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Gitana-Saga schreibt ein neues Kapitel

von Quentin Mayerat

Training mit der MOD 70 Gitana X, die vor Kurzem mit asymmetrischen Foils ausgestattet wurde © Yvan Zedda/Gitana SA

Anfang Mai herrschte in der Multiplast-Werft in Vannes frühjährliche Aufbruchstimmung, was nicht nur an der Jahreszeit lag. Das Team Gitana stellte seinen neuen 60-Fuss-Einrümpfer vor und gab den Bau eines Maxi-Mehrrümpfers bekannt, der im Sommer 2017 fertiggestellt werden soll. „Wir wollen die jüngsten technologischen Fortschritte auf dem Gebiet der Tragflächen für die Konstruktion eines Hybrid-Multihulls für Hochseerennen nutzen“, sagt Teamchef Cyril Dardashti über das Ziel der neuen Konstruktion. Für sein Team sei dies eine einmalige Chance: „Dank der Unterstützung von Ariane und Benjamin de Rothschild, die mit ihrem Engagement die seit 1876 bestehende französisch-schweizerische Tradition weiterführen, kann sich das Gitana Team in das Abenteuer eines Meeresgiganten stürzen. Dieser Bau ist für uns ein echter Glücksfall, schliesslich stehen wir an der Schwelle einer neuen Bootsgeneration. Unsere Designteams sind schon seit vielen Monaten mit der Ausarbeitung des Konzepts beschäftigt.“

Ein strahlender Sébastien Josse (rechts) fliegt mit der GC 32 Gitana Edmond de Rothschild durch die Baie de Quiberon. © Jean-Guy Python

Bis das neue Boot fertiggestellt ist, trainieren Sébastien Josse und sein Team das Foilersegeln in der Bucht von Quibéron auf der GC32 und der MOD70 Gitana XV.

Die 60’ Gitana 16 mit „tragenden“ Schwertern. Sie soll an der Vendée Globe 2016 an den Start gehen. © Olivier Michon/Gitana SA

Fliegender Offshore-Mehrrümpfer

Gitana hatte seinen 23-Meter-Trimaran an der Route du Rhum 2014 mit T-förmigen Ruderblättern ausgerüstet, um gegen die 30- bis 40 Meter langen Kolosse bestehen zu können. Mit Erfolg: Sébastien Josse wurde 3. Der Podestplatz zeigte, dass man auf dem richtigen Weg war. Jetzt konnte die zweite Projektphase in Angriff genommen werden. Sie bestand darin, den Trimaran auf hoher See zum Fliegen zu bringen. Dazu wurde er im letzten Winter mit asymmetrischen Tragflächen (L-Foils an Backbord und C-Foils an Steuerbord) und grös-seren T-förmigen Ruderblättern ausgestattet. Seither nutzen Sébastien Josse und seine Männer jede Gelegenheit zum Segeln, um möglichst viel Erfahrung zu sammeln.

Sébastien Josse auf dem Rumpf seiner brandneuen 60’ Gitana 16 in der Multiplast-Werft im französischen Vannes © Jean-Guy Python

Es ist bestimmt nützlich, einem Boot mehr Auftrieb zu verleihen, um den Reibungswiderstand zu verringern, aber kann eine MOD70 mitten auf dem Meer bei fünf Meter hohen Wellen wirklich fliegen? Josse gibt sich bedeckt: „Es geht eigentlich immer um das Gleiche. Wenn es regnet, fährt ein Formel-1-Auto auch nicht mit 350 km/h. Die Fahrer gehen vom Gas, weil der Untergrund die Bodenhaftung der Autos beeinträchtigt. Beim Segeln ist das nicht viel anders. Worauf es ankommt, ist gesunder Menschenverstand und seglerisches Feingefühl. Bei viel Wellengang und rauer See wartet man, bis der Wind auf 15 Knoten abgeflaut ist und die Wellen zwei Meter nicht übersteigen. Es ist alles eine Frage der Dosierung. Natürlich ist es nicht möglich wie auf einer AC72 mit Flügelsegel mit 40 Knoten zu fliegen, wir haben es aber auch mit einem Offshore-Boot zu tun. Man kann also auf hoher See durchaus fliegen, muss dabei aber seinen seglerischen Verstand einschalten.“

32, 60, 70, 120 Fuss…

Wird eine GC32 gleich gesegelt wie eine MOD70? Sébastien Josse verneint: „Ich habe Erfahrung auf Moth und GC32. Eigentlich haben die beiden nur eine Gemeinsamkeit: Man muss herausfinden, wo die Grenzen liegen und sich immer wieder die gleiche Gretchenfrage stellen: Will man mit 35 Knoten 50 Meter weit fliegen und dann auf die Nase fallen oder bei 28 Knoten bleiben und die Strecke zu Ende segeln? Die MOD70 lässt sich nicht so schnell beschleunigen, weil sie für Hochseebedingungen konzipiert wurde und ihre Struktur deshalb schwerer ist. Unter bestimmten Umständen können die Foils den Trimaran über die Wellen heben, unter anderen aber muss man vernünftig sein und bremsen. Das Boot ist nicht dafür gemacht, die vom ständigen Auf und Ab verursachten Schläge einzustecken. Heute sind es die Windstärke und der Seegang, die der Bootsgeschwindigkeit Grenzen setzen. Ich persönlich versuche nicht allzu draufgängerisch zu sein. Zwar suche ich ab und zu die Grenzen, aber nach zwei oder drei Warnschüssen komme ich wieder zur Vernunft.“

Volles Programm

Sébastien Josse ist an allen Fronten anzutreffen. 2016 startet er mit der neuen, ebenfalls mit Foils ausgestatteten 60’ Gitana 16 an der Vendée Globe. „Auf einer Imoca sind es eher die Schwerter, die das Boot anheben. Fliegen kann das Boot damit aber nicht. Schliesslich wiegen allein schon die Kiele vier Tonnen. Durch die Schwerter gewinnen wir aber gut und gerne zwei Knoten“, erklärt der Skipper. Er will mit der im Juli eingewasserten Gitana 16 dieses Jahr die Transat Jacques Vabre bestreiten. 2016 folgt dann The Transat und 2016/17 die Vendée Globe.

Zusätzlich zu diesen ambitionierten Projekten plant Gitana Team den Bau eines 34 bis 35 Meter langen Offshore-Giganten. Der Rennstall hat mit dem Maxi-Mehrrümpfer Grosses vor. Er soll in der Lage sein, die Welt um die drei Kaps zu umrunden und sich sowohl einhand als auch im Team segeln lassen. Das Besondere ist aber seine Vielseitigkeit. Die neue Gitana soll abhängig von den Bedingungen sowohl traditionell im Wasser als auch fliegend segeln können.

Diesen Sommer will Josse mit seiner GC32 den Genferseeschwänen einheizen. „Wir nehmen zum ersten Mal an der Bol d’Or teil. Wenn der Wind stark genug ist und wir mit der GC32 Gitana Edmond de Rothschild fliegen können, wird sich zeigen, wer schneller ist, die D35 oder wir.“ Trotzdem gibt sich Josse bescheiden: „Den See richtig zu lesen scheint schwierig zu sein. Da ist Zurückhaltung und ein gewisses Mass an Demut gefragt.“

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