Skippers

von Brice Lechevalier

© zvg

„Das Handy ist eben nicht mein Ding“, erwidert Alan Roura knapp, als wir ihn darauf hinweisen, dass wir ihn mehrmals vergeblich zu erreichen versucht haben. Es scheint ihn wenig zu kümmern. Der hübsche Kerl mit dem gewinnenden Lächeln schlägt sich nicht gern mit Bagatellen herum und dazu gehört auch das Handy. Er konzentriert sich lieber aufs Wesentliche, das heisst aufs Segeln und darauf, seine Projekte durchzuziehen.

Von klein auf

Alan kam 1993 zur Welt. Er ist auf einem Segelboot gross geworden und nie zur Schule gegangen. Das hat ihm aber offenbar nicht geschadet. „Meine Mutter hat mir Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht und der Rest war Learning by doing“, sagt der Skipper. Seine Kindheit verbrachte er auf der Long Vent Ludmila in den Antillen und in Lateinamerika. In seinem Blog schreibt er: „Eine Kajüte ist mein Zimmer, ein Eimer meine Toilette..“ Er hat seine ungewöhnliche Kindheit genossen. Sie hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist.

Alan Roura hat die Class 40 wie gewohnt eigenhändig präpariert. Ende Mai wurde sie in La Rochelle eingewassert. © Aurélie Mouraud

Mit 15 Jahren kaufte er in Grenada die Mini 6.50 Nr. 62 und machte damit seine ersten Erfahrungen als Einhandsegler. „Ich habe mir die 3500 Franken für das Boot von meinem Vater geliehen. Es glich einem Wrack und ich musste es von Grund auf restaurieren. Nach sieben Monaten hatte ich ihm das Geld zurückgezahlt.“ Schon bald war das Boot wieder segeltüchtig und Alan segelte damit kreuz und quer durch die Antillen. Nur mit einem Kompass ausgerüstet, ohne Autopilot oder GPS, verdiente er sich seine Sporen an den Regatten im Antillenbogen ab.

Vom Pazifik zu den Minis

2010 nahm die Ludmila Kurs auf den Pazifik. Am Steuer: Alan und sein Vater. „Meine älteren Geschwister waren bereits ausgeflogen und meine Mutter mochte lange Überquerungen nicht.“ Vater und Sohn segelten zu den Galapagos, den Marquesas-Inseln, nach Neuseeland und Neukaledonien. „Damals beschloss ich, an der Mini-Transat teilzunehmen“, erinnert sich Alan. Er kehrte mit 10’000 Franken auf dem Konto nach Europa zurück und machte sich auf die Suche nach einem Boot. Mithilfe einer kleinen Geldspritze von seinen Eltern kaufte er die Navman (Nr. 284), die einzige Mini aus Holz.

Alan Roura wird im kommenden November wahrscheinlich der einzige Schweizer am Start der Route du Rhum sein. Er segelt auf der von Elie Canivenc entworfenen und 2010 gebauten Exocet. © DR

Er bestritt die Regattatour der Minis auf dem Mittelmeer, hatte aber immer wieder mit Zweifeln zu kämpfen. „Ich war pleite, hatte nichts zu essen und nur Schulden. Ich lebte auf meinem Boot und war kurz davor, das Handtuch zu werfen“, beschreibt er seine Durststrecke. Der CCS hatte von seinen Projekten Wind bekommen und unterstützte ihn mit einem kleinen Betrag, der es ihm erlaubte, wieder Boden unter den Füssen zu bekommen. „Das Leben ist erstaunlich. An einem Tag bist du bereit, alles aufzugeben, und am nächsten startest du wieder voll durch, weil sich alles geregelt hat“, meint der junge Segler zu der plötzlichen Wende in seinem Leben. Seine Regattaleistungen machten perplex. Meist war er ohne Pilot, mit veraltetem Material und höchst bescheidenen Mitteln unterwegs, qualifizierte sich nur mühsam, beklagte sich aber nie. Sein unglaublicher Durchhaltewillen zahlte sich aus. Er qualifizierte sich für die Mini Transat 2013.

Unter einem guten Stern

Auf den Pontons machte er eine schicksalhafte Begegnung. Er schloss Bekanntschaft mit Stéphane Bise, Teilhaber von Trianon, einem Schweizer Unternehmen für Business Process Outsourcing. „Ich war nicht extra wegen der Regatta angereist, ich verstehe überhaupt nichts vom Segeln“, gesteht der Unternehmer. „Wir waren zusammen mit Freunden zur Pointe du Raz unterwegs und beschlossen, in Douarnenez Halt zu machen. Es war reiner Zufall.“ Dort traf Stéphane Bise auf Alan. „Ich mochte ihn als Person auf Anhieb. Wir haben eine ganze Stunde diskutiert. Er hat uns nicht um Unterstützung gebeten, sondern einfach erzählt, unter welchen Voraussetzungen er an den Start geht. Der Junge ist ein bodenständiger Realist, er zieht seine Sachen durch. Wir beschlossen spontan, ihm zu helfen. Wir haben junge Athleten schon immer unterstützt, allerdings in anderen Sportarten. Das Projekt reiht sich optimal in unsere Sponsorentätigkeiten ein.“

Dank der Unterstützung konnte Alan die Transat ohne finanzielle Sorgen angehen. Er schien wie befreit und legte ein beispielhaftes Rennen hin. Viele andere Segler hätten aufgegeben, doch er liess sich nicht unterkriegen. „Ich wollte eigentlich auf den Kanarischen Inseln an Land gehen, um das Boot zu reparieren, erfuhr aber vor Lanzarote, dass ich an achter Stelle lag. Also segelte ich weiter.“ Alan Roura flickte seine Segel mitten auf dem Meer, kletterte den Mast hoch, laminierte und kam schliesslich als 11. ins Ziel. Angesichts des Alters des Bootes, seines bescheidenen Budgets und seiner gezwungenermassen kurzen Vorbereitungszeit war dies ein bemerkenswertes Resultat!

Ein Traum wird wahr

Ende 2013 ging plötzlich alles sehr schnell. Er verkaufte sein Boot, reiste zusammen mit seiner Freundin und einem Bus durch Europa und stürzte sich dann kopfüber in sein nächstes Projekt: eine Teilnahme an der Vendée Globe 2016. Er hatte die Möglichkeit, für die Route du Rhum günstig eine Class 40 zu mieten. Alan sass wieder einmal auf dem Trockenen und kontaktierte Stéphane Bise, um ihm von seinem Projekt zu erzählen. Zwei Tage später erhielt er eine Zusage. „Ich habe ihm das garantiert, was er braucht und habe meine Beziehungen spielen lassen, um noch ein bisschen mehr herauszuschlagen“, sagt der neue Sponsor. „Das Budget ist sehr bescheiden, reicht aber für eine Teilnahme.“

Alan Roura kann es noch immer nicht glauben: „Ich habe ein Schweineglück, es ist wirklich genial.“ Trotzdem weiss er, dass noch ein langer Weg vor ihm liegt und setzt sich auch keine unrealistischen Ziele. „Ich bin kein echter Regattasegler, sondern ein Seemann“, stellt er klar, „das Rennen werde ich aber zu Ende segeln.“ Auch an die Vendée Globe 2016 stellt er keine zu hohen Ansprüche. Sein Ziel sei nicht der Sieg, sondern ganz klar die Teilnahme. „Wenn ich dabei sein kann, ist das schon enorm!“

Falls auch dieser Traum in Erfüllung geht, könnte Alan Roura der jüngste Skipper an einer Vendée Globe werden. Blickt man auf seine bisherige Karriere, ist er ganz offensichtlich auf dem richtigen Weg. Das Glück gehört den Tüchtigen!

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