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Was Sie schon immer über Winschen wissen wollten

von Quentin Mayerat

Harken ist der weltweit führende Hersteller von Blöcken, Travellern, Winschen, Klemmen und anderen Seilführungssystemen. Die amerikanische Marke stattet alle Arten von Segelbooten aus, darunter viele Hightech-Rennjachten. In ihrer Fabrik werden jedes Jahr 17 000 Winschen gefertigt, das entspricht der Hälfte der Weltproduktion. Skippers hat die Fabrikationshalle für Sie besichtigt.

Harken betreibt seit Ende der 1960er-Jahre eine Fabrik in den USA, wo die Blöcke gebaut werden, sowie eine Zweigniederlassung in Italien in der Nähe von Mailand. 1987 übernahm das amerikanische Unternehmen den Winschenhersteller Barbarossa und beschloss, nochmals bei null anzufangen. Beim Zubehör für Regattajachten wurde der Schwerpunkt auf leichte, robuste und einfach zu montierende Produkte gelegt. Es ging nicht lange und Harken mischte bei der Segelregatta aller Segelregatten mit. Für den America’s Cup 1995 baute Harken für den neuseeländischen Challenger und späteren Sieger Winschen, die extrem leistungsfähig und sehr leicht sein mussten. Eine Quadratur des Kreises, die dank des im Bootsbau erstmals verwendeten Spillkopfs aus Kohlefaser möglich wurde. Die dabei erworbenen Erkenntnisse flossen in die Radial- Modelle ein. Bei praktisch allen Produkten wurde der Halt verbessert. Die diagonale Rippenstruktur der Trommel verhindert das ungewollte Nach-oben-Rutschen der Schot und somit Überläufer. Dank der geringeren Reibung werden Schoten und Fallen der meist aus Polyester gebauten Serienboote geschont, was den Verschleiss erheblich reduziert. Die performanceorientierten Performa- Produkte haben eine sandgestrahlte Oberfläche für einen aggressiveren Grip und schnellere Manöver und sind für Tauwerk mit kleinem Durchmesser und hoher Bruchlast gemacht.

Knallharte Tests
Befassen wir uns etwas genauer mit den Winschen. Alle Rohstoffe – Aluminium, Edelstahl, Bronze, Titan und Carbon – werden vor dem Gebrauch genaustens geprüft. Bei den anderen Komponenten, insbesondere den Rolllagern, richtet sich die Wahl nach der Qualität und der Robustheit des Materials. UV-empfindliche Materialien werden durch eine spezielle Bearbeitung stabilisiert.
Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung erarbeitet anhand der Anforderungen (Haltekraft, Robustheit, Gewicht, Montage und andere spezifische Merkmale) ein passendes Modell. Das erste mit der Baunummer 001 wird von einem Roboter gefertigt, der von einem Spezialisten gesteuert wird. Anschliessend wird diese erste Winsch unter der Aufsicht von Engineering Manager Michele Cazarro einer Reihe mörderischer Tests unterzogen. «Jede Winschserie durchläuft mindestens 13 Tests. Die reichen vom Halt an nassen und trockenen Seilen über die Zugkraft im Verhältnis zur Anzahl Umdrehungen der Schot bis zur elastischen Verformbarkeit, der einfachen Wartung und der Sicherheit», erklärt Managing Director Andrea Merello. Als erstes müssen die Produkte die Salznebel-Maschine überstehen. Sie simuliert den mehrjährigen Einsatz auf einem stark der Gischt ausgesetzten Deck. Darauf folgen Zugversuche auf zwei Testbänken. Der erste verwendet Gegengewichte und lange Seile, um eine zunehmende Last zu simulieren, der zweite eine Winde, die bis zu 100 Tonnen Zuglast ausüben kann. Die dafür verwendeten Seile könnten die Taue eines Frachtschiffs halten!

Standard- und Custom-Winschen
Der Standort ist in zwei Bereiche geteilt. Im einen werden die Serienmodelle, im anderen die Custom-Produkte gefertigt. Die Fabrikation der Standardprodukte, d.h. die im Harken-Katalog aufgeführten und auf vielen Serienbooten verbauten Winschen, wird teilweise an Subunternehmer vergeben. In der Fabrik befinden sich drei Produktionsketten. Auf einer werden die Zahnräder hergestellt. Roboter bohren in einem unglaublichen Tempo und mit verblüffender Geschicklichkeit Löcher. Anschliessend werden die Aluminiumteile anodisiert, zusammengebaut und geschmiert. Eine 2-Gang Radial-Winsch zum Beispiel besteht aus 25 und eine 3-Gang High-End-Regattawinsch wie das Modell 1130 aus 80 Einzelteilen.
Jede Winsch wird optisch und im Einsatz bei allen Geschwindigkeiten einzeln geprüft. Erst dann wird sie verpackt und versandt. Obwohl die Herstellung einer Serienwinsch nur wenige Minuten dauert, beträgt die Lieferfrist drei Wochen. Das liegt an der komplizierten Logistik. Harken vertreibt 640 verschiedene Winschen. Hinzu kommen 3640 andere Produkte, mehrheitlich Ersatzteile. Bestseller ist die Winsch 40.2STA. Sie wurde letztes Jahr ganze 1853- mal verkauft.
Die Custom-Abteilung nimmt fast jede Herausforderung an. 2150 Produkte hat sie bereits gefertigt, jedes entspricht einem eigenen Projekt. Hier kommen keine Subunternehmer zum Zug, alles wird intern realisiert. Harken erfüllt so ziemlich alle Anfragen, sogar solche, bei denen noch nicht einmal die Basisdaten vorliegen. So ist auch die Air Winsch entstanden, bei der die Zahnräder verändert werden können, um in einen anderen Gang zu schalten und den Grip zu verbessern. Die Air Winsch ist Harkens derzeitiges Topprodukt. Das einstige Custom-Modell wird heute mit rund hundert Stück pro Jahr in Serie hergestellt und stattet sowohl die TP 52 als auch die Prototypen des America’s Cups aus.
Für eine Winsch oder anderes Bootszubehör nach Mass braucht Harken rund 16 Wochen. Wenn die Produkte auf erfolgreichen Jachten wie der Sodebo oder der Commanche zum Einsatz kommen, sind sie bei Bootsbesitzern plötzlich so begehrt, dass sie oft in den Katalog aufgenommen werden. In der Fabrik werden zudem einige streng geheime Produkte entwickelt. Viele künftige Racer bestellen speziell auf ihren Decksplan und ihr Rigg zugeschnittene Teile und die sind natürlich topsecret. Bestimmt wird auch an den Winschen der Foilerjachten für den nächsten America’s Cup getüftelt, gut geschützt vor neugierigen Blicken.

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