Die neuste Gitana der Familie Rothschild – Gitana, die 17. – wurde im Juli zu Wasser gelassen. An der anstehenden Transat Jacques Vabre erlebt sie ihre Hochsee-Feuertaufe. Der Offshore-Multi der Ultime-Klasse dürfte sich als Überflieger erweisen.
„Wir sollten bis zu 50 Knoten schaffen, zumindest auf dem Papier, obwohl auf einem solchen Boot Spitzengeschwindigkeiten weniger wichtig sind als die Fähigkeit, konstant schnell zu segeln“, sagte der Konstrukteur des Trimarans Guillaume Verdier. Wenn die Aussage des Designers stimmt, dürfte die Gitana 17 die Konkurrenz buchstäblich stehen lassen. Ausgestattet mit drei aufholbaren T-Foils an den Rudern, zwei seitlichen L-Foils und einem rochenförmigen Flügel unter dem Zentralschwert will der Offshore-Riese um die Welt fliegen. „Wir haben für maximale Aerodynamik gesorgt“, sagt Verdier. Bei Geschwindigkeiten von knapp 100 km/h ist der möglichst geringe Luftwiderstand ein entscheidendes Kriterium. Am sichtbarsten wird das Bestreben nach Aerodynamik an den windschnittigen Verkleidungen der Ruder hinter den Schwimmern und dem stromlinienförmigen Roof oberhalb des Steuerstands. Technologisch geht der von der Familie Rothschild finanzierte und von Sébastien Josse gesteuerte Maxi-Tri komplett neue Wege. Foilend um die Welt zu segeln ist plötzlich gar nicht mehr so abwegig.
Ultimative Boote
Mit ihren 32 Metern Länge, 23 Meter Breite und 32 Metern Höhe, ihren 15 Tonnen und sechs Anhängen erfüllt die Gitana 17 die Vorgaben des Ultime-Kollektivs und ist an der Einhand- Weltumsegelung der Mehrrümpfer, die 2019 in Brest startet, somit teilnahmeberechtigt. Nicht konform ist einzig die Steuerung einiger Flugparameter durch das selbstregulierende Steuersystem für die Ruderflaps. „Wir haben ein relativ braves Boot gebaut, das problemlos fliegt“, kommentierte Cyril Dardasthi, der CEO des Gitana- Teams. „Der Flug kann mit diesen Steuerungstechniken zusätzlich optimiert werden und den Skipper entlasten. Das Ultime-Kollektiv akzeptiert solche Systeme allerdings noch nicht. Für uns ist das kein Problem, denn wir können es ausschalten, sodass wir die jeweiligen Regattavorschriften erfüllen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass das Kollektiv seine Meinung früher oder später ändert. Derzeit befinden sich mehrere vergleichbare Boote im Bau und ich denke, dass bald alle foilen wollen. Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.“ Details zum System verrät der CEO des Rennstalls nicht. Er deutet lediglich an, dass dem Energiemanagement besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Schliesslich soll der Generator möglichst wenig zum Einsatz kommen.
Dardasthi weiss, dass es mit der Entwicklung und dem Bau des Trimarans längst nicht getan ist. Ebenso wichtig sind die ständige Weiterentwicklung und Verbesserung: „Die Lebensdauer einer Plattform ist relativ hoch. Wir können den Trimaran rund zehn Jahre so optimieren, dass er immer top bleibt“, so der CEO.
Transat Jacques Vabre im Fokus
Sébastien Josse, der sich beim Einwassern des Bootes sehr zurückhaltend gab (vermutlich war er in Gedanken bei der schwierigen Aufgabe, die ihn erwartete), hatte einen Sommer lang Zeit, das Monster zu bändigen. Am 5. November wird der Franzose dann mit Thomas Rouxel zur Transat Jacques Vabre aufbrechen.
Leider sind an diesem Klassiker von Le Havre nach Salvador de Bahia nur drei Ultime-Boote gemeldet: Prince de Bretagne mit Lionel Lemonchois und Bernard Stamm, Sodebo Ultim‘ mit Thomas Coville und Jean-Luc Nélias und natürlich die Gitana 17. Prince de Bretagne ist ein 80-Fuss-Multi, der 2012 aus einer 60-Fuss-Plattform entstanden ist und keine ernstzunehmende Konkurrenz darstellen dürfte. Trotz der beiden herausragenden und erfahrenen Skipper wird der schon etwas ältere Trimaran gegen die Boote der neusten Generation wohl kaum etwas ausrichten können. Ganz anders Sodebo Ultim‘. Der Trimaran hat einhand gerade einen neuen Weltumsegelungsund einen neuen Atlantikrekord aufgestellt und ist nicht zu unterschätzen, zumal das Team ihn bis ins kleinste Detail kennt. Auf dem Papier ist Gitana 17 haushohe Favoritin. Der momentane Überflieger Coville sollte Josse aber besser genau im Auge behalten.
Wie steht es mit den anderen Meeresriesen?
François Gabart, der mit seinem 30-Meter-Katamaran aus dem Jahr 2015 gerade The Bridge gewonnen hat, wird in Le Havre nicht am Start sein. Der junge Topsegler will versuchen, den Einhand-Weltumsegelungsrekord zu brechen und wartet auf ein günstiges Wetterfenster. Armel Le Cléac’h, der Sieger der Vendée Globe, muss wohl oder übel auf eine Teilnahme verzichten, da der Bau des Trimarans Banque Populaire IX in Verzug geraten ist. Die Designer wollten für den letzten Schliff abwarten, wie sich die Gitana 17 verhält. Yves Le Blevec startet mit seiner Ultime Actual ebenfalls einen Rekordversuch (Weltumsegelung in Gegenrichtung) und Spindrift steht diesen Herbst im Hinblick auf eine weitere Jules Verne Trophy in den Startlöchern. Das Programm von IDEC Sport ist noch nicht bekannt, fest steht aber, dass Francis Joyon dieses Jahr nicht an der Transat Jacques Vabre teilnimmt.
Für die Gitana 17 wird die Regatta trotz der kleinen Ultime-Flotte ein wichtiger Prüfstein sein. Und Thomas Coville wird seinen Konkurrenten bestimmt genau beobachten, um Erkenntnisse für seinen neuen, derzeit bei Multiplast im Bau befindlichen Trimaran zu gewinnen.
Trotz Transat Jacques Vabre und anderer Hochseerennen wird vor allem eine Regatta mit Hochspannung erwartet: die Einhand-Weltumsegelung der Mehrrümpfer, die 2019 in Brest startet. Mindestens vier topaktuelle Boote werden 2019 zu diesem ultimativen Rennen erwartet. Spezialisten gehen davon aus, dass es eine neue Ära einläuten wird.
Die Schweizer an der TJV
Unter den Teilnehmer der diesjährigen Transat Jacques Vabre sind auch drei Schweizer. Bernard Stamm bildet mit Lionel Lemonchois auf Prince de Bretagne ein Team. Alan Roura, der einen Sponsor für die Vendée Globe gefunden hat, wird seine neu erstandene Finot-Jacht aus dem Jahr 2007 zusammen mit Frédéric Denis testen. Und Justine Mettraux segelt an der Seite von Bertrand Delesne auf der Class 40 TeamWork 40.