Fotos : Max Ranchi, Stefano Gattini & Lloyd Images
Der Segelsport befindet sich im Umbruch und dabei spielen die GC32 eine führende Rolle. Sie haben die Teams, die sich noch immer in der Lernphase befinden, diesen Sommer bei viel Wind und Wellen hart gefordert.
Laien können sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen, auf diesen pfeilschnellen Foilern mit fast 40 Knoten übers Wasser zu preschen, zumal man dazu viel Fingerspitzengefühl am Steuer und eine hervorragende Kondition benötigt und die Manöver schnell und präzis ausführen muss. Sogar die Segler selbst geben unumwunden zu, dass sie das Potenzial ihres Racers noch nicht voll ausgeschöpft haben und noch viel über sein Verhalten lernen müssen. Einige Teams wie Alinghi, Norauto und Armin Strom konnten dank einer intensiven letzten Saison auf den GC32 schon einiges an Erfahrung sammeln. Für einen Grossteil der Teams, die an einer der beiden auf GC32 gesegelten Touren – der GC 32 Racing Tour und den Extreme Sailing Series – engagiert sind, war 2016 aber die erste Saison. Während die Klasse weiter im Aufschwung ist, die Segler fleissig dazulernen und sich die Verantwortlichen mit den für das Highspeed-Segeln unverzichtbaren Sicherheitsfragen befassen, geht es bei den GC32 Schlag auf Schlag weiter. Zeit für eine Zwischenbilanz.
Highlights
Die GC32 Racing Tour hatte im August im Rahmen der 35. Copa del Rey ihren Auftritt in Palma. Nach zwei Regatten auf dem Gardasee in Riva und Malcesine warteten auf dem Mittelmeer komplett andere Voraussetzungen auf die Foiler. „Man muss anders segeln, etwas weniger schnell und weniger hoch, um besser durch die Wellen zu kommen und die Gefahr zu minieren, dass die Tragflächen abheben“, erklärt Jérôme Clerc, der als Skipper und Steuermann der Realteam in Malcesine zur Tour gestossen ist.
Nach drei der insgesamt fünf Events dominieren die Teams mit der grössten Erfahrung. Norauto (trotz Abwesenheit von Franck Cammas, der das Steuer Adam Minoprio überlassen hat), Armin Strom und Tilt sind bereits jetzt kaum mehr vom Podest zu verdrängen. Damit befinden sich gleich zwei Schweizer Teams unter den Top 3, wobei der dritte Platz von Tilt bei den Schützlingen von Alex Schneiter einen etwas bitteren Nachgeschmack hinterlassen hat. Ein letzter Platz nach einem technischen Problem gefolgt von einer Disqualifikation wegen Frühstart unter schwarzer Flagge machten den Ambitionen des Teams ein jähes Ende. Gegen das konstante Norauto konnte es nichts mehr ausrichten.
Armin Strom findet zu Form zurück
Zufrieden sein kann hingegen Armin Strom. Das Team mit Flavio Marazzi fing sich nach dem enttäuschenden 6. Platz in Malcesine wieder und zeigte sich in Palma von einer ganz anderen Seite. „Unser Team ist jung und seit letztem Jahr haben wir viel gearbeitet. Die Fortschritte des Teams stimmen zuversichtlich“, freute sich Marazzi, der auch als Klassenpräsident der GC32 amtet. Dieses Jahr steuert er die GC32 nicht selbst, diese Aufgabe übernimmt Phil Robertson, der Sieger der World Match Racing Tour 2016 aus Neuseeland. Zwei Events stehen noch aus, bis der Sieger der diesjährigen GC32 Racing Tour bekannt ist. Der erste findet vom 22. bis 25. September im spanischen Sotogrande, nur ein paar Kabellängen vom Gibraltar-Felsen entfernt, statt. Falls sich dort wie erwartet der warme Ostwind Levante einstellt, dürften die hohen Wellen die Foiler erneut auf eine harte Probe stellen. Schauplatz des Schlussevents ist Frankreich, wo am Marseille One Design auf dem gleichen Regattarevier GC32, Moth, Flying Phantom und Nacra 20 FCS zusammenkommen. An diesem adrenalinhaltigen Treffen werden wahrscheinlich Tilt und Norauto den Titel unter sich ausmachen. Offener dürfte der Kampf um den dritten Podestplatz sein. Sowohl Armin Strom als auch das vom Olympiasieger von London Freddy Lööf gecoachte schwedische Team Gunvor, die Amerikaner auf Argo und die sich kontinuierlich steigernden Monegassen auf Malizia können sich noch Chancen ausrechnen.
Auf Wachstumskurs
Die Klasse der an den beiden grossen Touren vertretenen GC32 erreicht langsam eine kritische Grösse, die sie immer interessanter werden lässt. Bezeichnend dafür ist das wachsende Teilnehmerfeld der GC32 Racing Tour. Es hat sich gegenüber dem Vorjahr von fünf auf zwölf Teams vergrössert. Und auch der Bootswechsel der Extrem Sailing Series, die dieses Jahr erstmals auf GC32 ausgetragen werden, untermauert die Begeisterung für die Bootsklasse. Class Manager Christian Scherrer versucht zwischen den beiden Touren Synergien zu schaffen. Die Voraussetzungen dafür seien vorhanden, betont er: „Die Klasse ist grösser geworden und vertritt alle Eigner einer GC32. Folglich sind auch Teilnehmer der Extreme Sailing Series vollwertige Mitglieder. Sie haben die Klassenvorschriften angenommen und sind so zu Partnern geworden. Wir leiten die Besucher unserer Internetplattform deshalb direkt auf die Website der Regatta weiter. Von einigen Seiten wurde befürchtet, dass zwischen den beiden Wettkämpfen eine Konfliktsituation entstehen könnte. Bisher hat sich diese Befürchtung aber nicht bewahrheitet. Die Klasse setzt sich dafür ein, dass möglichst viele Regatten ausgetragen werden. Ich hoffe einfach, dass die Eigenheiten der Extreme Sailing Series und der GC32 Racing Tour vom Publikum mit der Zeit besser verstanden werden“.*
Das rasante Wachstum der GC32-Flotte wirft natürlich auch eine Menge Fragen auf, insbesondere im Bereich der Sicherheit. Franck Cammas Trainingsunfall im Herbst 2015 hatte für viel Gesprächsstoff gesorgt, aber es sind vor allem die grösseren Teilnehmerfelder, die die Organisatoren veranlassen, die nötigen Massnahmen zum Schutz der Teams zu treffen. „Nach Riva haben wir realisiert, dass wir für Regatten mit zehn Booten und mehr das Expertenwissen eines Sicherheitsfachmanns brauchen“, bestätigt Scherrer. „Also haben wir den America’s-Cup-erfahrenen Henrik Norberg engagiert. Er arbeitet eng mit dem PRO zusammen, ist bei den Regatten ständig auf dem Wasser und stellt die Koordination mit den Landteams sicher.“ Während an den ersten Events noch mehrere Verletzte zu beklagen waren, vor allem, weil die Boote abrupt bremsen, sobald sich die Foils aus dem Wasser heben, sollte die zunehmende Erfahrung der Teams mit den Flugtechniken diese negative Bilanz verbessern und die Segler besser schützen. Ein Grund, sich gegen die GC32 zu entscheiden, scheint dies aber nicht zu sein, denn der Zustrom ist ungebrochen. Es haben so viele Teams Interesse angemeldet, dass die Klasse mit dem Gedanken spielt, schon nächstes Jahr ihre erste Weltmeisterschaft auszurichten.
Extreme Sailing Series: Alinghi mit intakten Titelchancen
Arnaud Psarofaghis und die Rot-Schwarzen von Alinghi verpassten Mitte Juli in Hamburg den Sieg um einen winzigen Punkt. Dabei war der diese Saison fast unschlagbare Morgan Larson mit Oman Air denkbar schlecht in den letzten Lauf gestartet. Er behielt aber die Nerven, kämpfte sich vom letzten auf den vorletzten Platz vor und vereitelte damit den zweiten Saisonsieg von Alinghi. Vor dem Act in Sankt-Petersburg im September belegt Alinghi somit Platz 3. Bis zum Schlussevent im Dezember in Australien kann aber noch viel passieren.