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Liebe auf den ersten Blick

von Quentin Mayerat

© Benoît de Gorski

Nichts prädestinierte Benoît de Gorski dazu, die 7-Meter-Jacht Endrick, die 1912 auf dem Reissbrett von William Fife entstanden ist und seit 1913 auf dem Genfersee ihre Bahnen zieht, von Grund auf zu restaurieren. Der Genfer Juwelier segelt zwar selbst, doch die Regatten bestritt er elf Jahre lang auf dem modernen Achter Gefion, mit dem er 2000 sogar die WM in Porto Santo Stefano und die Coppa d’Italia gewann.

© Benoît de Gorski

Es wurde auf jedes kleinste Detail geachtet: Sogar bei der Restauration des berühmten feuerspeienden Drachens, dem Markenzeichen von William Fife, stand die Detailtreue an oberster Stelle. © Benoît de Gorski

© Benoît de Gorski

Den Ausschlag für die Generalüberholung gab etwas anderes. Wie so oft trafen mehrere Faktoren zusammen. „Nachdem ich mich 2006 von Gefion getrennt hatte, fühlte ich eine grosse Leere“, erzählt Benoît de Gorski. „Ich liebe faire, gesellige Regatten, wie man sie nur mit einem treuen, kompetenten Team erlebt. Ich wollte diese unvergleichliche Atmosphäre unbedingt wiederfinden und genau in diesem Moment machte mich Fred Meyer darauf aufmerksam, dass die Endrick zum Verkauf stehe. Sie gehörte seit 1943 der kurz zuvor verstorbenen Genfersee-Legende „Léon“ Béchard. Das Marconi-Rigg war in einem denkbar schlechten Zustand, aber es war Liebe auf den ersten Blick. Mein Entscheid, die Jacht zu kaufen, stand sofort fest. Damals wusste ich aber noch nicht, dass sie mir ermöglichen würde, meine beiden grossen Leidenschaften, die Liebe für Schönes und für den Segelsport miteinander zu verbinden.“

Ähnlich wie die Gemälde, Skulpturen, antiken Marmorobjekte und anderen Kunstwerke, mit denen sich Benoît de Gorski gerne umgibt, berührt ihn das Boot durch seine flüssigen Linien. Die schöne Jacht aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken war aber eine langwierige, kostspielige und mühselige Aufgabe.

Auf nach Portugal

Zunächst wurde das Boot auf der Strasse nach Portugal gebracht, wo die auf Traditionsjachten spezialisierte Werft Absolute in Setubal sich des müden Oldtimers annahm und ihm unter dem fachkundigen Blick von Werftchef David Viera zu einer zweiten Jugend verhalf. „Sie leisten hervorragende Arbeit“, lobt der Bootsdesigner Thierry Berque, der die Restauration, die Feinarbeiten und die Anfertigung des Riggs betreute.

2009 wurden die Restaurationsarbeiten in Angriff genommen und eine Bilanz erstellt. Das Urteil war ziemlich vernichtend: Der Rumpf war zwar in einem guten Allgemeinzustand, sodass nur einige Bodenwrangen und Spanten ausgewechselt werden mussten, doch der gesamte Heckbereich war bis hin zum Steuer vollkommen morsch, es mussten ein neues Deck und zwei neue Cockpits her und das ganze Boot musste neu eingerichtet werden, damit es wieder mit dem ursprünglichen Gaffelrigg (Houari) getakelt werden konnte. Das Steuer und das Ruderblatt konnten hingegen erhalten werden und wurden sorgfältig renoviert. Vollkommen unverändert blieb der Kiel. „Der Achterbereich wurde bei früheren Reparaturen um 40 Zentimeter verkürzt, doch dank der im William Fife Museum gewissenhaft aufbewahrten Originalpläne war es relativ einfach, die ursprüngliche Form wiederzufinden“, sagt Thierry Berque und meint dann anerkennend: „Die Portugiesen haben wunderbare Arbeit geleistet. Beim Rohbau sind sie sehr geschickt.“

Benoît de Gorski verfolgte die Arbeiten begeistert mit und reiste unzählige Male nach Setubal, wo sein Werk langsam Formen annahm. Drei Schiffszimmermänner und David Viera waren ausschliesslich mit der Endrick beschäftigt. „Die Werft befindet sich in einer alten Halle, die nicht viel hermacht; die Maschinen sind einfach, aber das handwerkliche Können dieser bescheidenen Männer ist schlicht unglaublich“, betont Benoît de Gorski.

 

© Benoît de Gorski

Feinarbeiten in der Schweiz

2010 kam das Boot zurück in die Schweiz, wo die Werft von Philippe Durr in Versoix die Feinarbeiten vornehmen sollte. Zu diesem Zeitpunkt mussten auch einige kritische Entscheidungen getroffen werden. Sollten das Rigg und die Bedienelemente in ihrem Originalzustand belassen oder mit der nötigen Zurückhaltung modernisiert werden, um sie den Bedürfnissen eines nicht mehr ganz jungen Eigners und einer kleinen Crew anzupassen? „Wie hätte sich Fife entschieden“, hat sich Philippe Durr damals gefragt. Nach reiflicher Überlegung waren sich alle einig: „Die Jacht sollte sich sicher und ohne grosse Schwierigkeiten segeln lassen. Ein paar Änderungen waren dazu nötig. Die Jacht wurde mit 250 kg schweren AGM-Batterien ausgestattet, für die lediglich drei kleine Löcher in den hundertjährigen Rumpf wurden und die nicht nur einen kleinen, in der Achse des Ruderblattes montierten Elektromotor, sondern auch die Winschen für das imposante Grosssegel antreiben. Die Anlage wurde von Eric Tauxe unter Deck in der Mitte des Bootes installiert.

In der Werft am Genfersee wurde der Rumpf mit einem Hobel geglättet. Dann ging es ans Malen und Lackieren und schliesslich waren das Rigg und die Beschläge an der Reihe. Sie sollten benutzerfreundlich sein, weshalb Wanten aus Edelstahl, Schoten aus ummantelten Dynema und Blöcke aus Aluminium mit Rindslederüberzug verwendet wurden. Als Letztes kamen die Segel an die Reihe. Darum kümmerte sich Nicolas Berthoud von Europ’sails. Der Segelmacher bewies sein ganzes Können. „Die Garderobe war von Anfang an einwandfrei, es waren kaum Korrekturen nötig“, sagt Benoît de Gorski bewundernd.

„Die Endrick ist wirklich gelungen. Bei der Restauration wurden der Charakter und die Struktur des Bootes beibehalten. Jetzt steht den nächsten 100 Jahren nichts mehr im Weg“, freuen sich Thierry Berque und Philippe Durr. Benoît de Gorski, der von der Schönheit und dem Gleichgewicht seines schwimmenden Juwels zutiefst angetan ist, liebt es, seine Stradivari im Beisein seines Freundes Fabrice Marguerat, der gerade seine eigene Werft in La Pallanterie eröffnet hat und für die Jacht zuständig ist, zu segeln. Bequem eingerichtet in seinem Cockpit und umgeben von seinen seit 13 Jahren treuen Crewmitgliedern geniesst der Eigner das einzigartige Gefühl, diese Ausnahmejacht zu steuern. Die 7m JI ist etwas Spezielles und es soll nur ein Schwesterschiff, die Strathendrick geben. Wohl auch deshalb haben die Engländer die Endrick ins Verzeichnis des Royal Yacht Squadron (RYS) aufgenommen – eine Ehre, die nur nach alter Tradition restaurierten Booten zuteil wird.

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