10-20 Boote pro Jahr sein.
Die Genfer Seepolizei führt ein genaues Register über die vom Kanton angeordneten Beschlagnahmungen. “ Seit 2006 sind die Zahlen steigend. Aus den 63 Objekten im Jahr 2006 sind 95 im Jahr 2007 und 109 im Jahr 2008 geworden ”, sagt Unterbrigadier Sébastien Dorand. Allerdings sind darin alle schwimmenden Objekte enthalten, Surfbretter genauso wie grössere Yachten und sogar Trailer und Böcke. Ausserdem bedeutet Beschlagnahmung nicht unbedingt auch Entsorgung, da die sichergestellten Boote meist von ihren nachlässigen Eignern abgeholt, verkauft oder manchmal sogar gestohlen werden. “ Wirklich entsorgt wurden 2006 vermutlich 16 und 2007 17 Boote. Wie viele es 2008 waren, steht noch nicht fest, da erst Ende März Bilanz gezogen wird ”, fasst Sébastien Dorand zusammen. Die Zunahme erklärt er sich vor allem mit der Verschärfung der Gesetze und der seit 2006 verstärkten Zusammenarbeit zwischen dem kantonalen Hafenamt und der Seepolizei. Sébastien Dorand : “ In den Häfen werden systematische Kontrollen durchgeführt. Alle vernachlässigten, schlecht oder gefährlich vertäuten Boote werden erfasst und die Eigner aufgefordert, die Mängel zu beheben. Das gleiche geschieht mit Bootseignern, die vergessen ihre Gebühren oder Steuern zu zahlen. Wenn der Eigner auf die Aufforderung nicht reagiert, verliert er das Recht festzumachen, das Boot wird ausgewassert und auf den Abstellplatz gebracht. ” Mit dieser radikalen Methode konnten die Genfer Häfen saniert und einige Plätze für Eigner auf der Warteliste freigemacht werden. Geht man davon aus, dass die Genfer Flotte ca. ein Fünftel der 32’500 auf dem Genfersee und in der Dreiseenregion immatrikulierten Boote ausmacht, so ergeben sich hochgerechnet auf die ganze Westschweiz 100-120 entsorgte Boote pro Jahr. Das reicht bei weitem nicht aus, um in absehbarer Frist spezielle Strukturen einzurichten. Da die Boote aber weiter altern, ist jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt, sich technisch (z.B. umweltfreundliche Verwertung der Polyesterfasern), regeltechnisch (z.B. Verbrennungsverbot) und nanziell darauf vorzubereiten.