Die GC32 sind in. Diesen Frühling zählte die Klasse bereits 25 Einheiten und der Aufwärtstrend ist nicht zu stoppen. Auch Schweizer mischen bei den foilenden Katamaranen ganze vorne mit. 2016 können sie sowohl an der GC32 Racing Tour als auch an den Extreme Sailing Series, die nicht mehr auf den Extreme 40 gesegelt werden, ihr Können unter Beweis stellen. Die Saison verspricht grosses Segelkino!
Die GC32 haben ihre V-förmigen Foils erst im Frühling 2014 das erste Mal montiert und sind aus der Segelszene schon jetzt nicht mehr wegzudenken. Dieses Jahr treten sie gleich mehrfach in Aktion: an der 2015 lancierten GC32 Racing Tour in Europa und an den Extreme Sailing Series, die auf die GC32 umgestiegen sind und bestimmt dafür sorgen werden, dass sich die „Formel-1-Boote“ auch international durchsetzen. „Die Klasse entwickelt sich sehr gut. Wir arbeiten deshalb an einem World Cup, der Ende Jahr oder Anfang des nächsten Jahres stattfinden soll. Ziel ist es, alle GC32 zusammenzubringen: die, die bereits an einer der beiden Touren teilnehmen und alle anderen“, vertraute uns der Class Manager Christian Scherrer an.
Ein Boot, zwei Konzepte
Mit einer europäischen und einer internationalen Tour ist die Situation etwas verwirrend und wirft viele Fragen auf: Welches Team nimmt an welchem Circuit teil? Warum gibt es zwei Meisterschaften und nicht nur eine? Und: Worin unterscheiden sie sich?
Für Christian Scherrer ist Freiheit die DNA der Racing Tour: „Mit der GC32 Racing Tour haben wir kaum kommerzielle Auflagen und können für unsere Teams und Boote deshalb das beste Revier wählen, das heisst ein ruhiges Revier mit mindestens 10 Knoten Wind, an dem möglichst sonniges und warmes Wetter herrscht und wir gut empfangen werden.“ Die Segelbedingungen sind ein entscheidendes Kriterium bei der Wahl des Austragungsortes der Regatten, die Publikumsnähe hat nicht mehr Vorrang, Wassersportarenen soll es keine mehr geben. Ein weiteres ist der geografische Aspekt. Die Meisterschaft findet dieses Jahr ausschliesslich in Europa statt (Gardasee und Mittelmeer), was die Transportkosten der Teams erheblich senkt. Vermutlich ist dieses Kriterium mit ein Grund für die starke Beteiligung. Neun Teams haben gemeldet, gegenüber fünf im letzten Jahr. Die Organisatoren hoffen, dass bis zum Start der Tour noch ein bis zwei weitere Team hinzukommen. Die GC32 Racing Tour ist für die Teams kostengünstiger und deshalb wohl auch beliebter als die Extreme Sailing Series, die trotz starker Medienpräsenz mit jeweils sieben Team und einer Tour Card eine kleinere Flotte vorweist.
Die Extreme Sailing Series haben sich in den letzten zehn Jahren zu einer segelsportlichen Institution entwickelt, sind aber vor allem eins: eine Mega-Show, ein grosses Segelfest, das an jedem Event Tausende Zuschauer anlockt. Gemäss Angaben des Organisators OC Sport sollen 2007 rund eine Million Menschen die Regatten vor Ort mitverfolgt haben. Mit acht auf zehn Monate und drei Kontinente verteilten Tourstopps sind die Extreme Sailing Series ein Koloss und für eine internationale Karriere zweifellos ein Muss.
Beide Touren ergänzen sich jedenfalls ziemlich gut. Arnaud Psarofaghis, der für Alinghi die Extreme Sailing Series bestreitet und für Tilt die beiden ersten Etappen der GC32 Racing Tour und dank dieser Doppelrolle wertvolle Routine sammeln kann, meint dazu: „Die Extreme bestehen aus sehr kurzen, intensiven Regatten, die jeweils nur rund acht Minuten dauern. Pro Tag werden manchmal bis zu zehn Läufe gesegelt. Sie sind eine Art ‚Strassenschlacht’ oder Sprint. Man muss ständig aufpassen, dass man nicht gegen die Vorfahrtsregeln verstösst und ist aufgrund des bedingungslosen Einsatzes danach völlig ausgepowert.“ Das Regattaformat der GC32 Racing Tour ist da schon sehr anders. „Es ist aufgrund der längeren Regattabahnen und der wenigen Wenden mit den America’s Cup World Series vergleichbar“, hält Arnaud fest.
Schweizer en masse
Auf dem Transfermarkt ging es für die Schweizer in letzter Zeit hoch her. Arnaud Psarofaghis ist bei Weitem nicht der einzige, der einen bzw. zwei neue Arbeitgeber gefunden hat. Insgesamt segeln fünf Teams auf GC32 unter den Farben der Eidgenossenschaft. Neben Alinghi, Spindrift und Armin Strom, die bereits letztes Jahr mit von der Partie waren, könnten auch Tilt und Realteam an der Racing Tour ein Wörtchen mitzureden haben. Team Tilt macht keinen Hehl aus seiner Absicht und hat bereits angekündigt, dass es einen Podestplatz anstrebt. Spätestens seit seiner Partnerschaft mit Emirates Team New Zealand weiss man, dass die Aussage ernst zu nehmen ist. Glenn Ashby, der schon die AC45 des neuseeländischen Teams gesteuert hat, wird Arnaud Psarofaghis im Laufe der Saison zur Hand gehen. Sein Lebenslauf ist beeindruckend: Er ist 14-facher Weltmeister bei den A-Cats, bei den Tornado und den F18 und Silbermedaillengewinner auf Tornado an den Olympischen Spielen in Peking. Kein Zweifel, dass Tilt von seiner Erfahrung profitieren wird.
Realteam, das 2014 mit dem 3. Rang bei den Extreme sein absolutes Highlight erlebte, will es langsamer angehen lassen: „Unsere Ziele sind auf drei Jahre ausgerichtet. Wir können uns erst nach den Trainings auf dem GC32, das heisst nicht vor Mai 2016, ein Bild machen, was realistisch ist und was nicht“, erklärte Esteban Garcia, der Besitzer des Teams und Steuermann der für Trainings genutzten D35. Diese vorsichtige Strategie hat dem Rennstall bereits letztes Jahr zum Erfolg verholfen.
Ziel Amerika
Dass die GC32 derzeit so gefragt sind, kommt nicht von ungefähr. Die Foiler-Katamarane sind den AC45 und den künftigen AC50 am ähnlichsten. Da es aber gemäss einer Vorschrift der Louis Vuitton America’s Cup World Series allen in der Jagd um die Silberkanne engagierten Syndikaten strikt untersagt ist, an anderen Regattatouren teilzunehmen, musste ein Trick gefunden werden, wie die Regel umgangen werden kann, schliesslich haben die Teammitglieder und Skipper im Hinblick auf den AC-Cup ja grosses Interesse, so viel Erfahrung wie möglich zu sammeln. Team Tilt hat mit der Partnerschaft mit TNZ eine perfekte Lösung gefunden, wie Alex Schneiter bestätigt: „Ich habe anfänglich nicht daran geglaubt, dass es mit der Partnerschaft klappen würde, aber der Name Tilt geniesst immer höheres Ansehen und wir haben eine Win-Win- Vereinbarung getroffen.“ Einerseits hat Glenn Ashby so die Möglichkeit Segelstunden anzuhäufen und andererseits profitiert Tilt von seiner Erfahrung und seinem Können sowie von der technischen Unterstützung durch das neuseeländische Syndikat im Hinblick auf den Red Bull Youth America’s Cup. Somit hat die Vorschrift, die von vielen als weitere Absurdität des Cupreglements kritisiert wird, zumindest etwas Gutes: Sie führt zu unerwarteten Partnerschaften!