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Tahiti Pearl Regatta

by Maena Le Gat

Segeln durch Nadelöhre

Seit achtzehn Jahren beweist die Tahiti Pearl Regatta, dass es sich bei den Inseln unter dem Wind in Französisch-Polynesien nicht nur um die ultimative Törndestination handelt. Seglerinnen und Segler jeden Kalibers geniessen an der Regatta auch eine stimmige Mischung aus Up-and-Down-Kursen und Küstenstrecken, denen knifflige Fahrrinnen und Riffe den nötigen Pepp verleihen.

Text: Erwann Lefilleul   |   Fotos: Bertrand Duquenne

Die Nikaia gleitet durch schon fast unwirklich klares Wasser auf die Passe de Tiva zu. Links ragen aus einer üppig grünen Vegetation mehrere Bergspitzen in die Höhe, rechts zeichnet sich kielbogenförmig ein Korallenriff ab. Vor dem überwältigenden Anblick der am Riff zerschellenden pazifischen Brandung macht sich die Oyster trotz ihrer imposanten 57 Fuss ganz klein und durchquert vorsichtig die Fahrrinne. Die deutsche Familie ist hochkonzentriert. Sie ist aus Hamburg angereist und hat schon etliche Meere und ferne Ziele gesehen, seit sie sich der Oyster Boats Rallye angeschlossen hat, denn die macht so ziemlich überall Halt. Bei einem Zwischenstopp auf den Gesellschaftsinseln wollte die Crew der Nikaia zusammen mit den Rallye-Teilnehmern auf der Black Lion und der Seabird an der Tahiti Pearl Regatta (TPR) teilnehmen, bevor sie ihre grosse Reise Richtung Fidschi-Inseln fortsetzte.

Jetzt fokussieren sich die drei Teams auf die Regatta und hoffen natürlich, dass sie ihre Weggefährten schlagen. Auf offenem Meer werden alle Boote gleich durchgeschüttelt, das Meer gewährt keine Sonderprivilegien und das schäumende Korallenplateau fordert höchsten Respekt. Es geht darum, punktgenau die Passe de Rautoanui anzupeilen, um das Schiff schnurgerade durch die Fahrrinne zu lotsen, ohne in die wild heranrollenden Tubes zu geraten.

Grosse Kreuzer und kleine Pirogen
Die Organisatoren der TPR stellen jedes Jahr ein attraktives Programm mit Teilstrecken auf dem offenen, teils ungestümen Meer und in der zahmen, von Korallengruppen gespickten Lagune zusammen. Gestartet wird jeweils in Raiatea im Herzen der Inseln unter dem Wind. Eine riesige Lagune, die sich Raiatea mit ihrer Schwesterinsel Tahaa teilt, bietet genügend Fläche und viele betonnte Fahrrinnen, damit die Veranstalter ihrer Kreativität freien Lauf lassen können. Während vieler Jahre führte die TPR abwechselnd nach Bora-Bora und Huahine. Dazu mussten jedoch lange, logistisch aufwendige Überführungsetappen eingebaut werden. Mittlerweile konzentriert sich die Regatta auf das Atoll RaiateaTahaa. Diese Entscheidung hat sich ausgezahlt, denn seither können auch Boote teilnehmen, die nicht für die Hochsee gerüstet sind.

Zur 18. Austragung im Jahr 2022 haben sich 43 Teams auf unterschiedlichsten Booten gemeldet. Sie reichen von den massiven 60-Fuss-Oyster bis zu einer Handvoll agiler Nacra15 und werden in die Klassen Cruising, Einrumpfboote, Racing 1 und 2 und Sportjollen eingeteilt. Die Holopuni vaa, jene Auslegerboote, die gleichzeitig von einem Segel und drei Paddlern angetrieben werden, bilden eine eigene Kategorie. Drei von ihnen sind aus Tahiti gekommen. 21 Stunden haben sich die Teams nach alter polynesischer Seefahrertradition einzig an den Sternen orientiert.

Von Vollblutseglern und Nachtschwärmern
Obwohl die Direktion kürzlich ausgewechselt wurde und der Gründerverein die Zügel der Firma Archipelagoes übergeben hat, ist die ursprüngliche Philosophie unverändert geblieben. Sie besteht noch immer in einem stimmigen Gleichgewicht zwischen gewissenhafter Organisation und entspanntem Miteinander. Mit dem sportlichen Teil wurde der seriöse tahitianische Segelverband betraut. Da der Wettkampf auch jungen Seglerinnen und Seglern und ihren Highspeed-Geschossen offensteht, liess sich das Ministerium Jugend und Sport überzeugen, den Anlass zu unterstützen. In Tahiti ist die Förderung vielversprechender Regatteure von strategischer Bedeutung. 2027 finden in Polynesien nämlich die Pazifischen Spie[1]le statt und die will Tahiti unbedingt erstmals gewinnen. Der Minister Naea Bennett, der an der TPR dabei war, erwartet von seinen Seglerinnen und Seglern, dass sie für das Land die erhofften Medaillen holen.
Die «schönste Regatta der Pazifikinseln» verdankt ihr Ansehen aber nicht nur dem sportlichen Aspekt, die dritte Halbzeit ist genauso wichtig. Im Ziel gibt es keine Rivalitäten mehr, dann kommt Partystimmung auf. Am späten Nachmittag, bevor die tropische Nacht hereinbricht, trifft sich die Flotte auf einem grossen Liegeplatz mit glasklarem Wasser. Alle Team fah ren in ihren Beibooten zu einem Motu – einer jener kleinen Inseln aus Korallensand auf einem ringförmigen Riff – und werden dort mit einem Festessen empfangen, das sie im Takt der Schlaginstrumente und der hüfteschwingenden Vahines geniessen. Wer diese tahitianische Tradition noch nicht kennt, entdeckt eine wunderbar verführerische Welt. Hier wird nicht lange über die Erfolge oder Misserfolge des Tages palavert. Alle geniessen das Stück Paradies, das sie einträchtig miteinander teilen. Die Skipper der drei Oyster-Jachten bezeichneten die TPR als eines ihrer schönsten Erlebnisse auf ihrer Weltumsegelung.

Die Tour de Tahaa als Epilog
Traditionsgemäss mischen bei jeder Ausgabe der TPR Boote auf der Durchreise mit. Man kann aber auch mit einem in der Charterbasis in Raiatea gemieteten Boot an den Start gehen, vorzugsweise mit einem Einrümpfer, denn die schweren Katamarane sind nicht dafür gemacht, zwischen drei Bojen um die Wette zu fahren. Regatteure ohne schwimmenden Untersatz haben die Möglichkeit, an einer allen offenstehenden Mitseglerbörse auf der Website der Veranstaltung nach einem Platz zu suchen. Dort wird man eigentlich immer fündig.

Überzeugt? Dann freuen Sie sich auf hartes, aber faires Klingenkreuzen in einer Lagune, die so schön ist, dass man nicht mehr weg will. An der sportlich-sanften, anstrengenden, aber ungezwungenen TPR werden Sie mit Blumenketten und ehrlichem Lächeln begrüsst. Zum krönenden Abschluss nimmt Sie die Tour de Tahaa mit zu einer grossartigen, aber taktisch schwierigen Regatta rund um die Insel. Ständig muss man abwägen: den Venturi-Effekt nutzen, den kürzesten Weg zum Ziel wählen oder versuchen, einen der etwas weiter entfernen Luftströme zu erwischen? Glück und Pech liegen immer ganz nahe beieinander, was sich nicht ändert, ist der Anblick der fantastischen Gesellschaftsinseln vor Ihrem Bug. Sie sind so berückend schön, dass man darüber fast den Kurs vergisst. Sie werden sich an den wilden Farbnuancen des Meeres berauschen, sich am langen, vom Ozean bedrängten Korallenriff entzücken, auf dem ein paar feine Motu erstaunlich hartnäckig Widerstand leisten, und ungläubig die in allen Grünschattierungen leuchtenden Hügel bestaunen, auf denen der Schatten der Wolken tanzt. Und wenn sich am Ende dieser Umrundung die Ziellinie am Horizont abzeichnet, werden Sie heimlich eine Träne verdrücken.

Wir danken Tahiti Tourisme, Air Tahiti Nui und dem gesamten Organisationsteam, insbesondere unserem hervorragenden Poti-Marara-Fahrer Teiva.

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