Von den 161 J/70, die sich im September zur WM in Porto Cervo eingefunden hatten, segelten 13 unter Schweizer Flagge. Sie konnten zwar gegen die Profiteams nichts ausrichten, die Begeisterung für die junge Bootsklasse hat aber mittlerweile die ganze Schweiz erfasst.
Eine Kielboot-Flotte mit 161 Jachten, das hatte es noch an keiner WM gegeben! Die Schweiz war hinter Italien und Deutschland die drittstärkste Delegation. Eigentlich wären sogar sieben Boote mehr dabei gewesen (fünf aus Italien, eines aus England und eines aus Russland), hätte die WM in Porto Cervo nicht mit einem kleinen Skandal begonnen. Die Vermesser hatten einige Teams im Verdacht, nicht mit sauberen Karten zu spielen. Ihre Vermutungen bestätigten sich. Sieben hatten an ihrem Kiel unrechtmässige Änderungen vorgenommen und wurden ausgeschlossen. Eine harte, unanfechtbare Strafe, die aber durchaus vertretbar ist. Schliesslich verstösst bei den J/70 alles, was nicht ausdrücklich in den Vorschriften festgehalten ist, gegen die Regeln. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Einheitsklasse erfüllt bleiben. Für Schummler ist hier kein Platz.
Eine harte Nuss

Klasse mit Strukturierungsbedarf
In diesem Bereich besteht tatsächlich Nachholbedarf. Die J/70 erhielten zwar in der Schweiz durch die Swiss Sailing League starken Aufwind, die Klasse muss aber weiter wachsen, damit sie mit den grossen internationalen Anlässen vergleichbare Regattaformate anbieten kann. Dieses Ziel will Tobias Rüdlinger, der Vizepräsident der Swiss J/70 Class Association und Mitglied des RC Bodensee, mit gezielten Massnahmen erreichen: „2017 haben wir im Rahmen des Swiss Cups drei Events organi-siert. 2018 möchten wir vier oder sogar fünf durchführen. Ausserdem möchten wir unsere Präsenz in der Romandie erhöhen und von Swiss Sailing anerkannt werden. Wir sind auf gutem Weg“, sagt er. Andere Teams, wie das des Centre d’Entraînement à la Régate, erhoffen sich durch ein intensiveres Training bessere Resultate. Nelson Mettraux bestreitet daher mit seiner Mannschaft die Monaco Winter Series. „Eines unserer Boote ist diesen Winter in Monaco stationiert“, erklärt er, „so können möglichst viele Mitglieder während der Winterpause dort segeln. Ausserdem verzichtet ein Team nächstes Jahr auf die Bol d’Or Mirabaud, um an der gleichzeitig stattfindenden EM in Vigo anzutreten.“
Ideales Boot am Nerv der Zeit

Nicolas Anklin versteht den Siegeszug der J/70, auch er schwärmt von dem Boot: „Es eignet sich für alle, ist sportlich, entwicklungsfähig, aber nicht extrem. Ausserdem ist es technisch anspruchsvoll wie ein 470er, kommt Jollenseglern entgegen und macht im Team Spass.“ Kein Wunder, ist die Nachfrage so gross. Jetzt müssen sich die immer zahlreicheren J/70-Fans nur noch entscheiden, wo sie ihr Talent beweisen wollen: an der Swiss Sailing League, am Swiss Cup, an den Monaco Winter Series oder am Alcatel Cup in Italien.
