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Warten auf Godot?

von Quentin Mayerat

Über dem Protokoll des 35. America’s Cups liegt ein typisch kalifornischer Nebel. Er zwingt die Challenger, auf Sicht zu segeln. © Guilain Grenier

Bei Redaktionsschluss des Magazins waren weder das Protokoll, noch die Bauvorschriften der Boote noch der Austragungsort des 35. America’s Cups bekannt. Dass eine Ankündigung im März versprochen worden war, schien die Verantwortlichen nicht gross zu kümmern. Russell Coutts gab Mitte Februar zumindest zu: „Wir hatten viele Probleme mit dem Challenger of Record, aber heute sind die meisten Fragen geregelt und wir sollten schon bald in der Lage sein, ein Protokoll herauszugeben.“

Ende März lag trotzdem noch keine neue Information vor und vermutlich wird sich daran bis nächsten Herbst auch nicht viel ändern.

© Loris von Siebenthal

Milchbüchleinrechnungen bringen unter diesen Voraussetzungen nicht viel, dazu gibt es zu viele Unbekannte. Fest steht zumindest, dass die America’s Cup World Series auf AC45 erneut stattfinden, vielleicht sogar ab Ende Jahr, und dass die Gespräche mit Red Bull über einen neuen Youth America’s Cup schon weit fortgeschritten sind.

Die AC45 werden in den Jahren vor dem Cup erneut Regatten austragen. Über das Format und die für die Austragung der Wettkämpfe zuständige Organisation ist hingegen noch nichts Konkretes bekannt. © Voltaire Yap

Viel mehr war bisher aus Coutts nicht herauszubekommen. Er liess sich lediglich zu folgendem Statement hinreissen: „Pete Melvin arbeitet parallel zum Protokoll an den Klassenregeln. Beide sollen gleichzeitig publiziert werden. Da der Austragungsort nicht vor dem Sommer feststeht, werden in Bezug auf die Bootsgrösse wahrscheinlich zwei Varianten erarbeitet. Ganz sicher wird der America’s Cup aber auf 60 bis 65 Fuss langen Katamaranen mit Flügelsegeln ausgetragen. Ausserdem wird die Idee von Einheitsteilen, wie beispielsweise dem Flügelsegel, geprüft.“

Diese vagen Aussagen kommen den Challengern zwar nicht wirklich entgegen, werden aber ohne viel Aufhebens hingenommen. Er könne mit dieser Situation leben, sofern sie nicht allzu lang daure, sagt Loïck Peyron, der bei Artemis als technischer Coach tätig ist. „Wir wissen, dass auf mehreren Rümpfen gesegelt wird, dass die Boote fliegen und mit einem Flügelsegel ausgestattet sind. Dadurch bietet sich uns doch schon ein relatives breites Forschungsfeld. Ausserdem ist das Ingenieursteam zurzeit sowieso noch relativ klein. Ich denke, dass wir mit den feststehenden Eckpunkten schon einiges erreichen können.“ Coutts bedauert die Situation zwar, stellt aber auch klar, dass er den Teams vorgeschlagen habe, sich bereits vor dem 34. AC Cup auf ein Protokoll für den 35. zu einigen. „Niemand wollte auf den Vorschlag eingehen“, verteidigt er sich, „trotzdem bin ich überzeugt, dass genau dieses Vorgehen die Lösung für die Zukunft ist. Ich ermutige deshalb die Teams, die sich an diesem Prozess beteiligen wollen, bereits jetzt an den 36. AC zu denken.“

Angestrebte Kostenreduktion

Eines der grössten Anliegen des Defenders ist laut Coutts die Reduktion der Kosten. Er ist der Ansicht, dass diese im Verhältnis zur letzten Kampagne halbiert werden müssen. „Grösster Kostenfaktor sind die Löhne“, betont der Neuseeländer. Auf das Boot entfallen nur acht Prozent des Gesamtbudgets. „Am kostenintensivsten sind die Ingenieure und die Designer. Durch die Einführung von Einheitsteilen könnte viel gespart werden.“ Ein Schritt in diese Richtung ist auch die Wahl eines kleineren Bootes, für das logischerweise weniger grosse Teams benötigt werden.

Die Oper von Sydney könnte dem America’s Cup durchaus als Kulisse dienen. © Andrea Francolini

Wie Torbjörn Törnqvist (lesen Sie das Interview auf Seite 38) ist auch Russell Coutts der Ansicht, dass in Bezug auf die Anzahl Challenger Qualität wichtiger ist als Quantität. „15 oder 20 Teams bringen dem Wettkampf nicht viel. In der Vergangenheit mussten mehrere kleine Syndikate Konkurs anmelden. Ich glaube deshalb auch nicht, dass es sinnvoll ist, sich für eine grössere Teilnehmerzahl einzusetzen. Wichtig ist vielmehr, dass die Teams konkurrenzfähig sind und nicht nur teilnehmen, um dabei zu sein. Sie sollen echte Siegeschancen haben.“ Nach einer häufig vertretenen Meinung sind sechs Challenger eine gute Zahl für einen hochklassigen Wettkampf.

Welche Challenger?

Die Wünsche scheinen in Erfüllung zu gehen, denn nicht nur das Team Australia als Challenger of Record, sondern auch die anderen gemeldeten Syndikate machen einen glaubwürdigen Eindruck. Artemis Racing, Luna Rossa und ETNZ haben ihre Teilnahme fest zugesagt. Sofern es ihm gelingt, das nötige Geld aufzutreiben, sollte ein britisches Team unter der Leitung von Ben Ainslie zu den Anwärtern stossen. Franck Cammas und Michel Desjoyeaux wollen mit Team France mitmischen. Ausserdem wurde der Wunsch geäussert, wieder ein deutsches Team dabei zu haben und auch die Russen von Gazprom bekunden Interesse.

Franck Cammas und Ben Ainslie bleiben nicht untätig. Bis sie das Budget für eine Teilnahme am America’s Cup beisammen haben und das Protokoll feststeht, trainieren sie mit Alinghi und RealTeam bei den Extreme Sailing Series. © Iloyd Images

Bob Oatley, Eigner der Wild Oats und Chef des Syndikats, das den Challenger of Record Hamilton Island YC vertritt, will sich natürlich nicht mit einer Statistenrolle zufriedengeben. Der australische Geschäftsmann und mehrfache Sieger des Sydney-Hobart hat laut Forbes ein Vermögen von 830 Millionen Dollar und nimmt mit der festen Absicht teil, den Cup nach dem Vorbild von Alan Bond und Peter Blake wieder auf der südlichen Hemisphäre auszurichten.

Wo das Final diesmal ausgetragen wird, erfahren wir im Sommer. San Francisco gehört jedenfalls nicht zu den Favoriten. Als mögliche Austragungsorte werden am häufigsten San Diego, Newport, Chicago oder sogar Honolulu genannt. Coutts möchte, dass jeder Challenger in seinem Land einen Event der ACWS organisiert, stösst dabei aber nicht überall auf Zustimmung. Hier besteht wohl noch Diskussionsbedarf.

Die Syndikate, deren Finanzierung bereits steht, warten ungeduldig auf die Bauvorschriften und das Protokoll, um sich endlich an die Arbeit machen zu können. Informationen über Unstimmigkeiten sickern so gut wie keine durch, was aber eher auf vorprogrammierte Schwierigkeiten hindeutet. Aber schliesslich besteht ja der America’s Cup aus einer Abfolge von Krisen. Die 35. Ausgabe dürfte da keine Ausnahme sein.

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