Das Swiss Sailing Team (SST) hat gleich zu Beginn der OlympiaQualifikation geglänzt und vier wertvolle Startplätze für Paris 2024 ergattert. Bestärkt durch die guten Resultate seiner Schützlinge will Christian Scherrer eine schlagkräftige Delegation nach Marseille schicken, die realistische Chancen auf Edelmetall hat.
Interview: Pauline Katz
Das SST war an der WM in Den Haag sehr erfolgreich. Seine Mitglieder konnten der Schweiz dort gleich mehrere Quotenplätze für die Olympischen Spiele 2024 sichern. Wie schätzen Sie die Leistungen ein?
Wir sind sehr zufrieden, unsere Athletinnen und Athleten haben gleich vier Nationenplätze für Paris 2024 geholt. Eine so frühe Qualifikation ist für uns ein Novum und ein sehr gutes Omen. In der Vergangenheit mussten wir oft um die Olympiaqualifikation kämpfen. Durch die späte Qualifikation fehlte uns dann die Zeit für die gezielte Vorbereitung. Maud Jayet auf dem ILCA 6 und Sébastien Schneiter/Arno De Planta auf dem 49er haben mit ihren Silbermedaillen nicht nur je einen Quotenplatz für die Schweiz ersegelt, sondern waren auch die ersten Athletinnen und Athleten, die von Swiss Olympic definitiv für Paris 2024 selektioniert wurden. Sie Sailing Energy haben ihren olympischen Startplatz auf sicher und können sich jetzt auf die olympische Vorbereitung konzentrieren. Zwei weitere Quotenplätze sind dank der guten Ergebnisse von Elia Colombo sowie Yves Mermod/ Maja Siegenthaler bei den iQFoil und den 470ern hinzugekommen. Sie müssen ihre Leistungen noch bestätigen und den Druck – im positiven Sinne – aufrechterhalten, damit sie nächsten Sommer in Topform nach Marseille reisen können.
Vier Klassen sind schon sehr gut, streben Sie weitere Startplätze an?
Ja natürlich, wir möchten mit einer möglichst grossen Delegation nach Paris. Bei den Formula Kite hoffen wir aufgrund der guten Ergebnisse von Bruce Kessler und der aussergewöhnlichen Steigerungskurve von Elena Lengwiler auf weitere Startplätze. Und auch bei Gauthier Verhulst auf dem ILCA 7 stehen die Chancen gut. Um sich für die Spiele zu qualifizieren, müssen diese Hoffnungsträger im April in Hyères an der «Last Chance Regatta» die nötigen Resultate abliefern. In den anderen Klassen planen wir langfristiger und streben die Olympischen Spiele 2028 an. Wir haben sehr talentierte junge Athletinnen und Athleten, die bereits heute von der Erfahrung der Elitegruppe profitieren.
Bis zu den Spielen sind es noch gut sechs Monate. Mit welcher Struktur unterstützt das SST die Schweizer Seglerinnen und Segler?
Wir betreiben seit zwei Jahren eine feste Trainingsbasis in Marseille und waren übrigens eine der ersten Nationen, die sich in Marseille niedergelassen hat. Unsere Athletinnen und Athleten trainieren dort regelmässig, wenn sie nicht gerade anderswo an einer Regatta teilnehmen. Die vier qualifizierten Klassen haben mit der spezifischen Schlussvorbereitung auf Olympia begonnen. Sie werden alle von ihren Klassencoaches und dem Headcoach von SST sowie von den Fachleuten des Leistungszentrums von Swiss Sailing im «Service Sport Santé UNIL-EPFL» betreut. Bei den Klassen, die ihr Olympiaticket noch nicht in der Tasche haben, sieht das Programm etwas anders aus. Sie bereiten sich auf die Qualifikationsregatten und die Last Chance Regatta in Hyères vor. Nach den Wettkämpfen in Palma und Hyères im Frühling werden wir mit allen offiziell selektionierten Athletinnen und Athleten nach Marseille umsiedeln. Während der Spiele wohnen wir dann mitsamt unserer ganzen Struktur, inklusiv Coaches, Physiotherapeuten und Koch, in einem Teamhaus, damit wir den Seglerinnen und Seglern die bestmögliche Unterstützung bieten können.
Welche Ziele hat sich das SST für Marseille gesetzt?
Die Silbermedaillen an den letzten Weltmeisterschaften haben gezeigt, dass die Schweiz mit den grossen Nationen mithalten kann. Die Schweiz hat seit über 50 Jahren keine Olympiamedaille mehr gewonnen (Anm. d. Red: Louis Noverraz, Bernard Dunand und Marcel Stern holten 1968 in Mexiko-Stadt Silber), wir wollen diesen Trend endlich umkehren. Wir haben Topathleten und realistische Medaillenchancen. Natürlich werden wir die nötigen Voraussetzungen schaffen, damit unser Team in Marseille sein Potenzial erfolgreich abrufen kann.
Die nächste Generation drängt nach. Sie liebäugelt offenbar bereits mit den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles.
Wir haben tatsächlich einige sehr vielversprechende junge Seglerinnen und Segler in unseren Reihen, die fleissig trainieren und langsam, aber sicher zur Elite stossen. Nach den Spielen in Tokio haben wir das Training in den einzelnen Klassen in Form von «Squads» organisiert. So können wir regelmässig nach Disziplin und Niveau gegliederte Camps durchführen. Zudem arbeiten wir heute vermehrt teamorientiert und weniger auf die Einzelperson fokussiert. Indem die Jüngeren regelmässig mit dem Nationalkader und den aktuellen Olympioniken trainieren, profitieren sie von deren Erfahrung. Das Wissen wird kontinuierlich weitergegeben und wir müssen nicht bei jeder Olympiakampagne von null anfangen. Für die «älteren» Athletinnen und Athleten entsteht dadurch zudem eine positive Konkurrenz und ein wertvoller Austausch. Der zunehmend härtere Wettbewerb fördert die Dynamik und die Ambitionen des Schweizer Segelsports.