Interview: Brice Lechevalier
Sie haben angekündigt, dass Sie am SailGP teilnehmen. Geht die Tilt-Saga also in die nächste Runde?
Ja, man könnte es als viertes Kapitel von Team Tilt bezeichnen. In den ersten drei – dem Youth America’s Cup, der WM der GC32-Klasse und der Olympiakampagne – haben wir uns stetig verbessert. Dank dieser Steigerung können wir den SailGP jetzt mit dem nötigen Selbstvertrauen angehen. Wir arbeiten seit 2019 an dem Projekt und haben uns mit der Option auf eine Verlängerung erst einmal für drei Jahre engagiert. Im Frühling 2022 startet der SailGP in seine dritte Saison. Wir werden mit unserem insgesamt neunten Boot mit dabei sein. Mit dem Bau des Katamarans wurde bereits vor mehreren Monaten begonnen. Wenn alles nach Plan läuft, können wir ihn noch vor Weihnachten in Empfang nehmen. Seine Rümpfe stammen übrigens vom Class America Team France. Sie wurden damals bei Décision gebaut und werden an die One-Designs des SailGP angepasst.
Welche Ziele haben Sie sich für Ihre erste Teilnahme gesetzt? Und wie sieht Ihr Saisonprogramm aus?
In unserer ersten Saison geht es vor allem darum, so schnell wie möglich Anschluss zu finden und gute Leistungen zu zeigen. Das Niveau ist sehr hoch und die Boote sind nicht ganz einfach zu segeln. Es wartet viel Arbeit auf uns. Bisher dominierten das australische Boot mit Skipper Tom Slingsby und das japanische Team um Nathan Outteridge, aber die Franzosen und Engländer haben in der zweiten Saison einen Gang zugelegt. Und auch die Spanier und die Kiwis sind nicht zu unterschätzen. Die dritte Saison besteht aus acht bis zehn Veranstaltungen in Europa, Neuseeland und den USA. Gesegelt wird im Grand-Prix-Format mit drei Trainingstagen, zwei Tagen Flottenregatten und drei je rund 20-minütigen Rennen pro Tag auf einem Up-and-Down-Kurs. Anschliessend machen die drei Erstplatzierten den Sieger untereinander aus. Die erste Saison wurde von den Australiern gewonnen.
«Der SailGP ist für mich di Zukunft des Segelsports»
Welche Beziehung pflegen Sie zu Russell Coutts, dem CEO des SailGP?
Wir sind geschäftlich miteinander im Kontakt. Dass wir mit Team Tilt heute da sind, wo wir sind, verdanken wir in gewisser Weise auch ihm, schliesslich hat er 2013 den Youth America’s Cup ins Leben gerufen. Sein Konzept ist aufgegangen, denn nach unseren beiden Kampagnen segeln wir heute auf Weltniveau. Durch unsere Teilnahme am SailGP, auf die wir uns seit 18 Monaten vorbereiten, haben wir uns näher kennengelernt. Unsere Beziehung ist aber rein professionell. Zu Team New Zealand pflegen wir hingegen seit langem engen Kontakt. Während des zweiten Youth America’s Cups verband uns sogar eine Joint Venture. Bei unserem WM-Sieg segelte Glenn Ashby mit uns auf dem GC32. Seine Foiling-Erfahrung hat uns enorm weitergebracht. Unsere Beziehung geht weit über den Segelsport hinaus, wir sind Freunde geworden. Mein Sohn Sébastien und Lucien Cujean sind zudem viel mit Peter Burling gesegelt. Sie haben oft gemeinsam trainiert, denn beide haben ihr Land an den Olympischen Spielen vertreten. Das hat sie zusammengeschweisst. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich unsere Wege erneut kreuzen und wir mit unseren neuseeländischen Freunden zusammenspannen.
Was gefällt Ihnen an den F50?
Alles! Der SailGP mit seinen spektakulär schnellen Katamaranen, die an den Regatten fulminante 50 Knoten und mehr erreichen, stellt für mich die Zukunft des Segelsports dar. Solche Grossanlässe sind teuer und erfordern ein gut durchdachtes Geschäftskonzept, damit die Finanzierung gesichert ist. Mit den zehn jährlichen Events weltweit ist das gelungen. Ausserdem handelt es sich nicht um eine starre One-Design-Klasse. In unseren Verträgen ist festgehalten, dass pro Jahr ein bestimmtes Budget für die Weiterentwicklung der Katamarane zur Verfügung gestellt wird. Da jedes Boot für sein Land antritt, fällt die Identifikation mit ihm leichter. Dazu müssen allerdings gute Seglerinnen und Segler gefördert werden. Von ihnen profitiert letztlich auch das Land. Wir haben mit Team Tilt bisher 25 junge Regatteure ausgebildet. Sie sind heute überall anzutreffen. Die Teams freuen sich darüber, dass sie einfacher hochkarätige Schweizer Seglerinnen und Segler finden. Die Strategie des SailGP ist meiner Meinung nach visionär und wird weltweit Schule machen.
Wie setzt sich Ihr Team zusammen?
Wir werden das vollständige Team im Herbst vorstellen. Sicher ist, dass wir auf einige Mitglieder des Team Tilt zählen können. Tanguy Cariou leitet die Tilt Sailing SA, Sébastien ist der Skipper. Die Mannschaft umfasst etwa 18 Personen, darunter fünf Stamm- und zwei Reservesegler und mindestens eine Seglerin. Wir segeln nach den World-Sailing-Regeln mit sehr strengen Nationalitätskriterien, die nur eine begrenzte Anzahl Ausländer an Bord zulassen.
Würde es im Falle einer neuen America’s-Cup-Kampagne Synergien mit Alinghi geben?
Ich denke schon. Es wäre grossartig, wenn Alinghi wieder am America’s Cup teilnehmen würde, schliesslich hat das Team eines der schönsten Kapitel der Schweizer Segelgeschichte geschrieben. Für ein Land wie die Schweiz wäre es fantastisch, wenn es gleich an zwei so grossen Projekten wie dem AC Cup und dem SailGP mitwirken würde. Wenn die vielen begabten Seglerinnen und Segler in der Schweiz gefördert werden sollen, müssen Synergien geschaffen werden. Und es muss dafür gesorgt werden, dass der Nachwuchs möglichst viel zum Regattieren kommt. Auch beim Design würden Synergien entstehen, denn die Technologien sind sehr ähnlich.
Wie beurteilen Sie als Präsident des Verwaltungsrats die Leistungen des Swiss Sailing Teams?
Ich bin sehr stolz auf das, was wir seit den Olympischen Spielen in London erreicht haben und bleibe im Übrigen Vorsitzender des Verwaltungsrats. Es ist uns gelungen, die nötigen Mittel für ein hochkarätiges Coaching aufzutreiben, das unseren Athletinnen und Athleten hilft, sich ständig zu verbessern. Wir setzen uns proaktiv für unsere Mitglieder ein. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Paris verfügen wir am Regattarevier in Marseille bereits über eine Basis. Was uns noch fehlt, ist ein Hauptsponsor oder eine Organisation, die uns langfristig unterstützt. In diesem Jahr wurden Blumi Scherrer und Enrico de Maria in den Verwaltungsrat berufen, und im Selektionsausschuss sitzen neu erfahrene Persönlichkeiten wie Eric Monnin, Pierre-Yves Jorand und Richard Stauffacher. Im Swiss Sailing Team gibt es viele gute Regatteure, die noch nicht bekannt sind. Verteilt auf Talent Pool, Youth und Elite betreuen wir rund 50 Nachwuchshoffnungen. Ich bin sehr optimistisch, auch wenn das olympische Segeln wirklich hart ist. Es braucht viel Leidenschaft, Geduld, Einsatz und Opferbereitschaft. Das ist nicht jedem gegeben und nur die besten schaffen es nach ganz oben.