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PIERRE-YVES JORAND, vierzig Jahre Leidenschaft für den Segelsport

von Pierre-Antoine Preti

Eine der Schlüsselfiguren von Alinghi Red Bull Racing verlässt das Schweizer Team. Für den langjährigen Weggefährten von Ernesto Bertarelli geht ein ereignisreiches Kapitel zu Ende. Ein Rückblick auf dreissig Jahre Engagement auf höchstem Niveau.

Sie haben Ihren Entscheid, Alinghi Red Bull Racing zu verlassen, Mitte Februar publik gemacht. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen? Der 37. America’s Cup war in vielerlei Hinsicht ernüchternd und frustrierend. Der 38. wird extrem anspruchsvoll und es steht ausser Frage, dass das Team frisches Blut braucht, um konkurrenzfähig zu sein. Der Cup hat sich verändert, er erfordert heute andere Fähigkeiten. Unsere Abwesenheit von 2010 bis 2023 hat uns den Wiedereinstieg erschwert. Wir hatten null Erfahrung mit diesem Format. Ich hoffe, dass das Team am 38. Cup aus den technischen und sportlichen Erfahrungen Kapital schlagen kann. Meine Zusammenarbeit
mit Alinghi Red Bull Racing ist im Dezember 2024 zu Ende gegangen.

FAMILIE JORAND MIT DER SILBERKANNE ©Ivo Rivora

«Ich möchte neue Projekte entwickeln»

Sie und Alinghi können auf sieben Siege an der Bol d’Or und dreissig erfolgreiche Jahre auf Binnensee-Mehrrümpfern zurückblicken. Unsere gemeinsame Geschichte begann 1994, als Ernesto Bertarelli Charles Pictet das Boot Poseidon für einen symbolischen Franken abkaufte. Der in Red umbenannte Trimaran kenterte an der Bol d’Or nach einer missglückten Halse in der Bise. Wir wurden brutal auf den Boden der Realität zurückgeholt. Für mich war in diesem Moment klar: Entweder war das Experiment damit gescheitert oder aber der Startschuss zu etwas Grösserem. Eingetroffen ist das Zweite. Ernesto bat mich, den Bau des gelben Trimarans zu leiten und gleichzeitig ein starkes Team aufzubauen, mit dem wir unsere Ziele erreichen können. Wir sind insgesamt fünf Jahre mit diesem Boot gesegelt.

ALLES BEGANN MIT DER SPEKTAKULÄREN KENTERUNG DES RED
(EHEMALS POSEIDON) BEI DER BOL D’OR 1994©zVg

Der Jaune wurde im Jahr 2000 verkauft. Auf ihn folgte der 41-Fuss-Katamaran Black aus der Werft Décision. Er erwies sich als unschlagbar. Der Katamaran aus der Feder des Genfers Sébastien Schmidt und des Briten Jo Richard war ein Meisterstück und seiner Zeit ein ganzes Stück voraus. Er war einer der ersten Mehrrümpfer mit Ballast, Auslegern an Bug und Heck und mehreren Grosssegeln. Das Boot wurde im Jahr 2000 in Rekordzeit gebaut und erst vier Wochen vor der Bol d’Or zu Wasser gelassen. Trotzdem haben wir die Regatta gewonnen, so wie auch in den drei Jahren danach. Dann kamen die Décision 35. Ernesto beschloss, den Black stillzulegen, um sich auf die zukunftsträchtigeren One-Design-Boote zu konzentrieren. Damit ergaben sich für mich auch abseits des America’s Cups neue Herausforderungen. Bei den Décision 35, Extreme 40, GC32 und TF35 haben wir mit dem angestammten Team grosse Erfolge gefeiert.

DER GELBE KATAMARAN LE JAUNE REGATTIERTE FÜNF JAHRE LANG. ©zVg

Nach der Jahrtausendwende kamen Sie als Segelmacher erstmals mit dem America’s Cup in Berührung. Ich arbeitete damals bei North Sails Suisse an Segeln für internationale Regatten. Patrick Mazuay und ich befassten uns intensiv mit neuen Hightech-Lösungen, da war es nur logisch, dass wir uns dem America’s Cup näherten. Zunächst arbeiteten wir mit Fast 2000, dem Syndikat von Marc Pajot und Pierre Fehlmann. Später kaufte Ernesto das Boot des Challengers und machte es zur Trainingsjacht des Schweizer Teams in Sète. So entstand die Alinghi-Kampagne für den 31. America’s Cup.

SUI59, ALINGHIS ERSTE CLASS AMERICA BEIM CIRCLING ©Thierry Martinez

Welche Rolle hatten Sie 2003 in Auckland? Ich war achtzehn Monate für die Leistungsanalyse und die Geschwin-digkeitsvergleiche zwischen unseren beiden Booten zuständig. Als Team New Zealand seine neue Jacht einwasserte, übernahm ich die Leitung des Spionageprogramms. Die Kiwis haben nichts unterlassen, um mir das Leben schwer zu machen (lacht). Es war riskant, aber auch amüsant.

Wie haben Sie die Kampagne 2003 erlebt? Wir hatten durchaus Ambitionen. Der 5:0-Sieg war dann aber doch eine Sensation, mit der am Anfang niemand gerechnet hatte. Je länger der Louis Vuitton Cup dauerte, desto unbesiegbarer fühlten wir uns. Persönlich war es eine schwierige Zeit. Meine Mutter starb während der Kampagne. Diese doppelte sportliche und persönliche Herausforderung hat mich geprägt.

DER D35 ALINGHI ©Lloyd Images

Auf die erfolgreiche Titelverteidigung 2007 folgte 2010 die bittere Niederlage im DOG-Match. In Valencia haben wir die Silberkanne souverän verteidigt. Es war zweifellos der bisher schönste Cup. Danach wollten wir rasch ein neues Format erarbeiten und das Protokoll präsentieren. Der 33. America’s Cup sollte ein neues Gesicht erhalten, doch wir hatten es wohl etwas zu eilig. Die Amerikaner blockierten uns auf dem Rechtsweg. Dadurch verkam die sportliche, technische und logistische Herausforderung zu einer nicht endenden Schlammschlacht, aus der nichts Schlaues hervorgehen konnte. Es fühlte sich an, als würde das New Yorker Gericht uns bei jeder Etappe noch eins reinwürgen wollen.

Achtzehn Jahre später löste die 37. Kampagne im Team keine grosse Euphorie aus. Wenn man sich Ziele setzt und sie nicht erreicht, ist man enttäuscht und frustriert. Das ist im Sport nicht anders als im Beruf, in der Familie oder in der Schule. Teamchefs stehen im Rampenlicht, egal, wie gut oder schlecht es läuft. Im Spitzensport lernt man auf dem Boden zu bleiben, da er sowohl Schwächen als auch Stärken sichtbar macht. Gleichzeitig lernt man ständig dazu.

Hat die Schweiz das Zeug dazu, den Cup zu gewinnen? Ich bin Mitglied des Selektionskomitees des Swiss Sailing Teams und des Fonds Ambition der Société Nautique de Genève. In den Clubs und den regionalen und nationalen Institutionen wird hervorragende Arbeit geleistet. Die Herausforderung besteht darin, die Nachwuchsförderung zu strukturieren und die jungen Talente so zu begleiten, dass sie mit den besten Teams der Welt konkurrieren können. An den Olympischen Spielen in Marseille hat die Schweizer Delegation eine fantastische Leistung gezeigt und damit bewiesen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. An Talenten mangelt es nicht, aber der Segelsport ist in unserer Kultur noch nicht so verankert wie zum Beispiel der Skisport.

2003 GEWANN ALINGHI DEN AMERICA’S CUP GEGEN TEAM NEW-ZEALAND MIT 5:0. ©Thierry Martinez

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Ich möchte mich weiterhin im Segelsport und in der Segelherstellung engagieren, besonders im Projektmanagement und in der Nachwuchsförderung. Dank meinem Fachwissen im Leistungsmanagement und meiner technischen Erfahrung bin ich in der Lage, innovative Projekte auf dem Meer oder auf unseren Seen zu konzipieren und zu betreuen. Daneben werde ich meine Beratungstätigkeit ausbauen und sowohl Sportteams als auch Unternehmen strategisch und fachlich unterstützen. Und natürlich freue ich mich darauf, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen und meine neuen Aufgaben zu geniessen – vor allem als frischgebackener Grossvater. Das hilft mir, das richtige Gleichgewicht zwischen Privatem und Beruflichem zu finden.

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