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Wie wär‘s mit einer Fahrt an Bord einer Class America?

von Quentin Mayerat

© Stéphane Dheygers

Dass diese Boote wieder segeln, verdanken wir Stéphane Dheygers. Der 2,08 m grosse Hüne, der zu den glorreichen Zeiten beim Basketballclub Limoges CSP spielte, kann man unmöglich übersehen. Er hat viele Opfer gebracht und eine bewundernswerte Entschlossenheit an den Tag gelegt, um das etwas verrückte Projekt zu verwirklichen. In einem ersten Schritt und um der sechsjährigen Restauration der Segeljachten langfristig einen Sinn zu geben, gründete er im November 2010 den Yacht Club de Pau*.

© Gilles-Martin Raget

Kaum waren die beiden aufgeriggten Boote in Hendaye eingewassert, zogen sie die Blicke der Spaziergänger und Seefahrer auf sich. Kein Wunder, bei den sanften Rumpflinien und dem schmalen Bug! Das Cockpit ist eine einfache Badewanne, das Deck komplett aufgeräumt, nicht einmal eine Relingstütze oder ein noch so feiner Querbalken stören das Bild. Hinzu kommt ein riesiger Zahnstocher als Mast, der von fünf übereinander angeordneten Salingpaaren und einer Unmenge Backstagen gehalten wird. Lab1 und Lab 2 sind ein echter Blickfang. Es hagelte geradezu Fragen: „Was sind das für Boote wollten die zuschauer wissen die sind am Wind bestimmt unglaublich schnell?”

 

© Gilles-Martin Raget

Grosse Kunst

Wer mehr über ihre Geschichte erfahren will, muss zwanzig Jahre und mehr zurückblicken und sich für den Cup interessieren. Ein fragwürdiger Gerichtsentscheid setzte 1988 den 12-Meter-Jachten ein Ende. Daraufhin fuhr im Final der 27. Ausgabe ein riesiger Einrümpfer auf. Die New Zealand (KZ-1) hatte eine Länge über alles von 36,57 m und wurde von 40 Crewmitgliedern gebändigt! Trotzdem konnte sie gegen den mit einem Flügelsegel ausgestatteten amerikanischen 18-Meter-Katamaran Stars & Stripes (USA-1) nichts ausrichten. Nach diesem fragwürdigen Spektakel war klar, dass neue Bauvorschriften her mussten und so entstanden 1992 die ersten Class America. Im Anschluss an diesen Cup startete Marc Pajot sein Projekt, aus dem France 2 und France 3 hervorgehen sollten. Er hatte sich das für die damalige Zeit hochgesteckte Ziel gesetzt, die beiden Jachten 2,5 Prozent schneller zu machen als Ville de Paris. Bei der Auffassung, wie dieses Ziel zu erreichen sei, prallten zwei Generationen aufeinander. Die einen schworen auf Digitaltechnik, die damals bereits aus den Kinderschuhen heraus war und mit der die bautechnischen Entscheidungen überprüft werden konnten. Doch die alten Füchse mit Cuperfahrung wollten sich nicht in ihr Handwerk pfuschen lassen. Sie zogen die gute, alte Experimentiertechnik vor. Also wurden die Boote von Stars & Stripes, America 3 und des französischen Challengers mit Hilfe der alten Methode entwickelt. Fast dreissig Modelle wurden gebaut und einige wurden für Schlepptanktests verwendet. Höhepunkt war der Bau der Lab 1 und der Lab 2 – echte kleine Cupper im Massstab 1:2, die als Test- und Trainingsboote dienen sollten, bis die Originalboote fertig waren. Neben dem Konstrukteur Philippe Briand gehörte auch Pallu de la Barrière, der Chef des Forschungszentrums für nautische Architektur und Industrie CRAIN dem Team an.

© Stéphane Dheygers

Wer hat nicht schon davon geträumt, ein Ausnahmeboot zu steuern und sich für Russell Coutts zu halten? Unter Segeln lassen sich die Lab herrlich sanft steuern. Ein Mindestmass an technischem Können wird aber dennoch benötigt. Falsch bediente Backstagen (der Mast hat keinen Achterstag) beim Halsen und der Mast rächt sich. Unter Grosssegel und Solent braucht es mindestens drei Mann an Bord, unter Spi sollten es sogar noch zwei mehr sein. Am Wind sind die Boote schlicht einmalig, denn ihre wunderschönen Segel, ihr einzigartiger Rumpf, die Backstagen, mit denen Mast und Segel millimetergenau getrimmt werden können und der zwei Tonnen schwere Kiel zwei Meter unterhalb der Wasserlinie kommen besonders gut zur Geltung. Am Wind haben die Jachten kaum Gegner. Mit etwas mehr als 60° zwischen zwei Schlägen jagt eine Wende die andere. Das ist ganz grosse Kunst!

 

*Der Club will seinen Mitgliedern und auch der breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit bieten, an Bord dieser Ausnahmejachten zu segeln. Später soll eine F1, die erste Class America der Geschichte, hinzukommen. Derzeit liegt sie noch in der U-Boot-Basis von Bordeaux, aber wer Stéphane Dheygers kennt, weiss, dass auch die F1 wieder aufs Wasser zurückfindet.

 

Die Class America Lab Series 2012

Der YCP hat über die von ihr gegründete Esprit Cup Organisation einen allen offenen Match-Race-Wettkampf namens Class America Lab Series aus der Taufe gehoben, der 2012 erstmals stattfinden soll. Die Gaststadt wird Anfang des kommenden Jahres bekannt gegeben, anmelden kann man sich aber bereits im Oktober. Gesegelt wird auf den beiden Booten, die vor jedem Match ausgelost werden. Wie beim America’s Cup tragen die Teams die Regatten auf Bananenkursen im Massstab 1:2 aus. Und genau wie beim Cup müssen die Sieger der Erstlingsausgabe ihren Titel verteidigen und werden so zum Defender. An Bord jedes Bootes darf ein „Cupveteran“ mit-segeln. Die Wettkämpfer müssen Geldgeber suchen, denn die Boote werden bei jeder Regatta neu markiert, das heisst die Aufkleber auf den Segeln ausgewechselt. Ein Traum für alle, die einmal das America’s-Cup-Feeling spüren und eine einmalige Erfahrung machen möchten! Achtung, die Anzahl Teams muss womöglich beschränkt werden. Bereit, in die Legende einzutauchen?

Weitere Infos: www.espritcup.org

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