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Neuer alter Sieger: Entner gewinnt zum 7. Mal

von Quentin Mayerat

Begonnen hatte die “Rund um” an einem herrlichen Sommertag. Doch je mehr Boote den See vor dem Lindauer Segelhafen ansteuerten, um so schwächer wurde der Wind. Er reichte gerade noch, um alle 452 Yachten gleichmässig an der gut zwei Kilometer langen Startlinie zu verteilen. Als um 19.30 Uhr Sabine Lauffer, Geschäftsführerin der ProLindau Marketing-Gesellschaft, und Karl Schober, Bürgermeister der Inselstadt, den Startschuss gaben, war weit und breit kein Hauch mehr zu spüren. Es dauerte entsprechend lange, bis sich selbst die drei Liberas im Feld aus der Masse lösen konnten. Die Italia von Markus Ficht orientierte sich beim Start am weitesten nördlich, also näher zum Land hin. Nur allmählich gewann die Libera an Fahrt. Auf etwa gleicher Höhe, aber weiter seewärts, dümpelte die Principessa des bereits sechsmal erfolgreichen Joschi Entner. Keiner der Trapezleute wagte es, auch nur einen Fuss nach Luv zu stellen. Ein Mann stand auf der Saling, um Wind zu suchen. Steuermann Entner prüfte unten mit einer Zigarette, ob da ein Hauch übers Wasser zog. Am weitesten in den Süden der Startlinie hatte sich die Telebox mit Gerhard Müller verholt. Sie stand dort 30 Minuten nach dem Start wie festgewachsen im Wasser. Selbst zwei grosse Yachten überliefen den Binnenrenner. Aktionismus brach aus. Segel auf- und niederholen brachte die Libera zwar in Bewegung, aber nicht in Fahrt. Nach einer Stunde standen immer noch zahlreiche Schiffe auf der Startlinie. Je länger die Segler brauchten, um vorwärts zu kommen, umso mehr profitierten die mehreren Tausend Zuschauer, die dicht gedrängt an den Molen und Uferpromenaden standen. In Anbetracht des Zeitlupenstarts konnten sich die “Sehleute” Zeit lassen, ehe sie sich wieder den kulinarischen Genüssen beim Lindauer Hafenfest zuwandten. Draussen auf dem See wurde inzwischen der Himmel dunkler, im Westen zogen Wolkenwände auf und das Wetterleuchten kündigte an, dass der
Wetterbericht (es waren Böen von bis zu neun Beaufort in den Böen vorausgesagt worden) recht behalten sollte, denn die Kaltfront liess teils heftige Gewitter erwarten. Es dauert nicht lange, und die ersten Blitze zuckten am Schweizer Ufer aus den Wolken. Die Italia war die erste Yacht, die die Segel strich und sich vom Begleitboot zurückschleppen liess. Noch war der Wind schwach, was einige dazu verleitete, mit dem Reffen noch zu warten. Die ersten Böen, begleitet von Hagelschauern, setzen urplötzlich und hart ein und es wurde schlagartig dunkel auf dem See. Gespenstisch beleuchteten zahllose Blitze die Szenerie auf dem wild
gewordenen Wasser. Der erste Mast brach. Ein Donnergrollen sei durch den Rumpf gegangen, als ob man mitten auf dem See auf Grund gelaufen wäre, berichtete die Crew der Diamant von Mark Binz später. Ein Blick nach oben – aber da war schon kein Mast mehr. Beim Lösen der Verstagung schnalzte einem Segler noch eine Schot ins Gesicht. Ein Stück seines Schneidezahns versank mit Rigg und Segeln in der Tiefe. In der Regattazentrale standen die Telefone dann nicht mehr still. Eine Mannschaft nach der anderen meldete sich ab; am Ende waren es über 100 Boote, die das Rennen vor oder während des Gewitters aufgegeben hatten, darunter auch die Libera Telebox. Noch in der Nacht zog die Wasserschutzpolizei, welche die Einsätze der internationalen Sicherungsboot-Flotte von Anfang an koordiniert hatte, in Friedrichshafen Bilanz: 14 Seenotfälle durch Mast- und Ruderbrüche, Kenterungen oder Strandung. Eine Person wurde mit Schock und Unterkühlung in ärztliche Obhut gegeben. Eine Rommel 33, die von einem 22-m2-
Schärenkreuzer breitseits gerammt wurde, konnte sich trotz eines Lochs im Rumpf von rund einem halben Quadratmeter Grösse aus eigener Kraft in den Hafen retten. “Die Rund um ist keine Vergnügungsfahrt”, hatte LSC-Präsident Lochbrunner schon vor dem Start betont.
Für gut 300 Mannschaften, die das Gewitter überstanden hatten, ging das Rennen weiter. Wettfahrtleiter Heribert Hostenkamp sah keinen Anlass, die Regatta abzubrechen. Joschi Entner und seine Libera-Crew hatten nur noch eine kleine Fock gesetzt und das Grosssegel geborgen, als das Gewitter einsetzte. “Aber das war ein Fehler”, meinte ein Crewmitglied später. Den grossen Lappen auf dem See wieder zu setzen, war schwieriger als gedacht. Die erste Kontrollboje vor Romanshorn hatte die Principessa um 23.12 Uhr gerundet,
36 Minuten nach Mitternacht war sie in Überlingen. Von da ging es im D-Zug-Tempo zurück nach Lindau. Um 3:17 Uhr knallte vor dem LSC der Schuss beim Zieldurchgang. Sieben Stunden und 47 Minuten brauchten Entner und seine Crew für die gut 100 Kilometer lange Strecke. Lochbrunner gratulierte dem österreichischen Hotelier zum siebten Sieg bei der Rund um. Erst eineinhalb Stunden später kam mit der Rubin XIV von Joachim Grauer (YC Langenargen) das nächste Schiff, eine Yacht konventioneller Bauart und ohne Trapez, gefolgt von der Magic Lady von Wolfgang Palm (YCL), ins Ziel. Weitere 40 Minuten vergingen, ehe die Go on mit Dietmar Salzmann (YCRh) das Ziel erreichte. Schnellstes Boot unter Schweizer Flagge war auf Rang acht die Sonnenkönig mit Peter Fritschi (SVK) vor der Swimmingtool von Eugen Munz (SVB) auf Rang 10.

Bei Sonnenaufgang war es eher regnerisch als windig. Doch je weiter der Tag fortschritt, umso trockener wurde es. Auf dem Rückweg schob ein frischer Südwest das Hauptfeld flott ins Ziel. Dort befassten sich bis zu sieben Mann gleichzeitig damit, Protokoll über den Zieleinlauf zu führen. In den 30 Minuten vor 12 Uhr überquerten fast 100 Schiffe die Linie. Als letztes Boot segelte um halb vier Uhr eine Damen-Crew ins Ziel. Passend zur Boot-Düsseldorf-Party am Samstagabend und einem phänomenalen (Klang-)Feuerwerk vor der Hafeneinfahrt klarte der Himmel immer mehr auf. Die Temperaturen kletterten wie die Stimmung der Seglerparty. Die Segler, die das Gewitter überstanden hatten, waren sich im Ziel einig: “Es war eine tolle Regatta!” Auch die Oberbürgermeisterin von Lindau, Petra Meier to Bernd-Seidl, segelte – obwohl waschechte Landratte – an Bord einer Dufour 24 bei der Rund um zum ersten Mal mit. Sie sei “wirklich um eine Erfahrung reicher”, gab sie nach der Regatta zu. Nachdem sie jetzt das Kleine Blaue Band (die kürzere Strecke für die kleineren Boote) absolviert habe, gelte es, das Grosse Blaue Band zu segeln. Sie hat den Termin für die nächstjährige Rund um auch bereits in den Terminkalender geschrieben: 16. Juni 2006.

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