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„Jüngling“ im besten Alter

von Quentin Mayerat

Sein Sohn war gerade mal zwei Wochen alt, als der Norweger Jan Linge 1967 eine kleine schlanke Kieljacht für ihn zeichnete und sie „Yngling“, zu Deutsch „Jüngling“, nannte. Doch mehr als den Säugling begeisterte das neue Design zunächst die nordischen Segler. Rasch fand der kleine Bruder der Soling vor allem in den nördlichen Ländern Europas starke Verbreitung und auch in der Schweiz gibt es noch heute etwa 300 Einheiten, die sich vor allem auf die drei grossen lokalen Flotten auf dem Thuner-, Zürich- und Hallwilersee verteilen.

Yngling-Segler kommen besonders aus den nördlichen Ländern Europas, hier an der WM auf dem Attersee. © Sport Consult

Weil der Yngling als gutmütig gilt, unsinkbar ist und mit klassischer Betakelung gesegelt wird, dient er häufig auch als Segelschul- und Clubboot. Die Sailcom Race Group Zürichsee beispielsweise besitzt sechs Schiffe, auf denen während der ganzen Saison jeden Dienstagabend – vor allem auch Damen – trainieren.

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Gregorini und Huber

Auf nationaler Ebene haben zwei Persönlichkeiten die Geschichte der Klasse geprägt: Rico Gregorini und Helene Huber. Segelmacher Gregorini vom Thunersee ist seit Beginn das sportliche Aushängeschild der Klasse. Er gewann 1977 den ersten vergebenen Meistertitel und gilt auch heute noch als der erfolgreichste Schweizer Yngling-Segler. Die Vorzüge des 6-Meter-Kielboots bringt er wie folgt auf den Punkt: „Es ist keine Portemonnaie-Klasse, du kannst hier auch vorne mitsegeln, ohne jedes Jahr mit neuem Material aufzurüsten. Ich glaube, dies ist der Grund, weshalb die Klasse so beliebt ist und wir immer noch so grosse Regattafelder haben. Als die Klasse 2008 nach zwei Olympiaden den olympischen Status als Frauenboot verlor, gab es auf dem europäischen Markt so tolle Angebote zu Spottpreisen, dass einige Schweizer zugegriffen haben. So hat die Swiss Yngling Association eher vom Verlust des Olympiastatus profitiert.“

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Eher hinter den Kulissen arbeitet die Aargauerin Helene Huber. Sie präsidiert die Yngling Association nunmehr seit 18 Jahren und kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Als sie Anfang der 1990er-Jahre ihr Amt antrat, waren die Aktivitäten der Yngling-Klasse ziemlich erlahmt und man konnte die Kriterien zur Durchführung einer SM nicht mehr erfüllen. Doch Huber hauchte der Klasse durch unermüdliche Aufbauarbeit neues Leben ein und es ist ihr Verdienst, dass die Swiss Yngling Association mit rund einem Dutzend gut besuchten Events jährlich wieder zu den aktivsten Schweizer Kielbootklassen zählt.

Zitterpartie SM

Mit Thomas Beck, Matthias Fahrni und Daniel Gerber gelang einem zweiten Team vom Thunersee der Sprung aufs Podest. © Sport Consult

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Kein Zufall ist es wohl auch, dass die Schweizermeisterschaft zum 40-jährigen Jubiläum der nationalen Klassenvereinigung von Helene Hubers Heimclub, dem SC Hallwil, organisiert und mustergültig vorbereitet wurde. Nur der Wind, der wollte an diesem letzten Septemberwochenende nicht so recht. Lediglich einen Leichtwindlauf konnte Wettfahrtleiter Mario Suter bei schönem Herbstwetter am Freitag durchführen, ein zweiter musste abgebrochen werden und nach dem Durchzug einer Gewitterfront in der Nacht blieb der Samstag bei Dauerregen völlig windlos. Es sah nicht gut aus. Schon im Vorjahr hatte man die nötigen Wettfahrten für eine SM nicht zustande gebracht, 2012 wollte man es unbedingt schaffen. Das Skippermeeting am Sonntagmorgen wurde deshalb vorverlegt. Tatsächlich begrüsste eine frische Bise die teils noch etwas übernächtigten Teilnehmer und man legte zügig los. Nur die aus einer gewissen Übermotivation resultierenden Massenfrühstarts behinderten zunächst noch eine speditive Abwicklung, doch nachdem die Blackflag gesetzt war, legte man vier Läufe im Eiltempo hin und bereits am frühen Nachmittag war die SM unter Dach und Fach.

Einziger Ausländer auch Sieger

Von den knapp 30 startenden Booten waren der Voralberger Klaus Diem und seine Frau Maria die einzigen ausländischen Teilnehmer. Bereits am Freitag hatten sie mit einem Sieg beim Leichtwindlauf den Grundstein zu ihrem Sieg gelegt. Mit zwei weiteren Laufsiegen am Sonntag liessen sie den Gegnern keine Chance und sicherten sich – nachdem sie im Sommer schon den Titel als Österreichische Staatsmeister gewonnen hatten – auch den Schweizer Meistertitel souverän. „Wir haben auf dem Bodensee praktisch keine Startmöglichkeiten und sind deshalb glücklich, hier in einem so grossen Yngling-Feld regattieren zu können. Es ist ein interessantes Revier, man muss sehr wach sein im Kopf, damit man die vielen Winddreher mitbekommt. Aber natürlich waren wir beide als Leichtgewichte bei Läufen mit wenig Wind im Vorteil“, meinte Klaus Diem nach der Regatta generös und gab damit dem zweitplazierten Rico Gregorini Recht, der monierte: „Wir hatten 80 Kilo mehr auf dem Schiff, das spürt man natürlich schon.“ Tatsächlich war Gregorini zu dritt unterwegs, bei Landesmeisterschaften lassen die Klassenregeln aber auch eine Zweimannbesatzung zu, was den Österreichern bei den vorherrschenden Bedingungen entgegengekommen war.

Ob es aber tatsächlich nur am Gewicht lag, wird sich im nächsten Jahr zeigen, dann werden die beiden Kontrahenten wieder aufeinandertreffen. Die Yngling-Weltmeisterschaft 2013 wird nämlich auf dem Urnersee in der Schweiz stattfinden. Das Ehepaar Diem wird sich dazu einen dritten Mitsegler besorgen müssen und dann wird mit gleichen Massstäben gemessen. Doch wenn der Urnersee seinem Ruf gerecht wird, werden sie ihn ohnehin gut gebrauchen können.

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