Der 21-jährige Genfer hat auf seiner Surprise ein fantastisches Rennen geliefert und die Syz Translémanique en Solitaire 2020 verdient gewonnen. François Thorens holte sich den Sieg in Echtzeit.
Text: Rod Vuilerouf
Die 47. Translémanique en solitaire war ein Geduldsspiel. Wer die wenigen und flüchtigen
Winddreher am letzten Augustwochenende erwischen wollte, brauchte ein scharfes Auge. Bereits am Start war Durchblick gefragt. Wenn an diesem nassen Samstagmorgen auf dem spiegelglatten See überhaupt Wind zu erwarten war, dann am nördlichen Ende der Startlinie, in der Verlängerung der Société Nautique de Genève (SNG). Drei Segler hatten die Chance erkannt und zogen beim Startschuss um 9.30 Uhr auch prompt davon: Sergy Patry auf der Luthi34 Perchette, David Pertuiset auf der Esse850 Darnetal und Jacques Emery auf der Psaros33 Makani. Abwechselnd angeschoben von einem leichten Joran und einer sanften Molaine-Thermik übernahm Makani die Führung, weitere Psaros33 wie die Carpediem Cube von Luc Munier, die Eole 7 von Nicolas Baudu und die MSC von Nicolas Groux schlossen aber schon bald zu ihr auf. Zum allgemeinen Erstaunen war ihnen die L’Egger dicht auf den Fersen. Die aus Holz gefertigte Toucan-Jacht von Christophe Magnin hat immerhin 41 Jahre auf dem Buckel!
MSC als erste an der Boje vor Le Bouveret
Am frühen Nachmittag hatten sich die rund hundert Jachten auf dem unteren Genfersee, dem Petit-lac, positioniert. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt voraussagen, ob der Wind von Schweizer oder von französischer Seite her kommen würde. «Man muss extrem wachsam sein», sagte Jenifer Schlup, die Skipperin der Grand Surprise Isis. Immer wieder blickte sie zum Masttop und suchte den See mit den Augen ab, um den richtigen Moment auf keinen Fall zu verpassen. Auch Annia Chiary-Bory an Bord der Swan Vire Vent IV konnte ihre Ungeduld nicht verbergen. «Wo zum Teufel bleibt die angekündigte Bise?», wollte sie wissen. Sie kam gar nicht. An ihrer Stelle machte sich lediglich ein schwächliches Lüftchen bemerkbar. Das musste reichen, um die Verfolgung der Psaros40 Cellmen TBS von François Thorens aufzunehmen.
Diese war am Start steckengeblieben, weil sich Algen am Kiel verfangen hatten, legte sich dann aber ins Zeug und nutzte ihr Geschwindigkeitspotenzial, um sich an die Spitze der weit auseinandergerissenen Flotte zu setzen. Während in allen Klassen grossartig gekämpft wurde und sich die rund vierzig Surprises und das knappe Dutzend Grand Surprises keinen Zentimeter schenkten, nutzte Nicolas Groux auf MSC das allgemeine Gerangel und rundete die Boje vor Le Bouveret um 18.23 Uhr nach neun Stunden als Erster. Gefolgt von Jacques Emery auf Makani nahm er die Rückfahrt in Angriff. Das letzte Wort war da aber noch lange nicht gesprochen. In Echtzeit sollte diese Regatta zur Siegesfahrt von François Thorens und seiner schnellen Psaros40 werden. «Ich lag an dritter Stelle und beobachtete, wie die beiden Führenden auf die Schweizer Seite zusegelten. Bei der Hinfahrt konnten sie mich dort überholen», erzählt der Segler vom CV Vevey-La-Tour. «Plötzlich sah ich, dass sich eine Böe auf Evian zubewegte. Ich reagierte sofort und wendete mehrmals, um das Windfenster zu erreichen. Meine Entscheidung, eine grössere Genua zu setzen, hatte sich gelohnt! Die Ausgangslage war ideal. Ich musste es einfach versuchen. Es sollte keine Selbstmordaktion werden, das ist nicht mein Ding, ich wollte einfach nur einen neuen Schachzug wagen.
Die beiden anderen erwischten den Wind nie richtig, sie steckten zwischen zwei Zonen fest, während ich fast während der ganzen Rückfahrt guten Wind hatte.» Um 0.40 Uhr, nach gut 15 Stunden, überquerte François Thorens auf der TBS Cellmen schliesslich nach 2017 zum zweiten Mal als Gesamtsieger die Ziellinie. Es sei wirklich ein schönes Rennen gewesen und das sage er nicht nur, weil er gewonnen habe, meinte der Skipper. Nicht einmal die Länge habe ihn gestört. «Letztes Jahr habe ich bis zur Pointe-à-la-Bise drei Stunden gebraucht, so schwach war der Wind. In Le Bouveret gab ich meinen Tracker ab und fuhr direkt nach Hause. 2018 stürmte es zu stark, da habe ich auf den Start verzichtet. Ich wollte kein Risiko eingehen, zumal das Boot normalerweise zu acht oder zehnt gesegelt wird.» Hinter Cellmen TBS folgten die Psaros33 Eole 7 (2.00 Uhr), MSC (2.12 Uhr) sowie Pétrel und Carpediem Cube.
Erfolgreiche Titelverteidigung bei den Surprise
Worauf es bei der dieser Einhandregatta auf dem Genfersee aber wirklich ankommt, ist die Rangliste nach berechneter Zeit, denn das Rating ist darauf ausgelegt, die Unterschiede zwischen den Booten auszugleichen. Hier war lange alles offen. Mitten in der Nacht setzte zweitweise Regen ein, am Sonntagmorgen goss es in Strömen. Das schien dem jungen Joshua Schopfer von der SNG nichts auszumachen. Tapfer kämpfte er sich auf seiner Surprise Spirit of… durch den Regen und lief am Sonntagmorgen nach 19 Stunden klitschnass im Ziel ein. Mit nur 21 Jahren konnte er bei den Surprise seinen zweiten Sieg feiern. Er liess nicht nur alle anderen 36 Surprise-Boote hinter sich, sondern auch mehrere andere, normalerweise schnellere Jachten, darunter zehn der elf Grand-Surprises! Er habe ein sehr schwieriges und taktisches Rennen erlebt, so Joshua Schopfer. «Immer wieder schien es, als ob Wind aufkommen würde. Er verschwand dann aber meistens ebenso schnell wieder, wie er gekommen war. Wenn die anderen Surprises zu mir aufschlossen oder mich sogar überholten, weil ich in einer Flaute festsass, war das mental schwer zu verkraften. Die Fahrt nach Yvoire war hingegen fantastisch. Dort konnte ich relativ viel Boden gewinnen, während die anderen Umwege machen mussten. Ich freue mich riesig über den Sieg», so sein Fazit.