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Hut ab, Herr Stamm!

von Quentin Mayerat

Ein senkrechter Strich am Horizont, zwischen der gebirgigen Küste und einem Cargo. Wind zwischen 15 und 20 Knoten. Ein graues Meer, auf das der Wind kleine Schaumkronen zaubert. Gott sei dank hat es an diesem Montag, dem 30. April aufgehört zu regnen! Vom Wellengang geschüttelt fährt die Flotte Bernard Stamm entgegen. Er legt die letzten Meilen der Velux 5 Oceans, der Einhand-Weltumsegelung mit Zwischenstopps zurück. Der Doppelerfolg ist in Griffnähe. Nach der Around Alone von 2002-2003 und dem Rekordritt auf dem Katamaran Orange 2 wird er in wenigen Minuten seine dritte Weltumsegelung beenden.
Bernards treue Helfer Jeff und Xavier erkennen den imposanten Gennaker bereits von weitem. Plötzlich bricht Freude aus. Hupen, Rasseln und Nebelhörner verursachen einen Riesenlärm, es wird gejubelt und geklatscht. Stamms Lebensgefährtin Catherine und ihre zwei Kinder gehen an Bord. In Begleitung seiner besten Freude steuert Bernard den Hafen von Bilbao an. Die Basken bereiten ihm einen enthusiastischen Empfang. Zwei Schiffe und Wasserkanonen bilden die Kulisse; Knaller, Raketen und Spruchbänder bringen Farbe in den grauen Himmel. Es wird geweint und gelacht. Heute schliesst sich das Buch der wunderbaren Abenteuer der Superbigou, dem von Bernard 1999 eigenhändig gebauten Boot. Ab heute geht das Abenteuer mit der ehemaligen Virbac von Jean-Pierre Dick, mit Cheminées Poujoulat, der Bank Landolt und seinen anderen Partnern weiter.

Der Anlegesteg bricht unter dem Gewicht der Journalisten und Freunde fast zusammen. Bernard beschliesst, Protokoll Protokoll sein zu lassen. Sein Hauptkonkurrent, der Japaner Kojiro Shirashi, hat die Linie 43 Minuten und 10 Sekunden nach ihm gekreuzt. Eine Lappalie! Der faire Sieger bleibt an Bord und wartet. Spirit of Yukoh legt an. Die Umarmung der beiden Seemänner ist Gold wert. Sie haben in den letzten 24 Stunden des Rennens für Hochspannung gesorgt. In einem letzten Gefecht machte «Koji» Jagd auf Stamm und kam ihm gefährlich nahe. Ein Endspurt und krönender Abschluss. Bernard brauchte für die Strecke von Norfolk nach Bilbao 11 Tage, 23 Stunden und 53 Minuten. Damit schliesst er die 31’337 Meilen dieser Weltumsegelung mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 12,56 Knoten. Er hat 103 Tage, 22 Stunden und 10 Minuten auf dem Meer zugebracht – mutterseelenallein!

Beim Start in Bilbao im Oktober 2006 hatte ihm diesen Erfolg niemand zugetraut. Damals wurden Mike Golding (Ecover) und Alex Thompson (Hugo Boss) bei den englischen Buchmachern als Topfavoriten gehandelt. Sie verfügten nicht nur über je acht Helfer pro Boot, sondern auch über das grösste Budget. Beim Schweizer Skipper werkelten nur gerade zwei Helfer auf der Yacht, während sich Catherine an Land um die Logistik kümmerte. Ein Konkurrent sticht aus der Menge hervor, er beeindruckt. Kojiro spricht nur japanisch. Schwer abzuschätzen, zu welcher Leistung der Spezialist der 40-Fuss-Yachten mit der ehemaligen Open 60 von Dominique Wavre (Temenos) fähig sein wird. Eine ganz andere Frage stellt sich in Bezug auf die lebende Legende Sir Robin Knox-Johnston. Wie wird der erste Einhand-Weltumsegler der Welt (1969) mit seinen stolzen 68 Jahren die körperlichen Strapazen meistern? Unai, der Baske und Graham Dalton, der Kiwi stellen sportlich keine ernst zu nehmende Bedrohung dar. Pechvogel Tim Troy wird der Start wegen einer Regelwidrigkeit am Boot verweigert.
Kurz nach dem Start in Bilbao verursacht ein heftiger Sturm bei den meisten Konkurrenten Havarien. Sie sind gezwungen spanische und portugiesische Häfen anzulaufen und müssen dafür 48 Stunden Strafzeit absitzen. Bernard hat Catherine vor dem Start seine Zweifel anvertraut. Er ist der einzige Teilnehmer, der die Wetterlage richtig eingeschätzt hat. Dadurch kann er dem Sturm mit Böen bis zu 70 Knoten ausweichen, einen Notstopp vermeiden und sein Material unbeschadet durch die Hölle des Cap Finistère bugsieren. Die Weichen für den Gesamtsieg sind gelegt.
Die Freude des Schweizer Skippers währt jedoch nicht lange. Sie kühlt merklich ab, als er feststellt, dass er die Fleece-Jacken in Bilbao im Hotel vergessen hat. Im Südpazifik werden die Telefongespräche mit Bernard von Zähneklappern untermalt. Seinen Neuronen scheint die Kälte jedoch nichts anhaben zu können. Im gefürchteten „Pot-au-Noir“ liegt er in Führung. Er spielt mit den Flautenlöchern Katz und Maus, bevor endlich wieder der Passatwind des Südatlantiks die Segel bläht. Bernard friert nicht nur, er rationiert auch seine Nahrung. Ein warmes Essen alle zwei Tage muss reichen. In Fremantle bringt er acht Kilo weniger auf die Waage! Auf der langen Etappe zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und Fremantle verliert Alex Thomson seinen Kiel. Mike Golding dreht sofort um, kommt seinem Landsmann zu Hilfe und nimmt ihn an Bord. Einige Stunden später müssen die beiden Segler zusehen, wie der Mast der Ecover oberhalb der Unterwanten bricht. Es ist gut möglich, dass das Rigg beim Amwindkurs während der Rettungsaktion schwer beschädigt wurde.
In Fremantle geben die beiden Engländer offiziell auf. Stamm lässt sich durch das Ausscheiden seiner beiden Hauptrivalen nicht aus dem Konzept bringen. Während des australischen Zwischenstopps nimmt er an seinem Boot einige Verbesserungen vor. Als kleines Zugeständnis an den Komfort werden eine kleine Heizung und Sonnenkollektoren installiert. Währenddessen baut der Skipper seine Muskeln, die er in der ersten Etappe verloren hat, wieder auf. Die zweite Etappe von Fremantle nach Norfolk ist eine strategische Meisterleistung. Drei richtige Entscheidungen geben Kojiro den Rest. In Norfolk hat Stamm 14 Tage Vorsprung, zwölf davon hat er zwischen

Australien und den USA ersegelt. Er ist glücklich, dass er das Kap Hoorn am Tag gerundet hat: „Das Meer ist dort völlig entfesselt und die Wellen haben eine unglaubliche Kraft.“ Verglichen mit den beiden ersten ist die dritte Etappe ein Zuckerschlecken. Es ist genug zu essen an Bord, damit das Rennen im Falle einer Entmastung auch mit einem Notrigg zu Ende gesegelt werden kann. Jetzt trimmt Bernard seine neue Cheminées Poujoulat wettkampftauglich. Nach dem Calais Round Britain Race und der Fastnet will er damit das Barcelona World Race bestreiten. Die Zweihandregatta startet im November 2007.

www.bernardstamm.com
www.velux5oceans.com

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