Fotos: ©Sander van der Borch
Christian Scherrer braucht man in der Schweizer Segelszene nicht mehr vorzustellen. Er hat mit dem Team Alinghi 2003 den America’s Cup gewonnen und setzt sich heute für die Weiterentwicklung der GC32- Katamarane ein. Wir haben ihn am letzten Saisonevent der GC32 Racing Tour in Marseille getroffen und mit ihm über die Gegenwart und Zukunft der jungen Klasse gesprochen.
Welches waren die Höhepunkte der GC32 Racing Tour?
Dieses Jahr waren elf Boote gemeldet und die Klasse hat sich auch ausserhalb der GC32 Racing Tour stark weiterentwickelt. Die Extreme Sailing Series werden ja ebenfalls auf GC32 gesegelt. Zu den Highlights gehörten der Saisonstart auf dem Gardasee mit zehn Booten und die Teilnahme an Regatten wie der Copa del Rey in Palma de Mallorca. Nach der letzten Saison hatten wir uns vorgenommen, nur Reviere zu wählen, wo das Segeln auch Spass macht und wo die bestmöglichen Bedingungen fürs Foilen herrschen. Mit den Events auf dem Gardasee, in Palma, Sotogrande und in Marseille haben wir dieses Ziel erreicht. Das ist bereits eine erfreuliche Bilanz.
Wie Sie erwähnt haben, werden dieses Jahr neben der GC32 Racing Tour erstmals auch die Extreme Sailing Series auf G32-Katamaranen ausgetragen. Welche Synergien sehen Sie zwischen den beiden Regattaserien?
Ich habe zwei Funktionen. Einerseits bin ich Class Manager und andererseits koordiniere ich die RC32 Racing Tour, die von der Klassenvereinigung organisiert wird. Die Hauptziele der Klassenvereinigung bestehen darin, alle GC32 zu vereinen, gemeinsame technische Regeln zu erlassen und das Boot weiterzuentwickeln. Sie richtet sich somit an alle Eigner, auch an jene, die an den Extreme Sailing Series mitmischen, also Alinghi, SAP und Land Rover BAR Academy, um nur die bekanntesten zu nennen. Sie sind vollständige Klassenmitglieder und wir arbeiten eng zusammen
Norauto, der Sieger der GC32 Racing Tour, war am Lissaboner Act der Extreme Sailing Series dabei. Ist damit zu rechnen, dass nächstes Jahr mehrere Teams beide Touren segeln?
Das entscheiden die Teams selbst. Wenn sie
an beiden Touren präsent sein können, ist das natürlich positiv, aber Terminkollisionen sind unvermeidlich. Die Extreme tragen Acts in den USA und in China aus und während des Transports sind die Katamarane natürlich nicht verfügbar. Wir haben aber ein gemeinsames Datum und einen Ort für eine Klassenmeisterschaft gefunden. Sie wird Ende Februar/ Anfang März 2017 in Maskat, Oman, stattfinden. Wir erwarten mindestens zwölf GC32 zu diesem geschichtsträchtigen Anlass.
Die GC32 sind stark im Kommen. Welche Ziele verfolgt die Klasse im Hinblick auf ihre Weiterentwicklung?
Unsere Klasse ist jung, hat aber bereits eine gewisse Reife erlangt. Am Anfang meiner Zusammenarbeit mit der Klasse habe ich mich hauptsächlich mit der Weiterentwicklung der Regeln befasst. Mittlerweile sind sich die Wettfahrtregeln der Extreme Sailing Series und der GC32 Racing Tour sehr ähnlich. Nächstes Jahr möchten wir die Zusammenarbeit noch verstärken und die Regeln komplett vereinheitlichen. Wir haben in dieser Hinsicht bereits grosse Fortschritte erzielt, aber je mehr Boote teilnehmen, desto komplizierter wird die Organisation der Regatten. Da die GC32 extrem schnell sind, nimmt auch die Gefahr von Zwischenfällen zu. Wir müssen in Bezug auf die Sicherheit stets einen Schritt voraus sein. Die Flotte wächst rasant, da gilt es proaktiv zu sein. Dass es uns gelungen ist, die Mitglieder der GC32 Racing Tour und der Extreme Sailing Series in einer Klasse zu vereinen, hilft uns enorm. Wir möchten die Klasse zudem auch ausserhalb der beiden Circuits in anderen Teilen der Welt wie den USA oder China fördern. Alles in allem ist 2017 ein realistisches Ziel für eine WM oder eine Klassenmeisterschaft.
Zurzeit segeln vier Schweizer Teams bei den GC32. Wie sehen Sie die Beteiligung Ihrer Landsleute?
Die Schweizer Teams bringen viel Erfahrung im Katamaransegeln mit, was vor allem auf die D35 zurückzuführen ist. Als Schweizer freue ich mich natürlich darüber, dass so viele gute Teams dabei sind: Tilt, Alinghi, Armin Strom mit Flavio Marazzi, der übrigens auch Klassenpräsident ist, und Realteam, das im Laufe der Saison dazugestossen ist. Hier zeigt sich einmal mehr, dass unser Land im Segelsport und dessen Weiterentwicklung eine Vorreiterrolle einnimmt.
Heisst das, dass auch ein Tourstopp in der Schweiz geplant ist?
Ja, diese Möglichkeit besteht. Wir werden bestimmt einen Event auf einem windsicheren See austragen. Nicht unbedingt auf dem Genfersee, da die Bedingungen dort zu instabil sind und wir genügend Wind zum Fliegen brauchen, sondern eher auf einem Bergsee.
Viele Segler sehen die GC32 als gutes Trainingsboot für den America’s Cup. Haben Sie schon eine Strategie, wie Sie nach 2017 vorgehen?
Das Boot, auf dem der America’s Cup gesegelt wird, hat viele Ähnlichkeiten mit den GC32. Und die GC32 sind eine günstige Lösung, um sich auf den Cup vorzubereiten. Mit einem fünfköpfigen Team auf so hohem Niveau zu segeln ist äusserst lehrreich. Nach dem America’s Cup werden einige Teams bestimmt über die Bücher gehen und ihre Zukunftspläne ändern, aber das ist normal. Wir versuchen, mit der Racing Tour für Kontinuität zu sorgen. Ein Grossteil der Teams hat ihre Teilnahme für nächstes Jahr bereits bestätigt. Das Gleiche gilt für die Extreme Sailing Series.
Wie das Volvo Ocean Race wollen auch Sie die Beteiligung der Frauen mit speziellen Massnahmen fördern. Wie sehen die konkret aus?
Wir haben die Wettfahrtregeln angepasst. Zum einen sind höchstens fünfköpfige Teams mit einem Gesamtgewicht von maximal 437,5 kg erlaubt, zum anderen haben wir diese Vorschrift etwas gelockert. Teams mit mindestens zwei Frauen dürfen ein Besatzungsmitglied mehr an Bord haben, also zu sechst segeln, sofern sie das maximale Gesamtgewicht nicht übersteigen. Es besteht ein genereller Trend, den Frauenanteil an den Regatten zu erhöhen. Das wurde bereits bei den Regeländerungen für das Volvo Ocean Race 2017 deutlich. Ich unterstütze diese Bemühungen. Unsere Regeländerungen sind deshalb darauf ausgerichtet, dass sich Frauen unter gleichen Voraussetzungen mit den Männern messen können.