Wer Pierre Eckert, dem Direktor des Genfer Regionalzentrums von MeteoSchweiz, zuhört, wie er über die Aufgaben des staatlichen Wetter- und Klimadienstes berichtet, erhält einen Eindruck über die Komplexität des Unterfangens: „In einem ersten Schritt ermitteln wir die aktuelle Wetterlage. Dabei stützen wir uns auf zahlreiche Informationen aus verschiedenen Boden-, Satelliten-, Radar- und anderen Quellen. Die Daten werden von den Meteorologen studiert und in die digitalen Modelle eingespeist, wie das Globalmodell des europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage ECMWF oder das von sechs europäischen Staaten und der Schweiz entwickelte Regionalmodell COSMO. Ausserdem wird versucht, die Zuverlässigkeit der Prognose zu eruieren, indem die Ausgangslage leicht gestört wird und anschliessend 51 verschiedene Prognosen erstellt werden. Je genauer die Resultate übereinstimmen, desto vertrauenswürdiger ist die Prognose.“
Gigantische Rechenleistung
Die genaue Analyse der aktuellen Wetterlage ist also das A und O für verlässliche Prognosen. „Für diesen ersten, obligatorischen Schritt wird ebenso viel Rechenleistung benötigt wie für eine 10-tägige Vorhersage“, veranschaulicht Pierre Eckert. Hierzu wird eine unglaubliche Menge an Daten herangezogen und so aufbereitet, dass sie der Realität möglichst nahe kommen. Ausgangspunkt bildet eine umfassende Sicht – das Satellitenbild –, die zunehmend ins Detail geht, bis zur lokalen Quelle von Bodenstationen.

Von links nach rechts: zwei Pluviometer zur Bestimmung der Niederschlagsmenge, ein Pyranometer zur Messung der Sonneneinstrahlung, ein Instrument Thygan zur Temperatur- und Feuchtemessung, ein Pyrgeometer zur Ermittlung der Infrarotstrahlung, ein weiterer Temperatursensor und ein zweites Messgerät zur Bestimmung der Sonnenscheindauer. Der Drucksensor befindet sich im Gerät zur Datenerhebung und der Wind wird auf einem 10 Meter hohen Mast (nicht mehr auf dem Bild) gemessen. Die Wetterstation wird über Photovoltaik-Anlagen mit Strom versorgt und die DATENÜBERTRAGUNG ERFOLGT ÜBER DAS MOBILFUNKNETZ. © zvg
In den letzten 30 Jahren ist das Wetterdatennetz immer engmaschiger geworden. Damals beruhte das Globalmodell auf einem 250-Kilomter-Gitter. mit der Konsequenz, dass zum Beispiel weder das Zentralmassiv noch das Rhonetal existierten, so Eckert. Dadurch war es auch nicht möglich, den Mistral und das Tief über dem Golf von Genua vorauszusagen. Die Prognose von lokalen Wetterphänomenen wie Stratuswolken im Winter oder Gewitter war mit diesen Modellen deshalb nicht realisierbar. Seither wurden aber riesige Fortschritte erzielt. Beim numerischen Wetterprognosemodell COSMO, das in Zusammenarbeit mit Deutschland, Italien, Griechenland, Rumänien, Polen und Russland entwickelt wurde und für lokale und regionale Vorhersagen eingesetzt wird, liegen die Gitterpunkte heute nicht mehr 7 Kilometer, sondern 2 Kilometer auseinander. Laufende Studien befassen sich sogar damit, den Wert auf 1 Kilometer zu verringern. Falls die Studien zu überzeugenden Ergebnissen kommen, könne das Modell bereits Anfang 2016 umgesetzt werden, meint Pierre Eckert, dem die Einführung gelegen käme: „Für uns wäre das von Vorteil, denn wir könnten die Entwicklung und die Auswirkungen von sehr lokalen Phänomenen wie Gewitter oder Talwinden besser einschätzen. Das wäre vor allem im engen Rhonetal praktisch, das uns noch immer vor Probleme stellt.“

Bise über der Genferseeregtion dargestellt mit einem 1-Kilometer-Modell: Über dem See sind unterschiedliche Windstärken zu beobachten. Über dem unteren Seeteil ist eine deutliche Abschwächung, rund um den Mont-Pélerin eine Rotation zu erkennen. In den Voralpen herrschen unterschiedlich komplexe Strukturen vor. © zvg
Ballonsonde
Um die Prognose zu verfeinern, kann MeteoSchweiz auf eine ganze Batterie Instrumente zurückgreifen. Der nationale Wetter- und Klimadienst umfasst drei auf die Schweiz verteilte Regionalzentren: eines in Genf für die Westschweiz mit 34 Angestellten, eines in Kloten für die Deutschschweiz und Mittelbünden mit rund 200 Angestellten (umfasst auch die Zentraldienste wie die Informatik) und eines in Locarno für die Alpensüdseite und das Engadin mit zehn Angestellten. Das Zentrum in Payerne mit seinen rund fünfzig Mitarbeitenden erfüllt Spezialaufgaben. Es ist unter anderem für die Wartung der rund 200 Bodenstationen mit automatischer Messung (siehe Foto) zuständig und lässt zwei- bis dreimal pro Tag eine Ballonsonde für die Analyse der Luftsäule (Temperatur, Feuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und -richtung) bis 30 Kilometer hoch steigen.
Hinzu kommen derzeit vier, vor Kurzem modernisierte Wetterradarstationen: eine in La Dôle im Waadtländer Jura (1675 m), eine auf dem Albis bei Zürich (925 m), eine auf dem Monte Lema im Tessin (1625 m) und eine auf der Pointe de la Plaine Morte im Kanton Wallis (2942 m). Nächstes Jahr soll auf dem Weissfluhgipfel (2850 m) im Graubünden eine fünfte Station in Betrieb genommen werden. Diese Wetterradars dienen einzig dazu, die Niederschlagsmenge und -art (Wasser oder Eiskristalle und somit Hagelgefahr) zu messen. Die beiden letztgenannten sollen helfen, die Situation in den Alpen besser zu erfassen.
Um die Wetterprognosen noch mehr zu verfeinern, arbeitet MeteoSchweiz zudem mit Privatfirmen zusammen. Dazu gehören Europas grösster privater Wetterdienst MeteoGroup, Windsport für den Genfersee oder der Staat Wallis, der zur Vorbeugung von Überschwemmungen ein Netz aus Regenstationen eingerichtet hat.
Neue Website
MeteoSchweiz hat seit diesem Winter einen neuen, sehr vollständigen Internetauftritt (www.meteosschweiz.admin.ch). Er warnt die Bevölkerung unter anderem vor wetterabhängigen Gefahren wie Wind, Gewitter, Regen, Schnee, Strassenglätte, Hitze und Frost. Gesamtschweizerische Karten informieren über die jeweilige Gefahrenstufe und klären über das passende Verhalten auf. Die derzeit noch etwas dürftigen Windprognosen auf der überarbeiteten Website sollen bis zum Sommer verbessert werden. Das dürfte vor allem Segler freuen.
