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Surprise oder was?

von Quentin Mayerat

„Von allen Segelbooten, die ich gezeichnet habe, hat mich die Surprise am stärksten berührt.“ Die Erinnerungen von Michel Joubert, dem französischen Schiffsdesigner und Vater der Surprise, sind wie die Geschichte des Bootes selbst gespickt mit Anekdoten. Seit seinem Stapellauf im Jahr 1976 wurden 1’550 Einheiten gebaut. 650 segeln auf Schweizer Seen. Die Surprise, auf deren Segel seit drei Jahrezehnten ein grosses Fragezeichen prangt, hat bei einer Verdrängung von 1’200 kg und einer 7/8-Takelung ein konkurrenzloses Preis/Leistungsverhältnis. Das familientaugliche, bei Leichtwind reaktive und einfach zu manövrierende Einheitsboot trägt seinen Namen zu Recht, denn es war und ist stets für eine Überraschung gut. Weniger überraschend ist angesichts der herausragenden Eigenschaften die starke Verbreitung auf den europäischen Seen. „Die damaligen Cruiser wirkten trist. Ich wollte ein schnelles Segelboot mit einem komfortablen Deck und Regattaeigenschaften entwerfen, mit dem ich sichere, schnelle Spazierfahrten unternehmen konnte.“ Den damals begehrtesten Werften wurde das Boot als einfaches „Dayboat“ präsentiert. Sie lehnten das Angebot alle ab. Schliesslich erklärte sich die Werft des verstorbenen Jean Archambault bereit, das Abenteuer zu wagen. An der Pariser Bootsmesse vom Januar 1977 wurde die Yacht begeistert aufgenommen. „Genauso muss der kürzeste Weg aussehen, mit dem ein Segelboot seiner Crew durch sein Wesen die Liebe zum Segelsport vermittelt oder einimpft“, schrieb der französische Segeljournalist Daniel Nottet. Zu Zeiten der Quarter und der neun Meter langen Half Tonner machte die 7,65-Meter-Yacht bei den Regatten Furore. „Manchmal segelten wir sogar den 12-Meter-Yachten um die Nase“, erinnert sich Joubert. Der Schweizer Importeur François Séchaud verkaufte seit 1970 bereits die Bagheera von Archambault. Er suchte ein grösseres Schiff, eine Art „Super-Bagheera“. Da es ihm die Surprise angetan hatte, präsentierte er sie an der Genfer Bootsmesse. Séchaud kann es noch heute kaum fassen: „Obwohl das Boot in der Schweiz noch nie gesegelt war, unterschrieben die Leute ihren Vertrag noch am Messestand.“ 1977 verkaufte er elf Einheiten. Im gleichen Jahr gingen sieben davon am Bol d’Or an den Start. Im darauffolgenden Jahr bestritten neun Surprise die erste Klassenregatta. François Séchaud vereinte die Eigner und gründete die Aspro Surprise. Denis Reymond amtete als Präsident. Gleichzeitig wurden Vermessungsvorschriften erstellt. Schon bald fand die in der Schweiz gegründete Einheitsklasse auch in Frankreich, Italien, Österreich und Süddeutschland ihre Liebhaber. Einzig der Deckplan wurde 1984 geändert. 1992 wurde das Heck geöffnet und 2001 das Cockpit runder gestaltet. Da es sich um eine Einheitsklasse handelt, dürfen die Schale, der Kiel und das Rigg keinen Millimeter von den Klassenvorschriften abweichen. 1979 weigerte sich der nationale Segelverband USY die Klasse anzuerkennen, „solange nicht mindestens 100 Boote in der Schweiz segeln…“. Um die Kränkung wettzumachen, wurde vor dem Genfer Yacht Club eine Europameisterschaft organisiert, an der 39 Einheiten teilnahmen. 1988 fanden sich zur schweizerischen Klassenmeisterschaft 79 Boote ein. Ein Rekord! Am Bol d’Or von 1996 waren 102 der gemeldeten 530 Segelyachten Surprise. Die Welle entwickelte sich langsam zur Sturmflut. François Séchaud schätzt, dass er seit 30 Jahren alle 14 Tage eine Einheit verkauft hat“. Das ist die Hälfte der jährlichen Gesamtproduktion der Archambault-Werft! Auf dem Genfersee segeln 350, in der Drei-Seen-Region 150, in der Zentralschweiz rund hundert, im Tessin sechzig und auf den kleinen Seen einige Dutzend dieser Boote. Eine besondere Begebenheit wurde uns von Jean Archambaults Sohn Emmanuel zugetragen. 1996 segelte ein einarmiger Japaner auf der Äquatorroute (Antillen-Panama) von La Rochelle nach Japan. Die Reise soll zwei Jahre gedauert haben. Der Mann wurde in seinem Land berühmt und erzählte an unzähligen Konferenzen von seinem Abenteuer. Die Surprise überzeugte die Genferseesegler. Ihnen hat das Einheitsboot auch sein fantastisches Wachstum zu verdanken. Das Schlusswort allerdings hat Designer Michel Joubert: „Wir haben ohne zu wissen mehrere Etappen auf einmal genommen, denn wir haben Moderne überhaupt angebrochen war.“

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