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Hinter den Kulissen des Design Teams von Alinghi Red Bull Racing

by Quentin Mayerat

Im Wettstreit um die Silberkanne ist die Konzeption des Bootes eine entscheidende Phase, bei der es auf jedes noch so kleine Detail ankommt. Die Fachleute des Design Teams spielen dabei eine zentrale Rolle. Mit ihrem Know-how und ihren Computerprogrammen machen sie die Jacht schnell und konkurrenzfähig. Der spanische Konstrukteur Marcelino Botin, eine Koryphäe des Schiffdesigns, und die Genfer Ingenieurin und FoilEnthusiastin Aurore Kerr, gewähren uns einen Blick hinter die Kulissen.

Text: Jacques-Henri Addor

Auf Marcelino Botins Reissbrett sind schon eine ganze Reihe erfolgreicher TP52 entstanden, darunter Pisco Sour, die Siegerjacht des Breitling MedCups 2005, Quantum Racing, die 2008 den Audi MedCup gewann, und die ORC-Europameisterin 2021 Xio. Das von ihm 1995 in Santander gegründete Designbüro Botin Partners hat zudem mehrere VOR70 wie Ken Reads’ Puma oder die Camper von Emirates Team New Zealand und Maxis wie Cannonball (72’), Bella Mente (72’), Robertsissima (72’) und die Deep Blue (85’) von Wendy Schmidt entworfen. Marcelino Botins Handschrift findet man bei allen Regatten, an der Rolex SydneyHobart ,dem Fastnet und der Middle Sea ebenso wie an den ORCund IRCWeltmeisterschaften, den Voiles de Saint-Tropez, dem Carribbean 600, dem Japan Cup und vielen anderen. Marcelino Botin stammt aus der Eigentümerdynastie der Banco de Santander, der 16.-grössten Bank der Welt. Seinem Vater Jaime gehört der 64,50 Meter lange Dreimasters Alix.

Eine waschechte Genferin

Aurore Kerr segelt freizeitund wettkampfmässig seit ihrer Kindheit und ist als Strukturingenieurin eine der Säulen des Design Teams von Alinghi Red Bull Racing (ARBR). Die Genferin arbeitet zudem als Segelinstruktorin im Yacht Club de Genève, wo sie auch im Vorstand sitzt, und regattiert auf Nacra und Viper in der Klasse F16. Nach ihrem Bachelor in Maschinenbau an der ETH Lausanne spezialisierte sie sich auf die Bereiche Flüssigkeiten und Strukturmechanik. Mit dem Master in der Tasche heuerte sie als Strukturingenieurin beim Challenger American Magic des New York Yacht Clubs an, wo sie sich hauptsächlich mit der Foilerstruktur befasste. Parallel dazu war sie als Produktionsingenieurin für das Projekt SP80 tätig. Es besteht im Bau eines kuriosen Gefährts, das von einem Kite gezogen mit ventilierenden Foils 80 Knoten erreichen soll. Im Design Team von ARBR ist sie für die Strukturanalyse der Foils – ihrem Lieblingsthema – zuständig.

18 Jahre im AC Cup

Marcelino Botin kam erstmals 2004 mit dem America’s Cup in Berührung. Damals schloss er sich zusammen mit seinem Geschäftspartner Adolfo Carrau aus Uruguay, der sein Handwerk ebenfalls bei German Frers in Mailand gelernt hatte, Team New Zealand für die AC32-Kampagne an. 2013 engagierte ihn Luna Rossa Challenge für die AC35-Kampagne und 2017 wurde Botin Partners vom amerikanischen Terry Hutchinson für das Syndikat American Magic des New York Yacht Clubs verpflichtet. An dessen wilden Abflug im Golf von Hauraki erinnern wir uns alle noch zu gut.
«Der nächste America’s Cup wird hochinteressant», prophezeit Marcelino Botin. Dass der Cup zurück in Europa ist, sieht er positiv:
«Nach Barcelona werden mehr Leute kommen und die Medien werden wieder häufiger über die Regatten berichten.»
Die Boote haben sich seither stark weiterentwickelt. «Sie werden leichter sein, längere Foils haben und schneller abheben. Die Kenntnisse über hydrodynamische und aerodynamische Phänomene haben sich enorm verbessert», bestätigt Aurore Kerr. Werden die Jachten noch schneller sein als im Jahr 2021? Marcelino Botin wagt keine Prognosen: «Um zu gewinnen, muss man nicht extrem viel schneller sein als die anderen, etwas schneller reicht

auch. Trotzdem wird man im Vergleich zu 2021 Fortschritte sehen. Dabei spielen auch die Regeländerungen eine Rolle.»

Der Countdown läuft

Das Design Team von ARBR steht vor ebenso kolossalen wie schwierigen Aufgaben. Aurore Kerr vergleicht sie mit einem Marathon. «Wir sind als letzte gestartet und müssen ihn jetzt im Sprint absolvieren. Aber unsere Leute sind jung, talentiert und lernbegierig», relativiert sie. Auch Marcelino Botin ist optimistisch: «ARBR ist ein neues Team. Die anderen nehmen schon seit vielen Jahren am America’s Cup teil, sind viel erfahrener und äusserst stark. Klar sind sie diesbezüglich im Vorteil, wir müssen uns trotzdem nicht verstecken, denn wir haben ebenfalls viele erfahrene Mitglieder und hervorragende Manager.»
ARBR, das seine Teilnahme am 14. Dezember 2021 bekannt gegeben hat, blieb keine Zeit für Vorgeplänkel. Die Zeit drängt. «Wir haben die ETNZ 1 gekauft, sie wird uns als Trainingsboot dienen», so Marcelino Botin. «Für uns ist es sehr wertvoll, denn es liefert uns eine Fülle an Informationen zum Design. Es wird in Barcelona stationiert sein und wir werden so schnell wie möglich mit dem Training beginnen. Derzeit arbeitet der Grossteil des Teams in der Schweiz, in Genf und Ecublens bei Décision, wo das Boot für den America’s Cup gebaut wird. Bald schon werden viele von ihnen nach Barcelona reisen, um die Basis und das Boot vorzubereiten.»
Aurore Kerr arbeitet bereits in Barcelona und freut sich auf die bevorstehenden zwei Jahre. «Als Neuling haben wir Anspruch auf zwanzig zusätzliche Trainingstage. Wir werden versuchen, unser BoatZero so schnell wie möglich segelfertig zu machen. Für eine junge Schweizerin wie mich ist es eine Wahnsinnschance, an einem solchen Projekt teilnehmen zu können. Und Alinghi Red Bull Racing ist wirklich ein aussergewöhnlich spannendes Team.»

MARCELINO BOTIN, PRINCIPAL DESIGNER VON ALINGHI RED BULL RACING
AURORE KERR, STRUKTURINGENIEURIN BEI ALINGHI RED BULL RACING, VERANTWORTLICH FÜR DIE FOILERSTRUKTUR

Kraftpaket aus dem Rudersport


Zu den ersten 14 Crewmitgliedern kam mit dem Schweizermeister im Rudern Nico Stahlberg vor Kurzem ein weiterer Topathlet hinzu. Der 31-jährige Thurgauer aus Schönenberg trainiert 20 bis 30 Stunden pro Woche und konnte in seiner Sportlerkarriere schon etliche Erfolge feiern. Sein Nachname prädestiniert ihn geradezu für die Powergroup. Nico Stahlberg ist aber nicht nur körperlich, sondern auch mental extrem stark. Diese Qualitäten haben ihm international nach ganz oben gebracht. Er startete an den Olympischen Spielen 2012 in London und 2016 in Rio und wurde 2017 FISA-Weltmeister.
Den Segelsport entdeckte der Ostschweizer während eines Trainingsund Sprachaufenthalts in Australien. Er fing sofort Feuer: «Ich liebe Wasser, aber auch die Berge, wo ich mit dem Bike und im Winter mit den Tourenski unterwegs bin. Mithilfe einer meiner australischen Freunde wurde ich als Grinder auf der 30-Meter-Jacht Bacardi engagiert. Es hat mir sofort gefallen. Segeln ist spannend und faszinierend. Man muss genau sein, im Team arbeiten und zusammenspielen.»
Er müsse zwar noch das gesamte Segelvokabular lernen, so Nico, er sei aber nicht der erste America’s-Cup-Teilnehmer, der von einer anderen Sportart komme. Bereits 2021 waren Ruderer dabei, bei Alinghi Red Bull Racing sind es sogar deren drei: Augustin Maillefer, Barnabé Delarze und Nico Stahlberg, hinzu kommt der Radfahrer Théry Schir. Bis 2024 sollten sie alle seefest sein.

Alinghi Red Bull Racing – Das Segelteam

Maxime Bachelin, 24 Jahre – Driving Group
Matias Bühler, 39 Jahre – Driving Group
Arthur Cevey, 26 Jahre – Power Group
Nicolas Charbonnier, 41 Jahre – Driving Group
Lucien Cujean, 33 Jahre – Driving Group
Barnabé Delarze, 28 Jahre – Power Group
Yves Detrey, 43 Jahre – Driving Group
Augustin Maillefer, 29 Jahre – Power Group
Bryan Mettraux, 32 Jahre – Driving Group
Arnaud Psarofaghis, 33 Jahre – Driving Group
Nicolas Rolaz, 22 Jahre – Power Group
Théry Schir, 29 Jahre – Power Group
Nico Stahlberg, 31 Jahre – Power Group
Nils Theuninck, 25 Jahre – Power Group
Florian Trüb, 28 Jahre – Power Group

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