Der junge Dirt Regattaclub Sisikon (DRCS) organisierte auf dem Urnersee seine erste Schweizermeisterschaft. Sowohl bei den 420ern als auch bei den 470ern dominierten die international erfolgreichen Schweizer Teams
Text und Fotos: Walter Rudin
Gegen 50 Crews aus der ganzen Schweiz waren Mitte September zur gemeinsamen Schweizermeisterschaft der beiden Jollenklassen in die Zentralschweiz gereist. Die Unsicherheit und der Ausfall internationaler Regatten wegen Covid-19 hatte sicher einen direkten Einfluss auf die guten Teilnehmerzahlen. Es besteht Nachholbedarf und national zu segeln hat dieses Jahr einen hohen Stellenwert. Linda Fahrni, 470er Olympia-Aspirantin, meint dazu: «Ursprünglich hatte die Teilnahme an der diesjährigen SM für uns keine Priorität, doch es kam bekanntlich anders. Unsere ganze Saison samt WM, EM und Olympischen Spielen wurde abgesagt oder verschoben. Die SM war für uns erst die zweite Regatta in diesem Jahr, da wollten wir unbedingt dabei sein. Wir konnten auch noch einige andere Teams davon überzeugen, an den Urnersee zu fahren.» Ihr männliches Pendant Grégoire Siegwart sieht das ähnlich: «Natürlich geben wir internationalen Wettbewerben den Vorrang, aber wenn es unser Programm zulässt, nehmen wir an der SM teil. Dabei haben wir Gelegenheit, die Schweizer Familie der 470er zu treffen und auf unseren Seen zu segeln. Klar sind wir gegenüber den meisten anderen Teilnehmern technisch im Vorteil, es sind aber einige hervorragende Segler darunter, die uns gefährlich werden können. Wenn wir an der SM antreten, wollen wir gewinnen. Als Favoriten stehen wir unter zusätzlichem Druck und davon profitieren wir.»
Zukunft gesichert
Alberto Casco, OK-Präsident des DRCS, glaubt allerdings, dass nicht allein die spezielle Situation in diesem Jahr für die gute Beteiligung ausschlaggebend war: «Beide Klassenvorstände haben grossartige Arbeit geleistet, um die Schweizer Segler zu motivieren, an der SM 2020 teilzunehmen.» Für die Zukunft sieht er allerdings weiteren Handlungsbedarf: «Die Schweiz hat eine ganze Generation gut ausgebildeter Nachwuchssegler, die nun an die Elite herangeführt werden müssen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist dies nicht ganz einfach. Da sind neue Konzepte gefragt. Das Nationale Leistungszentrum Lausanne (NLZ) hat da sicher eine wichtige Rolle zu spielen.»
Wider erwarten dünnen die neuen Nacra 15 und die 29er, die erst kürzlich als offizielle Juniorenklasse anerkannt wurden, die Reihen der traditionellen 420er-Jollen nicht aus. Casco, im Swiss-Sailing-Zentralvorstand verantwortlich für Leistungssport, hat dazu eine dezidierte Meinung: «Geschwindigkeit ist in einer jungen Segelausbildung nicht alles.
Natürlich macht es mehr Spass, mit Tempo übers Wasser zu fahren oder sogar zu fliegen, aber nach dem langsamen Optimisten fängt die technische Segelausbildung doch erst an und dazu eignet sich der altmodische 420er nach wie vor am besten. Das bestätigen etliche erfahrene Coaches. Daher ist die klassische Ausbildung nicht falsch und wird auch nie verschwinden. Die traditionellen Klassen müssen sich aber weiterentwickeln, was in der Vergangenheit verpasst wurde.»
420er: knappe Entscheidung
Sicher hat auch das ausgewählte Revier zur guten Beteiligung beigetragen. Der Urnersee gilt nebst dem Silvaplanersee als Segelmekka und wurde seinem Ruf an dieser SM einmal mehr gerecht. Nach harzigem Beginn am Freitag brachte eine stark böige Thermik am Samstag einige Teams in Schwierigkeiten, es kam sogar zu Kenterungen. Trotz Regen bot der Sonntag erneut gute Segelbedingungen, denn auf dem Urnersee gibt auch bei schlechtem Wetter Wind.
Nicht zuletzt deshalb – und weil sie dort optimal gefördert werden – haben in den letzten Jahren viele ambitionierte junge Segler aus der ganzen Deutschschweiz zum DIRT Regattaclub Sisikon an den Urnersee gewechselt. Mittlerweile sind die 420er Segler des DRCS national das Mass der Dinge. Sie landeten an der diesjährigen SM denn auch prompt einen Dreifachsieg. Der Kampf um den Titel blieb aber bis zum letzten Lauf offen. Malin Karlsson/Julian Elbel standen nach einem verhaltenen Meisterschaftsstart erst nach der letzten Wettfahrt als Sieger fest. «Am Sonntag herrschten schwierige Konditionen, wir mussten den Wind sehr genau beobachten», erklärte Marlin Karlsson nach dem Titelgewinn. «Wir hatten einen guten Bootsspeed und uns kam sicher entgegen, dass die beiden vor uns liegenden Teams den Fokus nicht immer auf uns gerichtet hatten.» Das Duo Maxim Dneprov/Luis Zimmerli musste sich punktgleich geschlagen geben. Den letzten Podestplatz holten sich Christian Steiner/Janik Müller.
470er: Titel für Wagen/Siegwart
Kilian Wagen/Grégoire Siegwart vom Club Nautique de Pully wurden ihrer Favoritenrolle gerecht und hatten nach zwei Regattatagen schon fast alles klar gemacht. Allerdings kam ihnen das Frauenteam Fahrni/ Siegenthaler vom Thunersee-Yachtclub mit drei Laufsiegen am Schlusstag noch bedrohlich nahe. «Es herrschten genau die Bedingungen die wir lieben: leichter Wind, Flachwasser und ziemlich starke Dreher. Man kann sie mit einem Leiterlispiel vergleichen: Es kann gut laufen, aber genauso mit einem Schlag alles verloren sein. Wir hatten eine Glücks- strähne und konnten gleich drei Laufsiege aneinanderreihen», meinte Linda Fahrni.
Positives Fazit
Unabhängig vom Ergebnis habe sich die Teilnahme an dieser SM gelohnt, beteuert Linda Fahrni: «Wir geniessen es, in der Schweiz zu segeln. Hier haben wir segeln gelernt und Feuer gefangen. Es ist anders als auf dem Meer, nicht einfacher oder schwieriger, aber es fallen einige Facetten wie Wellen, Strömungen und typische Meerwinde weg. Auf dem See sind andere Aspekte wichtig.»
OK-Präsident Casco zieht nach der SM ein positives Fazit: «Unser junge Segelclub DRCS hat die Feuertaufe mit seiner ersten SM grundsätzlich bestanden und das Verbesserungspotenzial erkannt. Die Zusammenarbeit mit dem Regattaverein Brunnen hat sich bewährt und wir hoffen, dass wir den gemeinsamen Weg 2021 weitergehen können.»