Interview | Quentin Mayerat
Fotos | onEdition & DR
Nach elf Monaten und 55’000 Seemeilen hat Dominique Hausser mit 15 Kilos weniger auf der Waage und ein paar Adrenalinschüben mehr das Clipper Round the World Yacht Race an Bord der LMAX Exchange siegreich beendet. Wenige Tage nach seiner Zieleinfahrt in London haben wir ihn in Genf getroffen, bevor er sich wieder nach Rio aufmachte, um seinen Sohn, den 470er-Segler Romuald, zu unterstützen.
„Das Meer ist nicht für den Menschen gemacht… definitiv nicht. Deshalb kehre ich auch wieder dorthin zurück.“
Nach 40’000 Seemeilen und 11 Monaten auf dem Wasser haben Sie jetzt wieder Boden unter den Füssen. Was ist das für ein Gefühl?
40’000 Seemeilen beträgt die Distanz zwischen der Start- und der Ziellinie, wir sind aber bestimmt 55’000 Seemeilen gesegelt. Ich habe mir einen langgehegten Traum erfüllt. Ich empfinde es als grosse Genugtuung, dass ich das Projekt vom ersten bis zum letzten Tag durchziehen konnte. Wir segelten auf einem Regattaboot und in dem Moment, in dem ich im Rennmodus bin, will ich auch gewinnen. Der Sieg ist aber nicht das Ergebnis eines Einzelnen, sondern in erster Linie der Erfolg eines Teams. Wenn sich die Crewmitglieder nicht ins Zeug legen, funktioniert nichts. Ein Skipper allein kann das Boot nicht vorwärts bringen. Auf diesen 70 Fuss langen Rennjachten muss man zu zehnt sein, um einen Spi zu wechseln und mindestens zu sechst, um eine Wende richtig hinzubekommen. Dann sind da auch noch alle möglichen alltäglichen und unverzichtbaren Arbeiten wie Kochen, Aufräumen usw. zu erledigen. Wenn man etwas erreichen will, muss deshalb jeder Einzelne richtig anpacken. Das Team hat vollen Einsatz bewiesen und je häufiger wir gewonnen haben, desto härter haben wir gearbeitet!
Wie gewöhnt man sich nach so langer Zeit auf dem Meer wieder an das Leben an Land?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich komplett von der Aussenwelt abgekapselt: keine Musik, keine Filme, kein Buch, keine Nachrichten. Die einzigen Informationen, die ich erhielt, waren die der Organisatoren. Jetzt muss ich mein Leben zuerst wieder umstellen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich mit Ausnahme der neu eingerichteten Société Nautique de Genève eine identische Welt antreffen werde.
Das Clipper Race ist ein höchst anstrengendes Langstreckenrennen. Wie haben Sie sich mental und körperlich darauf vorbereitet?
Ich bin 61 Jahre alt und war bis 59 berufstätig. In den letzten zehn Jahren meines Berufslebens hatte ich eine erbärmliche Kondition. Als ich Anfang 2014 für das Clipper Race unterschrieben habe, fing ich an, seriös zu trainieren. Bis zum Start hatte ich 20 Kilo verloren (Anm. d. Red.: weitere 15 während der Regatta) und das Fett durch Muskeln ersetzt. Nur so konnte ich durchhalten. Auch mental wusste ich, was mich erwartete. Ich hatte ja schon 60’000 Seemeilen in meinem Logbuch und ordentlich Erfahrung im Einhandsegeln. Zuvor hatte ich mich intensiv mit der Strecke, dem Wetter und dem Klima befasst und meine medizinischen Kenntnisse aufgefrischt, da ich auch Bordarzt der LMAX Exchange war. Ich habe das Boot fast jeden Tag zwischen einer und fünf Stunden gesteuert. Wir wechselten uns alle 30 Minuten ab, um konzentriert zu bleiben. Je schwächer der Wind war, desto mehr Zeit verbrachte ich am Steuer, denn dann war ich am effizientesten. Bei mehr als 40 Knoten vor dem Wind fehlte mir die nötige Kraft, um das Boot nach den Wellentiefs wieder aufzurichten, weshalb ich bei diesen Bedingungen manchmal auf meine Rolle als Skipper verzichtete und die Rolle des zweiten Steuermanns einnahm.
Vor der letzten Etappe lagen Sie nur gerade sechs Punkte vor der zweitplatzierten Derry-Londonderry-Doire. Wie ist Ihr Team diesen Finallauf angegangen?
Das letzte Rennen nach Holland hat 32 Stunden gedauert. Davon habe ich fast 30 am Kartentisch verbracht, denn es war eine heikle Aufgabe, die LMAX Exchange zwischen Ölplattformen, Sandbänken und Schiffen durchzulotsen. Unser Schlachtplan war einfach: Wir heften uns an den Hintern der Derry und lassen sie nicht entwischen. Wir wussten, dass sie gewinnen musste und uns ein 8. Platz für den Sieg reichen würde. Insgesamt haben wir sechs Etappen gewonnen, sind in 14 Läufen zehnmal aufs Podest gesegelt, hatten nach Australien bereits einen guten Vorsprung auf unsere Verfolger und haben den ersten Platz dann auch nicht mehr abgegeben.
An diesem Clipper Race sind zwei Personen gestorben. Haben die Todesfälle nicht aufs Gemüt geschlagen?
Die Segler sind ziemlich unterschiedlich damit umgegangen. In Portugal wurde ein Crewmitglied der Ichocoal bei einem Crash Jibe von der Grossschot getroffen. Es war bei der ersten Etappe. Nicht alle brachten viel Hochseeerfahrung mit und einige konnten sich nicht vorstellen, die Regatta nach diesem tragischen Unfall fortzusetzen. Aber genau das war wichtig! Segeln ist ein extrem gefährlicher Sport, das ist kein Geheimnis. Er birgt erhebliche Risiken und wenn man den Verstorbenen ehren möchte, musste man das Rennen zu Ende segeln. Im Pazifik wurde eine Frau bei Einbruch der Dunkelheit und bei 30 Knoten Wind von einer Welle mitgerissen. Nach eineinhalb Stunden wurden sie tot geborgen. Mit dem Einverständnis der Familie hat das Team sie dem Meer zurückgegeben. Das Meer ist nicht für den Menschen gemacht… definitiv nicht. Deshalb kehre ich auch wieder dorthin zurück.
Sie gehören jetzt zum Kreis der Weltumsegler. Hat Sie eine Region besonders geprägt?
Wenn es ein Meer gibt, auf das ich nicht mehr zurückkehre, dann ist das der nördliche Pazifik. Sollte ich erneut in der Gegend sein, dann segle ich weiter südlich Richtung Hawaii, wo der Passat weht und die Temperaturen milder sind. Im Jahr 2002 haben mir der Südatlantik und Südgeorgien sehr gefallen. Dort ist das Meer anders: mit viel Leben, hohen Wellen und wunderschönen Vögeln, die dem Schiff folgen. Man kann dort wunderbar surfen.
Die Schweizer sind an Hochseeregatten wie der Mini-Transat, der Transat Jacques Vabre, der Jules Verne Trophy oder dem Figaro Race gut vertreten. Wie sehen Sie dieses Engagement als Mitglied des Zentralvorstands von Swiss Sailing?
Die Sportler und ihr Einsatz beeindrucken mich. In diesen Disziplinen wird der Nachwuchs aber nicht genügend unterstützt. Man hat viel für das olympische Segeln getan und das ist gut so. Auch die Junioren werden bis zu ihrem 18. Jahr gefördert, aber bei den 18- bis 30-Jährigen besteht diesbezüglich noch viel Handlungsbedarf. Es bieten sich nicht viele Möglichkeiten für eine Karriere als Hochseesegler oder IRC-Regattasegler. Wir müssen den jungen Seglern, die Hochseeregatten bestreiten wollen, deshalb Perspektiven bieten.